Eine toughe Ermittlerin, eine hochdramatische Geschichte und Ulrich Matthes als finsterern Bösewicht: Dieser Film hat eigentlich alles. Er macht nur nichts draus.
Cast & Crew
Vor der Kamera:
Lisa Maria Potthoff als Sarah Kohr
Herbert Knaup als Anton Mehringer
Corinna Kirchhoff als Heike Kohr
Golo Euler als Danylo Margraf
Ursula Strauss als Paula Schönherr
Ulrich Matthes als Artem Lasarew
Stipe Erceg als Egor Medwedew
Hinter der Kamera:
Produktion: Die Film GmbH
Drehbuch: Timo Berndt
Regie: Christian Theede
Kamera: Tobias Schmidt
Produzenten: Uli Aselmann und Sophia AldenhovenGleich in den ersten Minuten zeigt Sarah Kohr (Lisa Maria Potthoff) vom Kriminaldauerdienst, aus welchem Holz sie geschnitzt ist: Mühelos überwältigt sie drei bis an die Zähne bewaffnete Kollegen, zieht ihre Pistole, drückt auf dem Smartphone auf Aufnahme und— erschießt einen Kollegen. Kaltblütig. Mit zwei Schüssen in die Brust.
Natürlich war das abgesprochen, mit ihrem Ex-Lover, dem Staatsanwalt Mehringer (Herbert Knaup). Klammheimlich hat das Opfer Sarahs Attentat überlebt und wird jetzt an einen sicheren Ort gebracht, während die ausgekochte Schützin das Beweisvideo der Hinrichtung den Erpressern übergibt, die die Tochter des tot geglaubten Kollegen entführt haben.
Obwohl aus Gründen der Plausibilität nun eine Fahndung nach Sarah läuft, bleibt die bis zur Lösung des Falls davon seltsam unbehelligt und ermittelt seelenruhig auf eigene Faust gegen die Hintermänner: Der ukrainische Schwerverbrecher Artem Lasarew (gewohnt gruselig: Ulrich Matthes) koordiniert mithilfe eines überforderten Szeneanwalts die Entführung und den geplanten Bombenanschlag aus dem Knast.
Doch zunehmend wird dieser Film zum Alle-gegen-Sarah-Stoff. Mehringer ist sauer auf sie, weil sie konsequent außerhalb der Reihe weiterermittelt, der Vater des verschwundenen Mädchens zieht ihr ein Holzbrett über den Kopf, nachdem die Übergabe des Bildmaterial schief gelaufen ist (woran Sarah keine Schuld hatte), während dessen Frau sie dafür auch noch anspucken will. Sarahs eigene Rabenmutter trägt ihr schließlich in der Notaufnahme eine rührselig-egomanische Litanei vor, während sie den zerschnittenen Rücken ihrer Tochter wieder zusammenflickt. Die Frau kann was ab…
Um noch etwas Erotik in den Stoff zu bringen, macht sich Sarah bald an Lasarews Sohn (Golo Euler) ran, der schon lange mit dem menschenverachtenden Vater gebrochen hat, aber für das große Ganze ein paar Tage in Sarahs Geiselhaft verbringen muss, die sie im beiderseitigen Einvernehmen zum Zeitvertreib mit ein paar sexuellen Eskapaden auflockern. Und in den Stunden, in denen sich Sarah draußen an die Fersen der Entführer und Bombenleger heftet, muss ihre Freundin Paula (Ursula Strauss) die sexy Geisel hüten, was die Möglichkeit einer Konfrontation eröffnet: Denn auch Ex-Polizistin Paula hat vor Jahren Bekanntschaft mit Lasarew senior gemacht und trägt von diesem Treffen heute noch die Brandwunden an Brust, Arm und Bein mit sich herum. Wird sie den Sohn für die Verbrechen des Vaters strafen?
Diese Szene ist mit Abstand die beste und intelligenteste des ganzen Films. Leider bleibt sie mit Absicht Stückwerk, denn auch die Geschichte um Schuld und Trauma ist wenig mehr als schnödes
Plot Device. „Das verschwundene Mädchen“ ist an keiner ernsthaften Begegnung mit dem Bösen interessiert, obwohl es mit Ulrich Matthes den perfekten Schauspieler besetzt hat, um genau eine solche Konfrontation zu wagen. Sein Talent bleibt ungenutzt, und nur er verhindert irgendwie noch, dass seine Rolle vollends zum Ostblock-Mafia-Klischee verkommt.
Dieser Film hätte aus den Vollen schöpfen können: Kaltblütige Killer, zwei emotional völlig lädierte Polizistinnen, eine verstörte Familie, eine entführte junge Frau in den Händen von mit allen Wassern gewaschenen Mördern. Doch inhaltlich interessiert das alles nicht – zumindest nicht jenseits dessen, wie sich daraus die nächste Wendung, die nächste Enthüllung, das nächste halbgare Spannungsmoment zimmern ließe. Das Ergebnis wirkt in den besseren Momenten wie ein ambitionsfrei heruntergekurbelter Allerweltsfilm, in den schlechteren eiskalt und unangenehm steril. Eine toughe Figur wie Sarah Kohr hätte Besseres verdient – ihre talentierte Darstellerin Lisa Maria Potthoff ebenso.
Das ZDF zeigt «Sarah Kohr – Das verschwundene Mädchen» am Montag, den 6. Mai um 20.15 Uhr.