«Ein Becken voller Männer» - Aus der Lebenskrise geschwommen

«Ein Becken voller Männer» ist nicht der erste Film, der basierend auf einer wahren Geschichte das Schicksal eines Synchronschwimmteams wider Willen erzählt. Aber der erste, der richtig gut ist. mehr dazu verraten wir in unserer Kritik.

«Ein Becken voller Männer»

  • Start: 27. Juni 2019
  • Genre: Tragikomödie
  • Laufzeit: 122 Min.
  • FSK: 6
  • Kamera: Laurent Tangy
  • Musik: Jon Brion
  • Buch: Ahmed Hamidi, Julien Lambroschini, Gilles Lellouche
  • Regie: Gilles Lellouche,
  • Darsteller: Benoît Poelvoorde, Guillaume Canet, Jean-Hugues Anglad, Leïla Bekhti, Mathieu Amalric, Virginie Efira
  • OT: Le grand bain (FR/BEL 2018)
«White House Down» und «Olympus Has Fallen», «Freunde mit gewissen Vorzügen» und «Freundschaft plus», «Tierisch wild» und «Madagaskar» – die Liste von filmischen Stiefzwillingen – also zwei völlig unabhängig voneinander entstehenden Filmen, die ein und dasselbe Thema aufgreifen – ist vielleicht nicht gerade endlos, aber doch lang genug, um festzustellen, dass es sie immer wieder mal gibt. Die Geschichte rund um ein männliches Synchronschwimmteam zum Beispiel. Innerhalb weniger Jahre sind neben einer Dokumentation drei Spielfilme zu dem Thema erschienen. Und es hat lange gebraucht, bis mit der französischen Variante «Ein Becken voller Männer» endlich ein richtig guter entstanden ist. Vor allem der britische Beitrag «Swimming with Men» hätte einem die Geschichte durchaus vergraulen können, denn Regisseur Oliver Parker hatte sich im vergangenen Jahr vorwiegend darauf gestürzt, dass es einfach verdammt lustig ist, wenn Männer plötzlich in Badehose und Schwimmhaube versuchen, grazile Bewegungen unter Wasser zu machen und damit dann auch direkt bei einer Weltmeisterschaft landen.

Natürlich kann man den komischen Aspekt an dieser Prämisse nicht leugnen. Auch Regisseur Gilles Lellouche («Die wunderbare Welt des Gustave Klopp») lässt sie schließlich nicht völlig unter den Tisch fallen. Aber im Gegensatz zu seinen Kollegen nimmt er seine Figuren vor allem als tragische Charaktere wahr. Und das wird der Geschichte dann schon deutlich gerechter.

Männer im Frauensport


Eine Gruppe Männer im besten Alter und jeder davon mitten in einer handfesten Lebenskrise: Was liegt da näher, als kurzerhand das erste männliche Synchronschwimmteam ihrer lokalen Badeanstalt zu gründen? Mit Badehose und Schwimmhaube wollen sie es mit der eigenen Midlife-Crisis und der internationalen Konkurrenz im Wasserballett aufnehmen. Der Skepsis und dem Spott ihrer Mitmenschen zum Trotz, und gedrillt von zwei ebenfalls ein wenig vom Weg abgekommenen Trainerinnen, begeben sich die wassersportliebenden „Schönschwimmer“ auf ein unwahrscheinliches Abenteuer, an dessen Ende sie über sich hinauswachsen müssen.

In seinem Produktionsland Frankreich war «Ein Becken voller Männer» ein voller Erfolg, der mit Platz eines der Kinocharts belohnt wurde. Das wird hierzulande vermutlich anders sein, weil zum einen der Hype um französische Wohlfühlfilme abgeebbt ist und zum anderen die Grundidee des Films nicht für die Masse taugt. Dabei ist die Idee hinter dem Film eigentlich sehr wohl mainstreamtauglich, denn letztlich haben wir es bei «Ein Becken voller Männer» mit einer klassischen Aufstiegsgeschichte zu tun; von dem Autorenteam rund um Gilles Lellouche himself garniert mit Thematiken wie Sucht, Selbstfindung und Midlife-Crisis. Im Mittelpunkt der Geschichte steht lange Zeit der Familienvater Bertrand (Mathieu Amalric) – er ist sozusagen das französische Pendant zu Eric aus «Swimming with Men». Doch anders als dieser ist Bertrand kein unangenehmer Kotzbrocken, der sich absichtlich in Selbstmitleid suhlt, um von seinem Umfeld Aufmerksamkeit zu erhaschen. Stattdessen wirkt sein völliges Desinteresse an seiner Familie zunächst sogar komisch, eh sich aus der Lethargie heraus langsam das Gespür für seine fortgeschrittene Depression heraus entwickelt.

Das macht Bertrand vielleicht nicht zur bequemsten Person, an deren Seite wir die Geschehnisse der kommenden zwei Stunden erleben möchten, wohl aber zu einer, durch die Lellouche der Geschichte eine ungeheure Aufrichtigkeit abgewinnt. Wenn dem gebürtigen aus Savigny-sur-Orge stammenden Filmemacher etwas am Herzen liegt, dann sind es die Figuren. Und so konfrontiert er nicht nur diese, sondern auch das Publikum sukzessive mit Höhenflügen und Tiefschlägen.

Stilsicher zwischen Humor und Tragik


Wenngleich sich diese natürlich vor allem auf das Training beziehen, weshalb der Ausgang von «Ein Becken voller Männer» nur bedingt überraschend sein dürfte, ist es zugleich viel spannender, wie die Autoren die privaten Schicksale ihrer Protagonisten in die Geschichte integrieren. Das ist mal wirklich niederschmetternd, wenn Bertrand, Laurent (Guillaume Canet), Marcus (Benôit Poelvoorde), Simon (Jean-Hugues Anglade), Avanish (Balasingham Thamilchelvan) und Basile (Alban Ivanov) einander von ihren Depressionen, Schicksalsschlägen oder anderweitigen Lebensbaustellen erzählen und dabei mitunter sehr ins Detail gehen. Auf der anderen Seite hält das Skript für die Figuren genug Eigenheiten und Spleens parat, anhand derer sich Gilles Lellouche auch komödiantisch an ihnen abarbeiten kann. Dabei verzichtet er auf allzu groben Slapstick, geschweige denn darauf, sich aktiv über das Verhalten seiner Hauptfiguren lustig zu machen; das übernehmen teilweise eher die am Beckenrand stehenden Trainerinnen Delphine (Virginie Efira) und Amanda (Leila Bekhti), die dabei jedoch weniger die Vorführung ihrer Schützlinge im Kopf haben, als die unterschwellige Animation zu noch höheren Leistungen.

Das bedeutet allerdings nicht, dass sich die Macher mit der Tonalität des Films immer einen Gefallen tun. Es kann durchaus irritierend wirken, wie rasch hier auf die niederschmetternde Alkoholbeichte zur grobmotorisch-tollpatschigen Schwimmeinheit gewechselt wird, sodass Lachen und Weinen hier teilweise so nah beieinander liegen, dass sich weder das Eine, noch das Andere so richtig entfalten kann.

Am besten funktioniert «Ein Becken voller Männer» aber ohnehin, wenn man den ganzen Film als eine einzige emotionale Gratwanderung betrachtet. Genau dann funktioniert er am besten, da sich so sowohl die bisweilen schon sehr konstruierte Komik (Stichwort: Kaufhausdiebstahl), aber vor allem die gefühligen Momente besonders entfalten können. Getragen wird «Ein Becken voller Männer» dementsprechend von Ausnahmeakteuren, die ihre Figuren bis ins kleinste Detail verinnerlicht haben. Neben Guillaume Canet («Jappeloup - Eine Legende») und Mathieu Amalric («Van Gogh – An der Schwelle zur Ewigkeit») begeistern vor allem die beiden Damen im Hauptcast. Virginie Efira («Victoria – Männer und andere Missgeschicke») verleiht ihrer Figur eine Doppelbödigkeit, die ihresgleichen sucht und Leila Bekhti («Das zweite Leben des Monsieur Alain») verkörpert ihre Amanda als resolute Kämpfernatur, die genau weiß, worauf es ankommt – und die ihr gutes Herz deshalb wann immer es geht für sich behält.

So erweist sich «Ein Becken voller Männer» als herausragendes Ensemblestück, das sich genau so ernst nimmt, wie es die Figuren bedürfen und das trotzdem genau so viel Augenzwinkern zulässt, dass man als Zuschauer jederzeit schmunzeln darf – denn natürlich ist es letztlich doch ein amüsanter Anblick, wenn sich hier ein paar völlig untrainierte Männer in Synchronschwimmen versuchen. Umso berauschender ist letztlich das Finale – ein Finale, das jeder auf der Leinwand verdient.

Fazit


Obwohl «Ein Becken voller Männer» bereits der dritte Film ist, der diese Thematik aufgreift, ist er auch gleichzeitig der beste von ihnen. Die französische Tragikomödie stellt die ungelenken Wasserperformer nicht einfach nur zur Schau, sondern kleidet die unkonventionelle Prämisse in ein emotionales Selbstfindungsdrama, das zum Lachen und zum Weinen animiert.

«Ein Becken voller Männer» ist ab dem 27. Juni in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.
25.06.2019 10:00 Uhr  •  Antje Wessels Kurz-URL: qmde.de/110245