31 Jahre nachdem Chucky, die Mörderpuppe für Angst und Schrecken sorgte, sorgt ausgerechnet «Polaroid»-Regisseur Lars Klevberg mit «Child's Play» für ein zeitgemäßes Remake, das mit frischen Ideen und einer starken Optik bemerkenswert viel Charme hat.
Filmfacts: «Child's Play»
- Start: 18. Juli 2019
- Genre: Horror/Komödie
- Laufzeit: 90 Min.
- FSK: 16
- Kamera: Brendan Uegama
- Musik: Bear McCreary
- Buch: Tyler Burton Smith
- Regie: Lars Klevberg
- Darsteller: Aubrey Plaza, Mark Hamill, Brian Tyree Henry, Gabriel Bateman, Tim Matheson
- OT: Child's Play (FR/CAN/USA 2019)
Nicht nur der vor allem durch seine Trickfilme bekannte Milliardenkonzern Disney setzt aktuell bevorzugt auf Neuauflagen seiner größten Klassiker. Auch im Horrorgenre wird seit jeher munter geremaked. Das geht nicht immer gut. Insbesondere zu Beginn des neuen Jahrtausends war es en vogue, die Terrorklassiker der Siebzigerjahre in glattgebügelte Splatterfilme zu verwandeln. Auf der Strecke blieb dabei in der Regel die Intention, die Atmosphäre und auch sonst alles, was die Filme damaliger Dekade so sehenswert machte. Nur wenige Horror-Neuinterpretationen stießen auch bei Liebhabern des Genres auf Anklang. Der Neustart der «Chucky»-Reihe dagegen dürfte sich allerdings schon bald zu den geachteteren Remakes zählen – und das, wo doch mit Lars Klevberg ein Regisseur verantwortlich zeichnete, der mit „Polaroid“ erst kürzlich eine beispiellos enttäuschende Graupe vorgelegt hat. Doch offenbar hat der gebürtige Norweger all sein Können in die Inszenierung von «Child’s Play» investiert.
Die 90-minütige Horrorkomödie besitzt nämlich nicht bloß einen ganz neuen Ansatz für das Grauen in Puppengestalt und rechtfertigt die Existenz des Remakes clever. Es ist obendrein auch wirklich ordentlich inszeniert, wenngleich der hysterische Schlussakt im Vergleich zu der Stunde zuvor den Eindruck schmälert.
Ein neuer Freund für Andy
Die alleinerziehende Mutter Karen (Aubrey Plaza) schenkt ihrem Sohn Andy (Gabriel Bateman) ahnungslos eine Puppe. Das Besondere an ihr: Die sich später Chucky taufende „Buddi Doll“ beinhaltet eine Künstliche Intelligenz – und ausgerechnet die ihre Sicherheitsvorkehrungen wurden kurz vor der Auslieferung von einem Mitarbeiter entfernt. Chucky kann also nicht nur ständig neue Wörter lernen und das Smart Home seiner neuen Familie bedienen, er taucht auch ganz tief in die Psyche von Andy und seiner Mutter ein. Durch genaue Beobachtungen und Nachahmen unternimmt Chucky alles, um seinem „besten Freund“ zu gefallen. Und schreckt auch nicht vor Mord zurück, als er feststellt, dass Andy unter dem neuen Freund seiner Mutter ganz schön zu leiden hat. Als Andy allerdings mitbekommt, dass es sich bei der Puppe um kein gewöhnliches Spielzeug handelt, ist es bereits zu spät: Mit einem Messer bewaffnet geht Chucky auf Schlitzer-Tour. Zuvor hatte er sich noch „Texas Chainsaw Massacre“ angesehen…
Es ist natürlich immer Geschmackssache, ob man von einem Remake Vorlagentreue oder einen völlig neuen Ansatz erwartet. Das beweist die aktuelle Diskussion um Disneys «Der König der Löwen» nur zu gut. «Child’s Play»-Drehbuchautor Tyler Burton Smith («Kung Fury 2»), der in der bislang siebenteiligen «Chucky»-Historie der aller erste ist, der den Schöpfer der Reihe, Don Mancini, beerbt (und dafür Unverständnis vom selbigen und seiner großen Fanbase erntete), wählt hier einen eigenen Grund, um die Bösartigkeit der kultigen Chucky-Puppe zu erklären. Diesmal ist es nicht der Geist eines blutrünstigen Serienkillers, der aus dem harmlosen Spielzeug einen eiskalten Schlitzer macht, sondern ein aus dem Ruder geratenes Computersystem. Damit ordnet Smith seine Geschichte nicht nur auf der Höhe der Zeit ein und bringt quasi im Vorbeigehen Kritik über eine technikfixierte Gesellschaft in «Child’s Play» unter, er eröffnet seiner Chucky-Version auch ganz neue Möglichkeiten, einen eigenen Charakter zu entwickeln.
Zu Beginn lernen wird die Buddi Doll nämlich tatsächlich noch als hochinteressante KI kennen, in der der Außenseiter Andy nach einigen Startschwierigkeiten einen neuen besten Freund findet. So wächst einen der Chucky von 2019 sogar fast ein wenig ans Herz, eh wir realisieren, was der kniehohe Geselle tatsächlich ausheckt.
Eine neue Vorgeschichte für Chucky
Woran Regisseur Lars Klevberg dagegen festhält, ist die zwischen Horror und Komödie angesetzte Tonalität der alten «Chucky»-Filme – auch sein «Child’s Play» funktioniert in den atmosphärischen Gruselmomenten ähnlich gut wie in den Comedyszenen, die zum Großteil aus der Selbstverständlichkeit resultieren, mit der Chucky hier nach und nach die Herrschaft über Andys Familie übernimmt. Das beginnt schon bei der Namensgebung, wenn das Skript überhaupt keine Erklärung mehr dafür aufwendet, weshalb Chucky fortan Chucky heißt – die Puppe gibt sich diesen Namen einfach selbst. Des Weiteren entwickeln Szenen, in denen die Mörderpuppe mit seinem neuen Freund brutale Horrorfilme guckt, sich durch Beobachtungen nach und nach eigene Feindbilder kreiert und schließlich mit größtem Vergnügen die (zumeist äußerst blutig inszenierten) Morde begeht auch heute noch ihren Witz aus dem irren Kontrast zwischen der harmlosen Puppengestalt und den brutalen Folgen, die ihre Handlungen nach sich ziehen. Auch im Jahr 2019 hat diese Grundidee nichts an Charme eingebüßt.
Lediglich Chuckys Optik könnte Mörderpuppenpuristen irritieren – die „Buddi Doll“ sieht eben aus wie ein Spielzeug aus der Jetztzeit und musste den heute antiquiert wirkenden Look des Original-Chuckys einbüßen. Eine Entscheidung, die sich gerade im Anbetracht dessen, dass «Child’s Play» inhaltlich absolut nichts mit der bisherigen Reihe zu tun hat, verschmerzen lassen sollte.
Leider hält sich Lars Klevberg im letzten Drittel dann wiederum zu sklavisch an das ungeschriebene Gesetz, dass Horrorfilme im Finale einfach nur so richtig aufdrehen müssen, um die Spannung nochmal ordentlich in die Höhe zu treiben. In diesem Fall geschieht die Eskalation in einem Supermarkt, in dem es die Menschen gleich mit einer ganzen Armada an böse gewordenen Spielzeugen zu tun bekommen. Da wird geschlitzt was das Zeug hält, doch die zuvor noch so behutsam aufgebaute und nur sehr vereinzelt um clever platzierte Jump Scares ergänzte Stimmung, geschweige denn das Wechselspiel aus morbider Komödie und knallhartem Horrorfilm kommt hier überhaupt nicht mehr durch. Was bleibt, ist ein einziges großes Getümmel, das Kameramann Brendan Uegama («Chilling Adventures of Sabrina») nicht mal besonders ansprechend in Szene setzt. Auch die unterschwellige Konsum- und Technologiekritik ist an dieser Stelle längst untergegangen.
Und die Beziehung zwischen Andy und seiner Mutter, für deren leidenschaftliche Verkörperung Aubrey Plaza («Mike and Dave Need Wedding Dates») leider nicht so viel Raum erhält, rückt bei der ganzen Puppenaction irgendwann in den Hintergrund. Das ist im Vergleich zur ersten Stunde wirklich schade, in der «Child’s Play» noch eine absolut würdige Neuauflage der «Chucky»-Filme abgibt, für die die Macher sogar «Star Wars»-Legende Mark Hamill gewinnen konnten. Dieser leiht der Puppe in der Originalfassung seine diabolische Stimme und steht seinem Vorgänger Brad Dourif dabei in Nichts nach.
Fazit
Nach einem stimmungsvollen Auftakt mit der genau richtigen Mischung aus Gruselhorror und morbider Comedy sackt «Child’s Play» im Finale mächtig ab, gibt dabei aber immer noch eine sehr solide Neuauflage des Klassikers «Chucky – Die Mörderpuppe» ab.
«Child’s Play» ist ab dem 18. Juli in den deutschen Kinos zu sehen.