Das starbesetzte und einst als Mini-Serie gestartete «Big Little Lies» verlor seine Strahlkraft in Staffel zwei. Doch ohne die neuen Folgen hätten TV-Fans eine großartige Leistung Meryl Streeps verpasst.
Facts zu «Big Little Lies»
- Genre: Drama / Mystery / Schwarze Komödie
- Schöpfer: David E. Kelley
- Vorlage: "Big Little Lies" von Liane Moriarty
- Regie: Jean-Marc Vallée (Staffel 1) / Andrea Arnold (Staffel 2)
- Darsteller: Reese Witherspoon, Nicole Kidman, Shailene Woodley, Zoë Kravitz, Laura Dern, Meryl Streep u.v.w.
- Titellief: "Cold Little Heart" von Michael Kiwanuka
- Episodenzahl: 14 Episoden (2 Staffeln)
- Episodenlaufzeit: 45-58 Minuten
- Weltpremiere: 19. Februar 2017
«Big Little Lies» kennzeichnete noch vor seiner Premiere am 19. Februar 2017 eine Serie, die Aufmerksamkeit erregte und wie kaum ein anderes Format die Stellung verdeutlichte, die Fernsehserien mittlerweile erreicht haben. Mit Reese Witherspoon, Nicole Kidman, Shailene Woodley, Laura Dern oder Alexander Skarsgard zählten absolute Hollywood-A-Lister zum Cast der Serie, die HBO als Miniserie ankündigte. In einer Staffel mit sieben Episoden sollte es um fünf Frauen einer sehr wohlhabenden Gemeinde in Monterey, Kalifornien gehen, die in die Ermittlungen um einen Mordfall verwickelt werden. Dass sich der Status einer Miniserie bei entsprechendem Erfolg sehr schnell ändern kann, zeigte sich im Nachgang des herausragend besprochenen Thriller-Dramas, denn nach acht Emmys und vier Golden Globes gab HBO plötzlich die Verlängerung der Serie bekannt.
Die erzwungene Verlängerung einer Prestige-Serie
Skeptiker werden in dieser Entscheidung einmal mehr Gier gewittert haben. Zwar war das Format aus Quotensicht live kein herausragender Erfolg, doch sie brachte HBO viel Prestige in einer Zeit, in der im Grunde nur «Game of Thrones» als echte Hit-Show beim Premium-Kanal firmierte, der in der Serienwelt eine so schillernde Vergangenheit hat. Fans von «Big Little Lies» waren sich der großen Herausforderung sicher, die aus einer spontanen Fortsetzung resultierte. I
In verschiedenen Zeitebenen erzählte Staffel eins noch von Ermittlungen in einem vermeintlichen Mordfall, dessen Opfer und Täter erst in der allerletzten Folge der ersten Staffel aufgedeckt wurden. Dazwischen hantierte die HBO-Serie geschickt mit Rückblenden, mehrdeutigen Polizei-Verhören und der eigentlichen Geschichte um ein Mord-Mysterium, um das sich Staffel eins erschöpfend drehte. Die Staffel endete mit einer großartigen Wendung: Die fünfköpfige Gruppe aus befreundeten Frauen, um die sich die Serie dreht, vertuschte den Mord an einem gewalttätigen Ehemann und Vergewaltiger. Dieser hatte gerade seine Ehefrau misshandelt und wurde in der Hitze des Gefechts von einer Freundin eine Treppe hinuntergeschubst. Sein Fall war tödlich.
So startete die Serie als Hochglanz-Seifenoper und entwickelte sich bald zum Krimi. Das Herzstück dieser Serie war aber schon in Staffel eins die Darstellerriege, die Spitzenleistungen ablieferte. Als viele Beobachter dachten, es ginge kaum besser, belehrte «Big Little Lies» diese eines Besseren, denn für die neuen Folgen wurde die drei Mal Oscar-prämierte Meryl Streep verpflichtet – die für viele beste Schauspielerin aller Zeiten. Dass die Serie sie als Gegenspielerin der verschworenen Frauengruppe installierte, die in der Staffel zuvor den von Alexander Skarsgard gespielten Sohn Streeps umbrachte, sollte sich als geschickter Schachzug herausstellen, denn in ihrer facettenreichen Rolle der Mutter, die die Dämonen ihres Sohnes nicht wahrhaben und ihrer Schwiegertochter ihre Enkel entreißen will, durfte Streep ihr ganzes schauspielerisches Können zur Schau stellen.
Streep als großer Lichtblick der zweiten Staffel
Experten sehen in Streep schon jetzt eine sichere Emmy-Gewinnerin. Doch selbst Streep konnte letztlich nicht eine Staffel retten, die trotz schauspielerischer Brillanz auf unweigerlich auf einen Qualitätsverfall zusteuerte. Das hatte mit dem emotionalen Ton der Serie zu tun, der sich nach der Enthüllung um die verzweifelten Hausfrauen deutlich wandelte und die Beziehung zwischen den Zuschauern und den Frauenfiguren stark veränderte. Die Charaktere verloren große Teile ihres Unterhaltungsfaktors, wirkten regelrecht arrogant und blind gegenüber der Tatsache, dass sie nicht für immer von der Wahrheit weglaufen konnten. Mit zahlreichen Rückblenden, die das Trauma der Frauenfiguren verdeutlichen sollten, wirkte «Big Little Lies» häufig gestreckt. Das führte zum Paradoxon, dass die Streep-Figur Mary Louise trotz ihrer Doppelzüngigkeit tatsächlich zu einem Charakter wurde, der dem ikonischen Ensemble um Witherspoon, Kravitz, Dern, Kidman und Woodley die Show stahl und viele Sympathien um sich versammelte.
Ihre Figur war hervorragend geschrieben und gespielt. Sie kennzeichnete einerseits eine alte Dame, deren Bildung, Intelligenz und Beobachtungsgabe nicht von der Hand zu weisen waren, die ihren Mitmenschen – insbesondere denen, die das Monster kannten, das ihr Sohn war – aber auch stets passiv-aggressiv begegnete und sich zum Ziel setzte, jedes noch so kleine, dreckige Geheimnis in Monterey zu lüften. Die lauernde Gefahr, die sie für die Frauengruppe rasch darstellte, schöpfte sich aus ihrer Undurchschaubarkeit einer wütenden, trauernden Mutter hinter dem Deckmantel einer gesitteten Rentnerin. Manchmal musste man sich die Frage stellen, ob man nicht lieber «Big Little Lies» als Mini-Serie gesehen hätte, in der Streeps Mary Louise als Hauptfigur das Mordkomplott um ihren Sohn aufzudecken versucht.
«Big Little Lies» macht drei Schritte zurück
Die einzigen wirklich nennenswerten Enthüllungen bezogen sich letztlich auf die Vergangenheit von Mary Louise, die ihr Vorgehen im Gerichtsstreit gegen ihre Schwiegertochter und den Kampf für das Sorgerecht ihrer Enkelkinder psychologisch nachvollziehbarer machte. Es wirkte deshalb, als habe Staffel zwei seine Ressourcen nicht in die Weiterentwicklung eigentlich auserzählter Figuren gesteckt, sondern in die Ausarbeitung einer völlig neuen, was im Rückblick bezeichnend für die fehlgeleitete Verlängerung der gefeierten Mini-Serie wirkt. Nachdem sich «Big Little Lies» in Staffel eins noch als Serie herausstellte, die mehr Ebenen hatte als zunächst antizipiert, schrumpften die Ambitionen des Formats in Staffel zwei massiv.
Die sehr positiven Kritiken, die auch Staffel zwei vorab erhielt, sind mit Vorsicht zu genießen, denn Kritikern wurden nur die ersten drei Episoden vorgelegt, die tatsächlich noch einen vielversprechenden Eindruck machten, sich dann aber in vielen Nebenkriegsschauplätzen seiner Figuren verloren – etwa in Themen wie Existenzverlust, romantischen Beziehungen nach sexuellen Traumata oder Eheproblemen. Jeder Versuch, die zweite Staffel größer zu machen als den Sorgerechtsstreit zwischen Celeste (Kidman) und Mary Louise (Streep) verpuffte letztlich. So funktioniert die zweite Staffel von «Big Little Lies» zumindest als herausragende Charakterstudie der meisterhaften Schauspielerin Meryl Streep – mit viel Leerlauf dazwischen. Der Trost für viele Zuschauer liegt darin, in Staffel zwei zumindest weiterhin großartige Schauspieler gesehen zu haben, die Großartiges leisteten. Auf einer Pressetour brachte HBO kürzlich eine dritte Staffel ins Spiel. Sie würde einer einst großartigen Serie wohl noch mehr Schaden zufügen als ohnehin schon.