Netflix schickt womöglich Sebastian Schippers «Victoria» in Serie
Der international umjubelte One-Take-Film «Victoria» wird eventuell zur Grundlage für eine neue Serie, wie Sebastian Schipper enthüllt. Zudem verrät er, dass im Oscar-Rennen 2015/2016 die Medien in die Irre geführt wurden …
Filmfacts «Victoria»
Regie: Sebastian Schipper
Produktion: Jan Dressler, Christiane Dressler, Sebastian Schipper
Drehbuch: Olivia Neergaard-Holm, Sebastian Schipper, Eike Frederik Schulz
Darsteller: Laia Costa, Frederick Lau, Franz Rogowski
Musik: Nils Frahm
Kamera: Sturla Brandth Grøvlen
Schnitt: Olivia Neergaard-Holm
Vier Jahre ist es mittlerweile her, seit Sebastian Schippers Thriller «Victoria» nicht nur die deutsche Kinolandschaft aufgerüttelt hat: Der in einem einzelnen Take gedrehte Film über eine junge Spanierin, die nach einer Party in Berlin eine chaotische Truppe kennenlernt und in deren Probleme hineingezogen wird, wurde global mit hervorragenden Kritiken bedacht. Zudem wurde «Victoria» früh als Favorit im Rennen um den Academy Award für den besten fremdsprachigen Film bei den 88. Oscars gehandelt, auch wenn daraus letztlich nichts wurde.
Nun bringt Schipper seinen ersten Langfilm seit «Victoria» ins Kino: Das Drama «Roads» mit Moritz Bleibtreu, Fionn Whitehead sowie Stéphane Bak in den Hauptrollen. Aber «Victoria» hat Schipper noch nicht losgelassen: Auf Basis seines internationalen Erfolgs soll eine Fernsehserie entstehen. Dies enthüllt Schipper im Interviewformat «Auf einen Drink mit Kino+» auf dem filmzentrischen YouTube-Kanal «Kino+».
Bei der «Victoria»-Serie wird es sich um ein Anthologieformat handeln: Jede einstündige Episode wird, wie der über 130 Minuten lange Originalfilm, in einem Take gedreht. Das Projekt entsteht für Netflix: "Eine große Produktionsfirma pitcht gerade «Victoria – Die Serie» für Netflix." Jede Folge werde in einer anderen Stadt spielen, zu einer anderen Tageszeit. Schipper ist nur lose in das Format involviert, so musste er beispielsweise das grüne Licht geben. Als Regisseur werde er aber nicht zurückkehren.
Darüber hinaus behauptet Schipper in «Auf einen Drink mit Kino+», dass die Öffentlichkeit im Oscar-Rennen der Jahre 2015/2016 fehlinformiert wurde: «Victoria» wurde im August 2015 zusammen mit sieben weiteren Filmen auf die alljährliche Shortlist gesetzt, aus der ein Komitee den deutschen Kandidaten für die Oscar-Fremdsprachensparte auswählt. Weitere vornominierte Filme in jenem Jahr waren Oliver Hirschbiegels NS-Drama «Elser», «Freistatt» von Marc Brummund, Til Schweigers Tragikomödie «Honig im Kopf», das NS-Drama «Im Labyrinth des Schweigens» von Giulio Ricciarelli, «Jack» von Edward Berger, «Schmidts Katze» von Marc Schlegel sowie «Wir sind jung. Wir sind stark.» von Burhan Qurbanis.
Die Sparte 'Bester fremdsprachiger Film' bei den 88. Academy Awards
Nominiert: «A War» (Dänemark)
Nominiert: «Der Schamane und die Schlange» (Kolumbien)
Nominiert: «Mustang» (Frankreich)
Nominiert: «Theeb» (Jordanien)
Gewonnen: «Son of Saul» (Ungarn)
Schon vorzeitig wurde seitens des für diese Vorauswahl zuständigen Unternehmens German Films vermittelt, man habe Sorge, dass «Victoria» disqualifiziert werden müsste, da der englischsprachige Redeanteil in diesem mehrsprachigen Film zu hoch sein könnte. Bald darauf wurde «Im Labyrinth des Schweigens» als deutsche Oscar-Hoffnung verkündet. Schippers «Victoria» derweil sei in der Zwischenzeit geprüft worden, wobei sich herausgestellt hätte, dass er den Academy-Regularien nicht entsprechen würde.
In der 'Süddeutschen Zeitung' hieß es, «Victoria» sei zu 49 Prozent in englischer Sprache, obwohl nur 40 Prozent genehmigt sind. Die 'Ersatzwahl' «Im Labyrinth des Schweigens» wurde von der Academy letztlich nicht nominiert.
Laut Schipper waren die Aussagen über einen zu hohen Englischanteil in «Victoria» jedoch Ausflüchte: «Victoria» hätte sehr wohl bei der Academy of Motion Picture Arts & Sciences als deutscher Oscar-Kandidat für die Fremdsprachen-Kategorie eingereicht werden können. Bei German Films habe man es nur nicht gewollt, wie Schipper im «Auf einen Drink mit Kino+.»-Interview suggeriert: "Das war ein bisschen uncool. Weil das nicht stimmt, dass zu viel Englisch im Film gesprochen wird." Er räumt ein: "Es war sehr knapp", dennoch habe man die Academy-Regel eingehalten. "Aber die offizielle Verlautbarung, man könnte den nicht einreichen, weil zu viel Englisch gesprochen wird: Fake News."
Wer übrigens selber nachrechnen möchte, wie viel Englisch in «Victoria» steckt, um sich so nebenher die Wartezeit bis zum Serienableger zu verkürzen, hat am Montag, dem 3. Juni 2019, ab 1.45 Uhr Gelegenheit dazu. Alternativ ist der Film aktuell in der arte-Mediathek abrufbar sowie längst auf DVD und Blu-ray erhältlich.