Ein Investor will einen abgelegenen Ort zum Touri-Paradies hochzüchten. Anders als in anderen deutschen Fernsehfilmen läuft das Dorf nicht Sturm gegen die Idee. Im Gegenteil.
Cast & Crew
Vor der Kamera:
Janina Fautz als Lisa Denker
Dennis Schigiol als Nico Hölter
Marie Anne Flegel als Eleonore Kürschner
Gustav Peter Wöhler als Bürgermeister Schulz
Nic Romm als Daniel Wollschläger
Wener Wölbern als Wolfgang Denker
Rainer Piwek als Edo
Hinter der Kamera:
Produktion: Hessischer Rundfunk und arte
Drehbuch: Benjamin Hessler
Regie: Christoph Schnee
Kamera: Diethard PrengelWenn in deutschen Fernsehfilmen enthusiastisch-überdrehte Investoren von sonst woher in die Provinz einfallen, um den Ort mit allerhand turbokapitalistischen Ideen und infamen Gewinnabsichten in eine moderne Wirtschafts-, Wellness- oder Touri-Gegend umzufunktionieren, endet das zumeist darin, dass sie von den Ureinwohnern, die in ihrer Opposition gegen die finsteren Ideen neuen Zusammenhalt und Lebensmut finden, am Ende aus dem Dorf gejagt werden und den Rest ihrer Tage nicht in der schnuckeligen Eintracht des satten Landlebens, sondern in tristen neonbeleuchteten Büroturmungetümen verbringen müssen.
Anders in «Größer als im Fernsehen»: Dort bekommt der dynamische Investor nicht einmal die Gelegenheit, seine schmierige Präsentation zu beenden, ehe der glatzköpfige Bürgermeister deutlich verkündet: „Ich will das!“
Der Haken an der Sache: Damit die Bagger für das Großprojekt anrücken können, müssen zuerst noch zwei Grundstücke in Privatbesitz veräußert werden. Eines gehört Lisa Denker (Janina Fautz), einer blutjungen Wirtin wider Willen, die vor kurzem noch in Berlin lebte und erfolglos studierte. Dann starb plötzlich ihr Vater, und aus Wehmut und Frustration über ihr Studentenleben nahm sie das hochverschuldete Gasthaus als Erbe an. Eine kolossale Fehlentscheidung, die sie schon lange bereut – und die Veräußerung für das Wellness-Gedöns wäre die ersehnte Rettung, um ohne Insolvenzverfahren aus der Nummer rauszukommen.
Das andere Grundstück gehört indessen der ältlichen Eleonore (Marie Anne Flegel). Die ist blöderweise stinkreich und hat in den letzten Jahrzehnten so ziemlich alles erlebt: die Welt gesehen, Haie auf offener See erwürgt und mit allerhand blutrünstigen Diktatoren geschlafen. Den Rest ihres Lebens will sie nun in der hessischen Peripherie auf ihrem Anwesen versauern – und weder Bürgermeister noch Lisa können sie bequatschen, es für das große Ganze aufzugeben. Es sei denn, sie bekämen Nico Hölter (Dennis Schigiol), einen abgewirtschafteten Casting-Sänger, der hauptsächlich in Möbelhäusern auftritt und auf den Eleonore aus unerklärlichen Gründen steht, dazu, ihr ein Privatkonzert in Unterwäsche zu geben.
Nun vermischt sich die Dorfkomödie mit der Dramödie eines gescheiterten Künstlers: Denn Lisa, Bürgermeister und das Dorf schaffen den Typen unter einem Vorwand und viel vorgetäuschtem Getöse in den Ort, um Eleonores Wunsch doch noch zu erfüllen.
Die Botschaft am Schluss – Es ist egal ob man Hallen füllt oder in kleinen hessischen Orten auftritt, Hauptsache, man macht das, was man liebt – gerät ähnlich kitschig wie in den meisten humoristisch angehauchten Fernsehfilmen um abgestürzte Künstler und überstilisierte Stadt-Land-Gegensätze. Dennoch gefällt, dass «Größer als im Fernsehen» sich seinen Figuren ergebnisoffener, interessierter und bisweilen auch authentischer nähert, und am Schluss nicht ein notdürftig erzwungenes dörfliches Zusammengehörigkeitsgefühl und eine penetrante Verweigerung vor der Zukunft stehen müssen. Noch dazu findet dieser Film in seiner ständigen Gegenüberstellung von Anspruch und Wirklichkeit einige clever inszenierte komische Momente, auch wenn die Übertreibungen bisweilen etwas arg weit gehen („Xanadu, Las Vegas, Disneyland, Körstel“).
Mit Janina Fautz hat man für die Hauptrolle ferner eine besonders talentierte junge Darstellerin gewonnen, die ihre Rolle nicht zur Parodie überstrapaziert und deren Gewissenskonflikte stattdessen mit sanfter Subtilität vorträgt. Dennis Schigiols technisch versierte, aber seelenlose und reingewaschene Dauerinterpretation von Leonard Cohens „Hallelujah“ macht derweil deutlich, warum aus seinem Casting-Star Nico ein Möbelhausmusikant und kein bewunderter Künstler geworden ist.
Das Erste zeigt «Größer als im Fernsehen» am Mittwoch, den 29. Mai um 20.15 Uhr.