«Stranger Things» Staffel 3: Here They Go Again

Es ist wieder 80er-Zeit bei Netflix. Staffel 3 von «Stranger Things» baut gekonnt auf bisherigen Entwicklungen auf, ist aber noch eigenständiger als die früheren Folgen.

Cast & Crew «Stranger Things» S3

  • Idee: The Duffer Brothers
  • Darsteller: Winona Ryder, David Harbour, Finn Wolfhard, Millie Bobby Brown, Gaten Matarazzo, Caleb McLaughlin, Natalia Dyer u.a.
  • Regie (E1/2): The Duffer Brothers
  • Ausf. Produzenten: The Duffer Brothers, Shawn Levy, Dan Cohen u.a.
  • Produktion: 21 Laps Entertainment, Monkey Massacre für Netflix
  • Folgen: 8 (je ca. 50-60 Min.)
Wie viel Originalität steckt in «Stranger Things»? Diese Frage beschäftigt Kritiker seit dem Start dieser Serie, die eine popkulturelle Referenz an die andere reiht. Gerade Staffel 2 fühlte sich mit vielen Szenen teilweise an wie ein Werbevideo von Stephen King, Steven Spielberg und James Cameron gemeinsam. Ein sehr schönes und sehr spaßiges Werbevideo, aber eines mit wenig eigenem Charakter.

Staffel drei der erfolgreichen Netflix-Serie fühlt sich mehr nach Idee an. Deswegen nämlich, weil der langsam aufgebaute Cast der vorherigen Staffeln nun voll zur Geltung kommt. Erinnern wir uns an die letzte Szene von Staffel 2, den Schulball 1984: Die Jungs und Mädchen tanzen miteinander, erste Annäherungsversuche werden gemacht, es gibt einen ersten Kuss zwischen Mike und Eleven. Jetzt in Staffel 3 befinden wir uns im darauffolgenden Sommer, und aus der ehemaligen Ghostbusters-Jungscrew sind junge Männer mit Freundinnen geworden, auch wenn immer mal wieder miteinander Schluss gemacht wird. Die Geschichten um Max und Lucas sowie Mike und Eleven sind klassische Coming-of-Age-Stoffe, die «Stranger Things» in dieser Phase und den Charakteren selbst guttun. 80er-Referenzen sind hier glücklicherweise sparsam gesät – Liebe ist schließlich zeitlos.

Dass nicht jedem diese Veränderungen gefallen dürften, haben die Duffer Brothers einkalkuliert. Die Furcht vor Veränderungen ist ein zentrales Thema dieser neuen Episoden. Der in den früheren Staffeln genügend malträtierte Will denkt mit Wehmut an die früheren Zeiten zurück, in denen alles einfacher war – und mancher Zuschauer in diesen Rückblenden wahrscheinlich mit ihm. Nicht nur die Beziehungen und Charaktere verändern sich in Staffel 3 stark, auch das Schicksal der Stadt Hawkins, die von einer neuen bösen Macht bedroht wird. Eine Mall, ein neues Einkaufszentrum also, wird zu einem zentralen Schauplatz.

«Stranger Things» bei Netflix: Genügend Popcorn dabei?


Und so manche zentrale Figur wird diesmal selbst von der bösen Macht, die diesmal in Hawkins ihr Unwesen treibt, für ihre niederen Zwecke eingespannt. Auch dies sind neue Entwicklungen, die die bisher sehr klare Gut/Böse-Thematik zumindest ein wenig verwischen. Umgekehrt wird ein Thema zentral, das in der Vergangenheit bereits angedeutet wurde: das des kalten Krieges bzw. der USA gegen Russland. Wieder geht es um undurchsichtige Organisationen und um Macht – diesmal hinsichtlich der Frage, wie man einen Zugang zum Upside Down herstellt.

«Stranger Things» präsentiert sich in dieser Staffel somit zunehmend ambivalent: Coming of Age, Romantic Comedy und Horror sind die Zutaten, die diesmal eine etwas andere Mischung ergeben als in den früheren Jahren. Die Regisseure bedienen sich dabei natürlich erneut 80er-Referenzen, die diesmal allerdings nicht so penetrant und offensichtlich verbaut wurden, darunter von «Dawn of the Dead», «The Terminator» oder vom Mall-Film «Fast Times at Rigdemont High». Die Balance zwischen ruhigen und actionreichen Szenen gelingt erneut gut, gleichzeitig kommt der Horror-Part nur sehr langsam zum Tragen. Zuschauer müssen sich bis in die zweite Hälfte der Staffel gedulden, bis es mit einem neuen Bösewicht zur Sache geht.

Auch im Jahr 2019 bleibt «Stranger Things» eine der besten und liebevollsten Serien unserer TV-Ära. Der Cast besticht weiterhin durch eine wunderbare Chemie und wird auch in Staffel 3 noch einmal mit einer weiteren weiblichen Rolle aufgewertet. Erfrischend ist, wie Eleven als Charakter mittlerweile Teil der normalen Teenie-Crew und nicht mehr die anders-außenstehende Figur ist, die nie zu den anderen dazuzugehören scheint. Über alle Zweifel erhaben ist der audiovisuelle Genuss, in den wir als Zuschauer entführt werden – und der sich erneut anfühlt, als würden wir einen sehr sehr unterhaltsamen achtstündigen Kinofilm schauen. Genügend Popcorn dabei?
08.07.2019 10:20 Uhr  •  Jan Schlüter Kurz-URL: qmde.de/110569