Charlize Theron, Seth Rogen, ein aufgewecktes Skript, tolle Chemie: Dieser Film ist ein Gagfeuerwerk.
Filmfacts «Long Shot»
- Regie: Jonathan Levine
- Produktion: Evan Goldberg, Seth Rogen, James Weaver, Beth Kono, Charlize Theron
- Drehbuch: Dan Sterling, Liz Hannah
- Darsteller: Seth Rogen, Charlize Theron, O'Shea Jackson Jr., Andy Serkis, June Diane Raphael, Bob Odenkirk, Alexander Skarsgård
- Musik: Marco Beltrami, Miles Hankins
- Kamera: Yves Bélanger
- Schnitt: Melissa Bretherton, Evan Henke
- Laufzeit: 125 Minuten
- FSK: ab 12 Jahren
Es ist schwer, aus der Filmografie des Regisseurs Jonathan Levine schlau zu werden: Auf sein Konto gehen sowohl der liebenswürdige, tragikomische «50/50 – Freunde fürs (Über)Leben» und der verstrahlt-charmante Weihnachtsspaß «Die Highligen Drei Könige», aber auch der lahme Horrorfilm «All the Boys Love Mandy Lane» und der gallig-unkomische «Mädelstrip» mit Amy Schumer und Goldie Hawn. Etwas leichter ist es da schon, einen gemeinsamen Nenner im Schaffen von Produzent und Autor Seth Rogen zu finden, der sich seit einigen Jahren darauf spezialisiert hat, Filme zu machen,
die an der Oberfläche schroff und vulgär sind, im Kern aber progressiv und warmherzig. So kommt es wohl auch nicht von ungefähr, dass Levines bessere Regiearbeiten allesamt in Zusammenarbeit mit Seth Rogen entstanden sind – so wie auch Levines bis dato stärkster Film: «Long Shot».
«Long Shot» ist dabei ein rares Biest im heutigen Kinogeschäft: Es ist keine zehn Jahre her, dass noch massig mit einem mittleren Budget ausgestattete Komödien für ein junges Erwachsenenpublikum auf die Leinwand gebracht wurden. Nunmehr sind sie eine Kuriosität im Kinostartplan, insbesondere, wenn es zugleich auch noch Romantikkomödien sind. Diese sind neuerdings wiederum zu einer Spezialität des Video-on-Demand-Anbieters Netflix geworden. Die Theorie, die im Raum steht: Eine 30-Millionen-Dollar-Produktion über zwei Menschen, die sich finden, verlangt nicht dringend nach einem Kinobesuch. Dabei ist es pure Kinomagie, mit einem Saal voller Menschen über die kleinen und großen Peinlichkeiten einer aufkeimenden Romanze zu lachen und kollektiv für dieses Paar auf der Leinwand zu schwärmen.
Und zu lachen gibt es viel in «Long Shot»: Seth Rogen spielt den idealistischen, aber auch dick auftragenden und impulsiven Journalisten Flarsky, den wir zu Filmbeginn bei der Undercoverrecherche für einen Beitrag über einen Ring Rechtsextremer sehen. Die ersten Filmminuten muten an wie ein "«BlacKkKlansman» – Seth-Rogen-Style" an und haben neben absurder Situationskomik auch zahlreiche kleine mimische und verbale Bonmots zu bieten. Damit geben Levine und die für das Drehbuch verantwortlichen Dan Sterling & Liz Hannah den Takt für den restlichen Film vor: Sie spielen unentwegt auf der gesamten Humorklaviatur, von Vulgär- und Schockhumor (ja, in diesem Film schießt Sperma raketengleich durchs Bild) über priffige Dialogwechsel bis hin zu mal subtiler, mal karikaturesker politischer Satire.
Durch Flarskys Tätigkeit öffnet sich der Film für eine Handvoll an zielgenau platzierten Stichen gegen den Stand des Journalismus, während Charlize Theron den politischen Teil mit sich bringt: Sie spielt die fähige, ambitionierte und sich selbst stets streng kontrollierende US-Außenministerin Charlotte Field, die anstrebt, bei der nächsten Wahl als US-Präsidentin zu kandidieren. Doch als Frau wird sie deutlich strenger von den Medien beleuchtet als ihre männlichen Kollegen, gleichzeitig erhält sie aufgrund flacher, mode- und kosmetikzentrischer Interviewfragen weniger Gelegenheit, sich zu beweisen.
So kommt ihr eines Abends der Gedanke, ihren früheren Mitschüler Flarsky als Redenschreiber anzuheuern. Die unvermeidliche Liebesgeschichte wird vom Film selbst hinterfragt: Ein ungepflegter, lauter Loser-Typ angelt sich eine erfolgreichere, in den Augen der Allgemeinheit deutlich hübschere Frau – braucht es diese Story noch einmal? «Long Shot» beantwortet diese Frage mit einem dynamischen: "Ja, so schon!"
Denn Sterling und Hannah schreiben die Dynamik zwischen dem wohlmeinenden, aber vom Politprozess bereits zermürbten Arbeitstier Charlotte und Rogens idealistischem, jedoch häufig übertreibenden Flarsky genauso amüsant wie glaubwürdig: Sie beide sind aufgeweckte, wortgewandte Figuren, denen man es abkauft, dass sie sich auf intellektueller Ebene verstehen und anziehen. Und der Umstand, dass wir als Zuschauerinnen und Zuschauer sehr viel gemeinsam
mit ihnen (und mit ihrem Umfeld
über die unwahrscheinliche, aber nicht unmögliche Beziehung) lachen, gibt diesem Liebespaar einige zusätzliche Charmepunkte.
Darüber hinaus begeht «Long Shot» nicht die typischen Storysünden solcher Filme, in denen oft eine Seite als die gezeichnet wird, die allein den gesunden Menschenverstand gelöffelt hat. In «Long Shot» haben beide ihre charakterlichen Makel, und während Therons Charlotte Field durch eine Vielzahl an Situationen über sich hinauswächst, muss Rogen als Flarsky vor allem einsehen, dass er kein Geburtsanrecht darauf hat, richtig zu liegen. Mit spitzer Feder, aber nie moralisierend, macht sich «Long Shot» unter anderem in solchen Passagen über Mansplaining, RomCom-Genrekonventionen, verlogene Reiche und scheinheilige Liberale lustig, ohne dabei die Romanze aus den Augen zu verlieren, die diese vulgär-liebevolle Story antreibt.
Dass Kameramann Yves Bélanger («Demolition», «Brooklyn») das Geschehen in leinwandfüllenden Bildern mit kräftigen Farben und atmosphärischen Schatten einfängt, statt sich mit dem üblichen RomCom-Glanz abzugeben, verstärkt die Argumentation, dass es sich lohnt, «Long Shot» im Kino zu sehen, statt zu warten, bis er auf einem Streamingportal aufploppt. Vor allem aber, und das kann man nicht genug betonen, ist es das Gagfeuerwerk, das durch die tolle Chemie zwischen Theron und Rogen ausgelöst wird: Nahezu jede Szene hat mindestens einen Lacher und mehrere Schmunzler zu bieten. Und liebenswert ist das Ganze auch noch.
«Long Shot» ist ab dem 20. Juni 2019 in vielen deutschen Kinos zu sehen.