Fünf Köpfe, eine Frage, die sich uns anlässlich des «The Big Bang Theory»-Abschieds stellt: Welche komödiantische Serie hatte die beste Finalfolge?
Antje Wessels: «Community»
Bei der Frage nach dem besten Serienfinale einer Comedyserie kommt natürlich nur das Finale der besten Comedyserie aller Zeiten infrage. Die Rede ist von «Community», der Dan-Harmon-Show über eine Gruppe von Community-College-Studenten, die sich zwischen 2009 und 2015 (und unter teils miesen Vorzeichen, herumgereicht von einem Programmplatz zum nächsten und letztlich vom Fernsehen zu Yahoo) den kleinen und großen Dramen des Alltags entgegenstellten, nur um am Ende selbst von ihm verschlungen zu werden. Kein TV-Format hat in seinem Witz, in seiner Cleverness und Weisheit so begeistert, wie die abwechslungsreichen Geschichten rund um das fiktive Greendale Community College, das sich im Laufe seiner sechs Staffeln immer weiter vom überzeichneten Ort des Spaßes und der Absurdität gewandelt hat zu einem ganz normalen College, in dem liebgewonnene Figuren kommen und gehen, das durch Außenstehende nach und nach als Drehort einer Serie entlarvt wird und das trotzdem nie ganz an Charme eingebüßt hat. Doch irgendwann ist eben Schluss. Und so verabschiedeten sich am Ende von Season sechs – nach Pierce und Troy in Staffel fünf – zwei weitere der Serienlieblinge Annie und Abed, um sich außerhalb Greendales endlich weiterzuentwickeln; etwas, was einigen der anderen Figuren nie vergönnt war. Das Finale ist melancholisch, immerhin gehen liebgewonnene Figuren, aber auch hoffnungsvoll. Immerhin ist der Verbleib am College, sei es nun als Student, Lehrkraft oder Studienleiter, kein Beinbruch, der eine ganz entscheidende Aussage der Serie noch einmal treffend zusammenfasst: es gibt keinen Masterplan für ein glückliches Leben – für ein schönes Serienfinale dagegen schon. Man muss sich nur «Community» anschauen…
Julian Miller: «The Mary Tyler Moore Show»
Unerwartet steht für die gesamte Belegschaft der Nachrichtenredaktion des lokalen Fernsehsenders WJM aus Minnesota im Finale der «Mary Tyler Moore Show» ein Tapetenwechsel ins Haus: Mary Richarts, ihr grantiger Vorgesetzter Lou Grant, Chefautor Murray, sogar die anzügliche Sue Ann von der Kochshow fliegen samt und sonders raus – nur nicht der narzisstisch-inkompetente Anchorman Ted, der die gesamten sieben vorherigen Staffeln eigentlich konsequent an seiner Entlassung gearbeitet hatte.
So endet die «Mary Tyler Moore Show», wie sie begonnen hatte: mit einer alles durchdringenden Veränderung. Sieben Jahre zuvor war Mary Richarts in die Stadt gezogen, nachdem eine lange Beziehung in die Brüche gegangen war und sie sich ganz woanders neu sortieren wollte. Schnell wurde sie zu Amerikas beliebtestem
Working Girl – um im Finale mit ihrer Arbeit auch die zur Familie gewordenen Kollegen zu verlieren. Das ist bitter, passt aber wunderbar zum Ton, den Sitcom-Urgestein James L. Brookes mit dieser Serie für seine ganze restliche Karriere etablierte: die leichte, vorsichtige komödiantische Übertreibung, vermengt mit einer sanften, eindringlichen Emotionalität, die niemals übersteuert wird oder zum Kitsch verkommt. Im Serienfinale der «Mary Tyler Moore Show» sieht man in Perfektion, wie unheimlich wirkungsvoll diese Mischung sein kann.
Spätestens als dem sonst literweise Whiskey saufenden, raubeinigen, ungehaltenen Lou am Schluss die Tränen übers Gesicht liefen, wusste man als langjähriger Zuschauer, was einem nach der letzten Folge fehlen würde. Dass zum Abschied auch Marys beste Freundinnen Phyllis und Rhoda vorbeischauten, – beide Figuren hatten längst eigene Serienauskoppelungen – trug zur stimmigen letzten Verbeugung von einer der beliebtesten Sitcoms der amerikanischen Fernsehgeschichte bei.
Jan Schlüter: «Frasier»
Das Finale der Sitcom «Frasier» hat viele lose Enden zusammengeführt und seinen Zuschauern einen Abschied im klischeehaften Sinne beschert: mit einem weinenden und einem lachenden Auge. Der Titel „Goodbye, Seattle“ – übrigens eine Referenz auf Frasiers tägliche Abschiedsworte in seiner Radiosendung – verdeutlicht, wo es hingeht: raus aus der Stadt, die lange Jahre Frasiers Heimat war. Damit schließt sich ein Kreis, denn zu Beginn der Sitcom zieht er nach Seattle. Einsamkeit ist ein wiederkehrendes Motiv in der Serie, ganz besonders in diesem Finale, in dem Bruder Niles und seine Frau Daphne ein Kind bekommen und Vater Martin seine Freundin heiratet. Frasiers Einsamkeit wird verdeutlicht durch das Motiv von Martins altem Sessel: Jahrelang gehasst, ist Frasier traurig, dass das Möbelstück nun verschwindet, weil Martin mit seiner neuen Ehefrau zusammenzieht. Die Einsamkeit mündet in Rastlosigkeit und die Einsicht, dass Frasier weiterziehen, ein neues Kapitel in seinem Leben aufschlagen muss – nicht in Seattle. Er entscheidet sich nicht für San Francisco, wo ihm ein Job angeboten wird, sondern für Chicago, dort wo seine aktuelle Liebe Charlotte hinzieht. Zum vielleicht ersten Mal in seinem Leben entscheidet sich Frasier nicht für seine eigene Karriere, sondern für die: Liebe. Ein melancholischer – und bestmöglicher – Abschied für eine Sitcom, die im tiefen Herzen eben nicht primär lustig war, sondern immer melancholisch.
Daniel Sallhoff: «Frasier»
Das Ende von «Frasier» kann man als klassisches Happy-End bezeichnen. «Frasier» dürften hierzulande nicht allzu viele Zuschauer kennen, was aufgrund der meist denkbar unprominenten Sendezeiten damals im Fernsehen und dem jetzigen Fehlen auf den gängigen VoD-Plattformen auch kein Wunder ist. «Frasier» lief in den USA von 1993 bis 2004 und gilt dort als eine der erfolgreichsten Sitcoms überhaupt, das Format war ein Spin-Off der davor ebenfalls erfolgreichen Sitcom «Cheers». Insgesamt hat Kelsey Grammer mehr als zwei Jahrzehnte lang den Psychiater Dr. Frasier Crane gespielt.
In aller Kürze die Prämisse zusammengefasst: In «Frasier» wagt der snobistische Frasier einen Neuanfang in Seattle als Moderator in seiner eigenen «Domian»-ähnlichen Radiosendung, kurz zuvor hat er sich von seiner Frau scheiden lassen. In der ganzen Serie sucht Frasier immer wieder nach der Liebe seines Lebens, unzählige verkorkste und teils urkomische Dates musste er miterleben. In der elften und letzten Staffel scheint er dann endlich seine Traumfrau gefunden zu haben, wegen beruflichen Verpflichtungen muss seine Herzensdame Charlotte (Laura Linney) aber nach Chicago ziehen. Letztlich entscheidet sich Frasier für einen weiteren Neuanfang in einer anderen Stadt. In Frasiers Umfeld waren nämlich schon längst alle glücklich; man erinnere nur an das Zusammenkommen von Frasiers Bruder Niles mit Daphne, die wohl schönste Sitcom-Liebesgeschichte überhaupt. Nun aber war zum Schluss also endlich auch Frasier selbst an der Reihe dran. Es sei ihm gegönnt.
Frasiers Neustart in Chicago könnte bald sogar für ein potenzielles Revival genutzt werden, Kelsey Grammer hat zuletzt jedenfalls öfters
entsprechende Überlegungen geäußert.
Im Übrigen ist neben dem eigentlichen «Frasier»-Finale („Goodnight, Seattle“) auch die Episode davor eine ganz besondere: In „Crock Tales“ werden einzelne Kurzgeschichten rund um einen alten Tontopf erzählt, die bis zur allerersten Staffel zurückgehen. Dafür wurden die Darsteller so gestylt wie in den früheren Jahren und auch die allgemeine Ästhetik von damals wurde künstlich wiederhergestellt. «Frasier» hat zwar in den späteren Jahren durchaus an einigen Stellen nachgelassen, insgesamt aber ist diese Sitcom auf jeden Fall auch heute noch mehr als nur einen Blick wert. Schon alleine wegen Niles und Daphne, schnief.
Sidney Schering: «Scrubs – Die Anfänger»
Gehen wir ganz streng danach, welche Serie nach ihrem großen Finale auch wirklich beendet wurde, so müsste ich an dieser Stelle «Hör mal, wer da hämmert» nennen. Denn die Touchstone-Television-Sitcom von und mit Tim Allen als Heimwerkerkönig Tim Taylor zelebrierte ihren Abgesang nach acht immens quotenstarken Jahren mit einer dreiteiligen Episode, die diverse Sitcom-Tropen sehr fähig umsetzt: Tim und seine Gattin Jill stehen vor sogleich mehreren schweren Entscheidungen. Der neue Produzent von Tims Heimwerkersendung möchte das Format massiv umgestalten, so dass Tim es nicht mehr mit seinem Gewissen und seiner künstlerischen Integrität vereinbaren kann, die Sendung weiter zu moderieren. Jill wiederum bekommt ein Jobangebot – in einem anderen Bundesstaat. Ein großer Umzug steht also bevor, eine riesige Zäsur im Leben der Familie Taylor, sollten Jill und Tim ihren Instinkten folgen. Wozu sie sich letztlich auch durchringen.
Daraufhin schwelgen Tim und seine Söhne in Erinnerungen an die schöne Zeit im alten Zuhause, ehe Tim ein letztes Mal seine Sendung «Tool Time» präsentiert und mit zahlreichen früheren Stargästen die Bude rockt (und letztlich abfackelt). Nach diesem Showabschied folgt ein romantischer, privater Abschied: Als letzte Aktion im Garten des alten Taylor-Anwesens wird eine Hochzeitszeremonie für Tims Freund Al und seiner Traumfrau abgehalten und Tim hat ein letztes Gespräch mit seinem belesenen, hilfreichen Nachbarn, ehe die Taylors umziehen und endlich Jills Berufsleben über die Konditionen des Familienlebens bestimmt. Die Serienprämisse und einige der beliebtesten Running Gags werden somit unmöglich und so ist das Serienfinale nicht nur das Ende des ABC-Hits, sondern auch ein inhaltlich stimmiges Argument, weshalb diese Geschichten nicht weitererzählt werden. Und mit Stargästen, Kündigung, neuen Jobmöglichkeiten, Umzug sowie einer Hochzeit (und einer Clipshow voller Serienhöhepunkte) gewinnt «Hör mal, wer da hämmert» glatt das Sitcom-Finalbingo. Die herzlich-ehrliche Performances des Casts und die gewitzten Dialoge sorgen dafür, dass diese Konventionenansammlung (auf die zudem ein Hinter-den-Kulissen-Special folgte, das aber nicht als reguläre Episode zählt) dennoch nicht klischeehaft wirkt.
Aber eine Serie hat sich den ganzen Sitcom- und Comedyserienklischees, die Finalfolgen so mit sich bringen, noch fähiger genähert. Diese Serie hat sie nicht nur überzeugend unter einen Hut gebracht, sondern sie persifliert, sich vor ihnen verneigt und sie behände auf den Kopf gestellt – um ein paar von ihnen dann doch mit großer Emotionalität geradeheraus umzusetzen. Die Rede ist von «Scrubs – Die Anfänger», einer Serie, die, je nachdem, wen man fragt, ebenfalls mit Staffel acht geendet ist. Fragt man aber den zuletzt für das Format verantwortlichen Sender ABC, so gibt es neun Seasons, denn das, was nach dem Serienfinale folgte und die Serienschaffenden als Spin-off erachteten, musste auf Drängen des US-Networks als neunte Staffel etikettiert und vermarktet werden. Stellt man sich indes auf die Seite der Kreativen und erachtet «Scrubs: Med School» als kurzlebige Serie, statt als neunte «Scrubs – Die Anfänger»-Staffel, so ist die finale Doppelfolge der achten «Scrubs»-Runde mein Lieblingsfinale einer Comedyserie.
Sie nimmt die Masse an lebensverändernden und die Serienprämisse ausbremsenden inhaltlichen Entwicklungen des «Hör mal, wer da hämmert»-Finales (inklusive Rückverweise auf einzelne Serienhighlight), und reiht sie nicht bloß überzeugend aneinander. Serienschöpfer Bill Lawrence macht aus dem «Scrubs»-Abschied eine emotional aufgewühlte, gleichzeitig überraschend zurückhaltende Auseinandersetzung mit dem aufgekratzten, sensiblen Innenleben seines Protagonisten J.D.: Hauptdarsteller Zach Braff erhält erneut die Gelegenheit, seine «Garden State»-eske Mischung aus quirligem Humor und sanfter Traurigkeit zur Schau zu stellen, indem diese Folge J.D.s Weggang vom Krankenhaus, das sein Leben veränderte, mit Endgültigkeit behandelt, sich aber mit zu konkreten Entscheidungen zurückhält, wie es dem jungen Arzt weiter ergeht.
J.D. möchte seinen Abschied von seinem jahrelangen Arbeitsplatz, wo er zu lieben, zu hassen, Panik zu schieben und Verantwortung zu übernehmen gelernt hat, mit aller Macht zu einem denkwürdigen Tag erheben. Aber immer wieder wird ihm ein Strich durch die pathetische Rechnung gemacht. In einer berührenden Schlussmontage sehen wir schlussendlich eine finale Tagträumerei J.D.s, eine sehr plausible, dennoch spekulative Fantasie, wie sein Leben nach der Zeit im Sacred Heart verlaufen wird – wie sich Freundschaften, sein verzahntes Beziehungsleben und sein mangelndes Selbstvertrauen in Familiendingen ausspielen könnten.
Wir verabschieden uns von «Scrubs» so, wie wir es kennengelernt haben: Mit J.D. als Träumer. Aber aus dem schlackigen, nervösen Tagträumer wurde ein halbwegs sicher auf beiden Beinen stehender, mit sich selbst im Reinen befindlicher Arzt, der sich hoffnungsvoll sein Morgen ausmalt. Hach.