Ein korrupter FBI-Agent und ein intergerer Staatsanwalt räumen in den frühen 90er Jahren das von Kriminalität zerfressene Boston auf. Der erste Eindruck des Showtime-Neustarts: so rau wie «The Wire».
Cast & Crew
Produktion: Pearl Street Films, The Levinson/Fontana Company und Little Mountain Films
Schöpfer: Chuck MacLean
Darsteller: Kevin Bacon, Aldis Hodge, Jonathan Tucker, Mark O'Brien, Lauren E. Banks, Amanda Clayton, Jere Shea u.v.m.
Executive Producer: Chuck MacLean, Tom Fontana, Ben Affleck, Matt Damon, Jennifer Todd, James Mangold, Barry Levinson und Michael CuestaMan ist sofort mittendrin: In den frühen 90er Jahren ist Boston – wie damals allzu viele amerikanische Großstädte – ein von Kriminalität zerfressener Moloch. Blöderweise sind viele der Cops so korrupt wie die Kriminellen mordlustig: Der dienstalte FBI-Agent Jackie Rohr (Kevin Bacon) kokst sich durch die Stadt, knallt zwanzig Jahre jüngere Asiatinnen (sehr zur Verärgerung deren Mütter), bewahrt seine Informanten auch mithilfe lächelnd vorgetragener Erpressungsmonologe vor dem Knast und ist dabei doch ein liebender Familienvater.
Der neue Staatsanwalt Ward (Aldis Hodge) stammt derweil aus Brooklyn, kennt die Vorschriften in- und auswendig, ist hochgebildet, hat in seiner vorherigen Tätigkeit als Bundesbeamter Polizisten hinter Gitter gebracht und ist noch dazu schwarz: Das bringt ihm in der von roher weißer Männlichkeit geprägten Bostoner Polizeiwelt den Ruf des Quoten-Typen ein – und natürlich fliegt der Außenseiter mit seinem ersten Fall gehörig auf die Fresse. Nach einer Sinnkrise –
“I like what my job should be!“ – steht dem Beginn einer wunderbaren Freundschaft mit Jackie Rohr nichts mehr im Wege. Ward hat zwar noch keine Kinder, aber dass seine Frau den wesentlich besser bezahlten Job hat, tut weder seiner Zuneigung noch seiner Männlichkeit einen Abbruch. Treusorgender, liebevoller Ehemann – check.
Während bei versaubeutelten Razzien in erschreckender Regelmäßigkeit Polizisten angeschossen werden und sich FBI-Agent und Staatsanwalt daran machen, die Stadt ein bisschen sauberer zu bekommen, geht ein Coup einer Räuberbande schief: Die vierköpfige Meute wollte einen Geldtransporter überfallen, aber die schlecht bezahlte Besatzung wehrt sich. Beim anschließenden Handgemenge fällt blöderweise einem der Kriminellen die Maske vom Gesicht. Der Kopf der Bande macht kurzen Prozess und erschießt alle Geiseln. Im Privaten hat er unterdessen mit einem drogensüchtigen Bruder, einem Berufsleben in der Sackgasse und der Verantwortung für Frau und drei Kinder zu kämpfen. Denn abends, nachdem er vor Todesangst weinenden Männern das Hirn weggepustet hat, ist er der liebevollste Familienvater, den man sich vorstellen kann.
Diese enorme Diskrepanz aus brachialer Brutalität und rührender Sanftheit trägt «City on a Hill» in seinem Piloten vor wie ein Leierkasten. Um nicht zur oberflächlichen Harte-Schale-weicher-Kern-Dramaturgie zu degenerieren, setzt dies eine äußerst filigrane Figurenführung, ein tiefes Verständnis der Milieustrukturen und eine besondere psychologische Nähe zu den Charakteren voraus. Von der ersten Minute an punktet die Serie dabei durch die Bank.
«City on a Hill» ist rau, kantig, kernig, echt, authentisch, völlig unverfälscht und dabei dramaturgisch doch perfekt zugespitzt. Schlägereien wie in Scorseses «Hexenkessel» gehören in Schwerkriminellenkreisen im Bosten der frühen 90er so dazu wie Kokain schnupfende Cops und integere Staatsanwälte, die all das abstellen wollen, sich aber erst an das „System“ akklimatisieren müssen. Nicht unähnlich wie in David Simons Meisterwerk «The Wire» legt auch diese Serie – wenn auch ohne die letzte intellektuelle und künstlerische Konsequenz – schon früh den Grundstein zum diffizilen Crime-Panoptikum.
Dazu passt, dass es oft die Momente der objektiv „kleineren“ Gewalttaten sind, die besonders erschrecken: Als die Tochter des Geldtransporträubers blutüberströmt in Mutters Friseursalon auftaucht und erzählt, ein Klassenkamerad habe ihr mit voller Absicht einen Hockey-Schläger durchs Gesicht gezogen, instruiert die das in Kind in behütendem Tonfall:
“You cry and then you get even.“ – prägnanter lässt sich nicht erklären, warum sich in der prekären Unterschicht das Gesetz der Straße oft nahtlos von Generation zu Generation in eklatantester Selbstverständlichkeit fortpflanzt.
Gleichzeitig entkräftet das Format einen Vorwurf, der gegenüber vielen ambitionierten amerikanischen
High-Quality-Serien abseits der Networks gerne vorgetragen wird: Sie kommen nur langsam zu Potte. Auch bei «City on a Hill» ist erst am Ende des Piloten der eigentliche Plot etabliert, mit dem sich die Serie wohl den Großteil ihrer Laufzeit beschäftigen wird. Doch nicht nur, dass alle Konfliktstränge des Piloten unaufhaltsam auf diesen Fokuspunkt zulaufen – Creator Chuck MacLean gelingt es ebenso die ganze Laufzeit über, allein mit der Etablierung der Figuren, der Milieus und der Ereignisse, die da noch kommen werden, eine enorme Spannung aufzubauen. Dass im Hintergrund mit Tom Fontana («Oz») ein Pionier der kernigen unverfälschten Milieuserien und mit Matt Damon ein filmisch ambitioniertes Bostoner Urgestein stehen, war bereits Grund genug gewesen, diesem Format einen gehörigen Vertrauensvorschuss zu gewähren. Es hat geliefert.