Amazon-Serie «The Boys»: Superhelden sind doch böse

Mit großer Macht kommt große Verantwortung – so die Ideologie von Spider-Man. Was aber passiert, wenn Superhelden diese Verantwortung missbrauchen? Dies zeigt die neue Amazon-Serie «The Boys» schonungslos und brutal.

Cast & Crew «The Boys»

  • basiert auf dem Comic von Garth Ennis und Darick Robertson
  • Idee der TV-Umsetzung: Eric Kripke
  • Darsteller: Karl Urban, Jack Quaid, Antony Starr, Erin Moriarty, Dominique McElligott, Jessie T. Usher, Laz Alonso, Chace Crawford u.a.
  • Regie (Pilot): Dan Trachtenberg
  • Ausf. Produzenten: Eric Kripke, Seth Rogen, Evan Goldberg
  • Produktion: Sony, Amazon Studios u.a. für Amazon
  • Folgen: 8 in S1 (je ca. 60 Min.)
Was heißt es, ein Superheld zu sein? Die Welt zu retten? Ein Vorbild zu sein? Sicher. Aber in «The Boys» sind die Superhelden zuallererst globale Marken, Prominente und Stars. Ihre Gesichter prangern auf Ketchupflaschen und Cornflakes, sie sitzen in Late-Night-Talkshows und haben ihre eigenen Filme und Themenparks. Die Verbrecher schnappen sie so nebenbei, möglichst social-media-konform aufbereitet. Sie sind angestellt bei Vought International, einer millardenschweren Organisation, die das Leben von über 200 Superhelden managt. Letztlich geht es um Geld, um steigende Kurse und zufriedene Aktionäre. Die Superhelden sind zur Börsenware geworden.

Als Autor Garth Ennis den Comic «The Boys» Mitte der 2000er schrieb, konnte er kaum ahnen, wie nahe er mit seiner Vision an die Realität kommen würde. Zwar sind in unserer Welt Superhelden nicht real, aber sie dominieren die Popkultur. Der neue «Avengers»]-Film wurde kürzlich zum erfolgreichsten Film aller Zeiten, die Marvel-Figuren werden überall vermarktet, derzeit entstehen Themenparks auf der ganzen Welt. Ein Ende des Booms ist nicht in Sicht. «The Boys» wirft ein anderes Licht auf die vermeintlich perfekten Übermenschen: Sie sind korrupt, pervers, egoistisch.

Amazons «The Boys»: Eine großartige Satire auf den Superhelden-Boom


Die Story beginnt mit Hughie, einem normalen Verkäufer in einem Computergeschäft. Er geht mit seiner Freundin auf der Straße entlang, die beiden küssen sich und schmieden Zukunftspläne. Plötzlich rast etwas in Lichtgeschwindigkeit an ihnen vorbei. Hughie realisiert erst nach Sekunden, was passiert ist: Der Superheld A-Train raste aus Versehen durch seine Freundin hindurch. Sie wird in Stücke zerfetzt. Ein ganz normaler Kollateralschaden? Hughie schwört Rache, doch gegen Superhelden ist er machtlos.

Bis er von einem zwielichtigen Agenten namens Billie Butcher aufgesucht wird, der die entfesselten Superhelden unter Kontrolle bringen will. Er zeigt Hughie die dunklen Abgründe der vermeintlichen Idole. Sie gehen ihren perversen sexuellen Fantasien nach, missbrauchen ihre Macht für egoistische Zwecke, spinnen Intrigen gegeneinander. Hughie lernt auch, dass A-Train der Unfall mit seiner Freundin alles andere als leidtut. Um Rache zu nehmen, schließt er sich Billies eigener Vereinigung von Antihelden an: den Boys. Ganz normalen Menschen, die die Schnauze voll haben von korrupten Superhelden.

Um es kurz zu machen: «The Boys» ist eine großartige Satire auf den aktuellen Superhelden-Boom. Es ist eine brutale, blutige Serie, die kein Blatt vor den Mund nimmt. Sie schafft es, Sympathie und relatability für bestimmte Figuren sowie Antipathie für andere Figuren zu erzeugen. Trotz des riesigen Casts versteht es «The Boys», eine einfach nachvollziehbare Handlung und Figurenzeichnung zu betreiben. Die Charaktere sind dennoch komplex und tiefgründig gestaltet, allen voran Billie Butcher, der großartig gespielt wird von Karl Urban. Dazu kommt eine große Portion Gesellschaftskritik, sei es über Themen wie den ungezügelten Kapitalismus, die Selbstvermarktung oder die MeToo-Bewegung.

«The Boys» ist eine kompromisslos zynische Serie. Sie wird auch Serienfans gefallen, die sonst keinen Spaß an Superhelden-Formaten haben.
01.08.2019 17:01 Uhr  •  Jan Schlüter Kurz-URL: qmde.de/111149