Der zunächst als Klamauk beworbenen Science-Fiction-Serie von und mit Seth MacFarlane gelingt in ihrem zweiten Jahr fast schon Erstaunliches: Sie wird lustiger, noch besser und ganz nebenbei auch noch erwachsen.
Fans von Genreserien aus dem weiten Feld der Science-Fiction richten schon seit gut einem Jahr ihren Blick auf eine Serie, die in den Ankündigungen zunächst wie reiner Klamauk klang, dann wie eine etwas zu schräge Hommage wirkte und sich schließlich als Liebeserklärung an die goldenen 90er-Jahre und Serien wie «Star Trek: The Next Generation» oder «Stargate» entpuppte. Mit der zweiten Staffel erreicht diese rasante Entwicklung vom Entlein zum Schwan einen vorzeitigen Höhepunkt.
WTF?
«The Orville» hatte es wahrlich nicht leicht. FOX bewarb die Serie als reine Gag-Show, was angesichts der Mitwirkung von Seth MacFarlane («Family Guy») auch niemanden verwunderte.
Was viele Fans im ersten Jahr jedoch wirklich irritierte, war der inkonsistente Umgang mit eben diesem Humor. Nie schien man sich seitens der Autoren auf eine Dosis einigen zu können. Mal stand er weit und laut im Vordergrund, dann wurde er wieder zurückgeschraubt. Hier und da blitzten sogar interessante Dialoge auf und philosophische Fragen wurden im Vorbeigehen erörtert, doch konnte man nach dem nächsten Schenkelklopfer konsequent seine Uhr stellen.
Das Team um Seth MacFarlane schien zu Beginn genauso wenig wie die Verantwortlichen bei FOX zu wissen, was sie mit der Serie genau vorhatten. Wollte man nun eine ernsthafte SF-Serie mit ein wenig Spaß sein oder eine reine Gag-Show im vertrauten SF-Setting? Denkt man an den Film «Galaxy Quest», der gerne als Vorbild zitiert wird, weiß man, in welche Richtung es sich viele Zuschauer gewünscht hätten. Doch «The Orville» tänzelte konsequent um diese Vorlage herum. Über die Frage nach dem richtigen Weg, die sich durch einen Großteil der ersten Staffel zog, gingen vermutlich weltweit einige Fans verloren. Der Tanz auf der Rasierklinge und zwischen den Extremen war fraglos dazu angetan, potenziell Interessierte zu verschrecken. Nicht Fisch, nicht Fleisch?
Nochmal anders?
Doch war bereits ab Mitte der Auftaktstaffel etwas zu spüren gewesen, das sich auch im zweiten Jahr eindeutig fortsetzte: Das Gag-Level wurde nun konstant zurückgefahren, die Sprüche dosierter eingesetzt. Situationskomik musste nicht mehr an jeder Ecke erzwungen werden, sondern wurde zugelassen, wenn sie passte.
Auch gelang es den Machern, die Figuren besser auszuarbeiten und eine Chemie zu erzeugen, die Spaß bereitete. Wir begannen, mit Ed, Kelly, Gordon, Isaac, John, Alara, Claire und ihren Jungs sowie mit Bortus und seiner kleinen Familie mitzufiebern. Ein sympathischer, funktionierender Cast gilt vielen Serienfans als halbe Miete und auch hier trug das positive Gefühl untereinander eine Menge zur Außenwirkung bei. Die Serie veränderte sich.
Dabei konnte man allerdings immer noch feststellen, dass es den Drehbüchern an eigenen Ideen fehlte, oft bekannte Versatzstücke recht humorlos neu kombiniert wurden, und, dass man zudem die guten Ansätze nur selten zu Ende dachte. Die Serie wirkte in ihrer Zitierfreudigkeit immer noch wie eine Retro-Show für Gestrige, die sich an der Ästhetik der Enterprise-D nicht satt sehen konnten und Zeitgeisteinflüsse in SF-Serien für überflüssig halten.
Aufgrund der sinkenden Quoten in den USA durfte man also zumindest ein wenig Angst um die Serie haben. Doch FOX verlängerte das Projekt ihres Lieblings MacFarlane um eine zweite Staffel.
Brust raus!
Was wie ein schlechter Kalauer der Serie klingt, wurde in Wirklichkeit Motto der Macher hinter den Kulissen. Dabei ging es freilich weniger um den Vorbau der weiblichen Besatzung, denn vielmehr um den Mut der Autoren und Produzenten, ihre Vision nun knallhart durchzuziehen.
Wo man im ersten Jahr noch unentschlossen zwischen verschiedenen Stilen hin- und hergeschwankt war, kam die Serie plötzlich wie aus einem Guss daher. Besonders auffällig war das zum Start der zweiten Staffel, weil Amazon Prime hierzulande zunächst die aus der ersten Runde übriggebliebene Episode rund um Bortus´ Pornosucht online stellte, die für sich genommen zwar auf eine verrückte Art und Weise irre komisch war, in vielerlei Hinsicht aber auch jenseits von Gut und Böse daherkam.
Erst danach ergänzte man beim Streamingriesen den eigentlichen Staffelauftakt, der zwar vom reinen Setup (Bortus muss zu seinem jährlichen Pinkeln nach Hause geflogen werden) erneut etwas albern wirkte, dafür aber ansonsten eine reine Wohlfühlhandlung anbot, bei der wir alle Figuren in ihren jeweiligen Lebenssituationen abholen durften. «The Orville» traute sich, eine Soap im All zu sein, die die Befindlichkeiten ihrer Helden ernster nimmt als potenzielle Bedrohungsszenarien, die in der modernen Science-Fiction inzwischen leider mehr und mehr in den Fokus rücken und sich abnutzen.
Es soll an dieser Stelle selbstverständlich noch nicht zu viel verraten werden, da uns zwölf Abenteuer noch ins Haus stehen. Nur so viel: Die Staffel geht den eingeschlagenen Weg in jeder Hinsicht weiter, fokussiert sich auf die Figuren und das Setting und überrascht schließlich sogar mit einem Gamechanger, den vermutlich kaum jemand erwartet hätte.
Seth MacFarlane und sein Team haben sich eine Menge getraut und lange sah es so aus, als würden sie damit Schiffbruch erleiden. FOX wartete lange und verlängerte das Projekte dann doch noch für ein drittes Jahr. Angesichts der Qualität der zweiten Staffel ist das vielleicht die beste Nachricht im Bereich der Science-Fiction im TV. Und wer hätte das zu Beginn der Serie für möglich gehalten? Schade nur, dass ProSieben dieses wunderbare Stück Wohlfühlfernsehen im Nachtprogramm versendet.
«The Orville» läuft aktuell immer Montags um 23.10 Uhr auf ProSieben. Danach steht die jeweilige Episode auch in der Mediathek bereit. Amazon Prime bietet die Staffel zudem Woche für Woche gegen Gebühr an.