Regisseur, Drehbuchautor, Schauspieler, Produzent und Synchronsprecher: Quotenmeter.de sprach mit Multitalent Michael Bully Herbig über seine neusten Projekte, den Ruf aus Hollywood und sein Image im Ausland.
Michael Bully Herbigs größte Hits in Deutschland
- «Der Schuh des Manitu»: 11,7 Mio. Ticketverkäufe
- «(T)Raumschiff Surprise»: 9,2 Mio. Ticketverkäufe
- «Wickie und die starken Männer»: 4,9 Mio. Ticketverkäufe
- «Lissi und der wilde Kaiser»: 2,3 Mio. Ticketverkäufe
- «Bullyparade – Der Film»: 1,9 Mio. Ticketverkäufe
Es ist durchaus untypisch, dass ein Star, der nicht aus dem Synchronfach stammt, seine Rolle so häufig wiederholt wie Sie. Weshalb kehren Sie immer wieder zu «Toy Story» zurück?
Mein erstes Disney-Synchronangebot bekam ich vor etwa 19 Jahren für «Ein Königreich für ein Lama», und damals gab es ja nur alle paar Jahre mal einen neuen Disney-Animationsfilm. Daher war es für mich wie ein Ritterschlag, dass ich gefragt wurde. Als der Anruf kam, dachte ich nur: "Wow, Jackpot!" Nicht wegen der Kohle, sondern weil es einfach etwas ganz Besonderes war! Und daran hat sich bis heute nicht viel geändert, bin noch immer offen für weitere Anfragen.
Bei «Toy Story» musste ich buchstäblich zweimal hinschauen: Als ich den ersten gesehen habe, wusste ich zunächst gar nicht, was ich davon halten soll. Ich bin mit den klassischen Disney-Trickfilmen groß geworden, die so charmant gezeichnet waren. Und «Toy Story» sah als erster computeranimierter Film im direkten Vergleich so ungewohnt clean aus, als fehlte den Figuren die Seele – aber die Geschichte hat das wieder ausgeglichen! Hinzu kam die tolle Sprecherleistung – in Deutschland vom wunderbaren Peer Augustinski, der Woody auch im zweiten Teil gesprochen hat.
Seitdem hat sich die Computeranimation enorm weiterentwickelt, mittlerweile sieht alles so unglaublich realistisch aus. Als dann ausgerechnet ich für «Toy Story 3» angefragt wurde, den Woody von Peer Augustinski zu übernehmen, der leider nicht mehr zur Verfügung stand, war das derart schmeichelhaft, dass ich einfach annehmen musste. Ich weiß, dass ich nicht wie Augustinski klinge, und dass das den ein oder anderen älteren Fan eventuell enttäuschen könnte, aber es sind auch ein paar neue Fans hinzugekommen, die mit mir als Woody aufgewachsen sind, und für die das offenbar auch ganz gut passt. Von daher kehre ich sehr gerne zu Woody zurück, wenn ich gefragt werde. Ist für mich daher, auf neudeutsch gesagt, ein No Brainer.
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Ich hatte bei keinem Film so viele schlaflose Nächte wie bei «Lissi».
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Michael Bully Herbig
Hat vielleicht auch Ihre Erfahrung mit «Lissi und der wilde Kaiser» Ihre Sicht auf Computeranimation beeinflusst?
Auf jeden Fall. So einen Film zu machen, macht einen echt nervös: Du siehst erst nach zwei Jahren die fertigen Szenen! Beim Realfilm drehst du, guckst dir die Muster an, schon hast du eine Vorstellung, wie es nachher im Kino aussehen wird, musst nur in der Postproduktion alles feinjustieren. Bei Animation dagegen werden erst die Storyboards gezeichnet, dann kommt die Pre-Viz, dann dauert es ewig, bis etwa die Haare und das Wasser fertig animiert sind. Ich hatte bei keinem Film so viele schlaflose Nächte wie bei «Lissi».
Disney lässt sich ja immer Proben der Synchrostimmen in die USA schicken, um sie abzusegnen. Wie gehen Sie mit Synchros Ihrer Filme um?
Lustig, dass Sie fragen: Wir haben heute Stimmproben reingekriegt für die englische Synchronfassung von «Ballon». Ich kann nur nicht drauf reagieren, weil ich gerade im Interview-Marathon sitze, was mir natürlich eh viel lieber ist … (grinst verspielt) Die Proben muss ich mir noch anhören. Das ist eine neue und spannende Situation für mich. Natürlich vertrau ich dem Verleiher vor Ort, dass er die richtigen Stimmen findet. Aber ich find's toll, einen Einblick in das Casting zu bekommen.
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Mit meinem Gesicht – ich hab´ da gar keine Ambitionen, im ernsten Fach zu spielen. Ich befürchte, das würden mir die Leute nicht abkaufen.
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Michael Bully Herbig
Würde Sie eigentlich auch die Synchronisation eines Realfilms reizen?
Nein, mein Interesse an einer Realfilmsynchro ist überschaubar. Die Synchro für einen Animationsfilm ist dagegen etwas anderes. Nicht einfacher oder schwerer, einfach anders – auf eine Art, die mir mehr legt. Ich mache das nur ab und zu, wenn ich das Gefühl habe, ich pass auf eine Figur.
Aber so suche ich ja auch meine Filmrollen aus. Wenn man ehrlich ist: Mit meinem Gesicht – ich hab´ da gar keine Ambitionen, im ernsten Fach zu spielen. Ich befürchte, das würden mir die Leute nicht abkaufen, (lacht) als Serienkiller würde ich wahrscheinlich scheitern. Ich spiele demnächst mal wieder den Tod in «Der Boandlkramer und die ewige Liebe». Ein Film in der Tradition von «Der Brandner Kaspar und das ewige Leben». Solche Projekte nehme ich liebend gern mit. Aber als Regisseur interessieren mich eben auch andere Genres.
War «Ballon» dann insofern ein Befreiungsschlag?
Ach, Befreiungsschlag klingt so ambitioniert. Aber ich bin schon froh, dass ich den Genrewechsel "überlebt" habe, dass der Film so gut ankam, und auch in so viele Länder verkauft wurde. Kürzlich hatte er seinen Kinostart in Frankreich, als nächstes ist Großbritannien dran, danach Australien. «Ballon» ist auch kurz davor, einen US-Verleih zu bekommen. Es freut mich auch sehr, erstmals zu Festivals eingeladen zu werden. Ich hatte neulich zwei Interviewtage in Paris, das war auch eine ganz neue Erfahrung. Die wenigstens kannten mich dort (lacht). Daran könnte ich mich gewöhnen, muss ich sagen. Die Journalisten sprechen mit dir einfach nur über den Film und seinen Inhalt, sie haben kein Vorurteil von dir als Person, kein vorgefertigtes Bild von dir als Filmemacher, keine Erwartung, wie du dich zu geben hast. Da gab es dann sehr schmeichelhafte Situationen, die ich so hierzulande nicht hatte.
In Paris etwa hat jeder Zweite «Ballon» mit Hitchcock verglichen – da läuft man schon ein wenig rot an und wird innerlich ein Stückchen größer. (lächelt ungläubig) Ich habe die ganze Zeit gehofft, dass niemand fragt: "Und, was machen sie sonst so?" (lacht)
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Ich war vorab ein wenig nervös bei «Ballon», hatte mich innerlich auch auf eventuelle Verrisse vorbereitet – und umso erleichterter war ich, als das Gegenteil eintraf. Ich liebe es einfach, Filme zu drehen, und ich schau für mein Leben gern andere Genres. Thriller, «Der weiße Hai», Hitchcock … Wegen sowas wollte ich immer Filme machen.
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Michael Bully Herbig
Jedenfalls: Ich war vorab ein wenig nervös bei «Ballon», hatte mich innerlich auch auf eventuelle Verrisse vorbereitet – und umso erleichterter war ich, als das Gegenteil eintraf. Ich liebe es einfach, Filme zu drehen, und ich schau für mein Leben gern andere Genres. Thriller, «Der weiße Hai», Hitchcock … Wegen sowas wollte ich immer Filme machen. Und die Komödie war für mich hilfreich, Genre zu machen. Du kannst in Deutschland ja nicht einfach sagen: Ich drehe jetzt Western oder Sci-Fi. Aber du kannst sagen: Ich drehe jetzt eine Komödie. Die kriegst du finanziert – und dann machst du halt einen „lustigen“ Western, einen „witzigen“ Sci-Fi-Film. Und mit «Ballon» habe ich dann halt erstmals die "Tarnung" der Komödie weggelassen.
War es die positive Reaktion auf «Ballon», die Sie ermutigt hat, Ihr neues Projekt anzupacken?
Das hatte nichts miteinander zu tun, das war nicht so geplant. Das geht bei mir alles sehr intuitiv: Ich habe eine Doku über eine Soldatin gesehen, die Opfer eines sexuellen Übergriffs bei der Bundeswehr wurde. Das hat mich enorm berührt und beschäftigt. Ich wollte, dass dieses Thema stärker in den Fokus rückt, dass es größere Wellen schlägt, und ich wollte meinen Beitrag dazu leisten. Ich denke, dass ist der richtige Weg: Es ist eine Grundvoraussetzung, dass du die Filme machst, die irgendwas
mit dir machen. Sei es, dass sie dich zum lachen bringen oder dass sie tagelang an dir nagen. Dieser Stoff hat mich einfach wütend gemacht und dieser Ärger wurde immer größer, je länger ich mich damit auseinandergesetzt habe. Diese mangelnde Gerechtigkeit, dieser unwürdige Kampf gegen die Mühlen der Justiz. Es ist teilweise auch erschreckend, wie die Gesellschaft mit diesem Thema umgeht.
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Mein Gefühl ist – und das soll nicht zynisch klingen: Du bringst mehr Menschen dazu, sich mit diesem Thema zu befassen, wenn du einen "Unterhaltungsfilm" darüber machst. Also zum Beispiel ein spannendes Thriller-Drama.
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Michael Bully Herbig
Mein Gefühl ist – und das soll nicht zynisch klingen: Du bringst mehr Menschen dazu, sich mit diesem Thema zu befassen, wenn du einen "Unterhaltungsfilm" darüber machst. Also zum Beispiel ein spannendes Thriller-Drama. «Ballon» hat es durch seine vielen Schulvorführungen auch geschafft, dass viele Teenager erstmals mit ihrer Familie über das geteilte Deutschland gesprochen haben. Und ich hoffe, dass der nächste Film auch etwas bewegen kann.
Wie ist der aktuelle Entwicklungsstand des Films?
Mir war von vornherein klar, dass eine Frau das Drehbuch schreiben sollte. Also habe ich Feo Aladag angesprochen. Diese Konstellation ist extrem spannend – wir kannten uns nicht persönlich, nur über unsere bisherigen Arbeiten. Wir haben uns sehr rasch nach meiner Anfrage getroffen, ich habe ihr erzählt, weshalb ich den Film machen will, und wir verstanden uns sofort. Danach haben wir Wochen damit verbracht, um uns gegenseitig zu sagen, was wir
nicht wollen. (schmunzelt leicht) Für Feo ist das auch ein ungewohnter Prozess: Sie ist selber Filmemacherin, sie produziert, schreibt, inszeniert. Und jetzt schreibt sie ein Drehbuch, dass sie jemand Anderem anvertrauen soll – an diesen Gedanken musste sie sich erst gewöhnen. Aber wir sind uns einig geworden, was mich sehr freut, weil ich unbedingt ihren Einfluss in diesem Film haben wollte.
Der Film basiert zwar auf wahren Begebenheiten, wird aber kein Biopic. Wir werden dabei auch von der TV-Journalistin Nicole Rosenbach unterstützt, die über dieses Thema bereits die erwähnte Dokumentation gemacht hat.
Ereilt Sie eigentlich der Lockruf aus Hollywood?
Es gibt immer so vorsichtige Anfragen, in der Art wie: "Na, wie sieht es aus, was machst du?" Die meisten Anfragen dieser Art kamen aber nach «Der Schuh des Manitu». Die US-Studios gucken halt aufs Einspielergebnis und sagen sich: "Oha, ein deutscher Film mit so einem Boxoffice?! Rufen wir den Typen mal an." Ist ja durchaus schmeichelhaft. Aber meist bekommst du Drehbücher vorgelegt, die sie halt gerade in der Schublade haben. Wollte bisher keiner machen, geben wir's halt dem Herbig, mal gucken, was passiert!
Ich bin da vorsichtig geworden – nicht alle deutschen Regisseure haben in Hollywood gute Erfahrungen gemacht. Ein Vorbild war Bernd Eichinger: International denken und von Deutschland aus produzieren. Das kann ich mir vorstellen! Da kann man die Kontrolle behalten. Das reizt mich mehr.
Allerdings gab es vor 14 Jahren mal einen Anruf, der hat mich schon schwer beeindruckt. Er kam von der Skywalker Ranch.(strahlt) Ich wurde gefragt, ob ich mir die Studios und das Gelände ansehen möchte, und habe begeistert zugesagt. Daraufhin kam die Antwort: „George is very excited!” Ich hab' gefragt: „Welcher George? Ich kenne dort niemanden!" Es hat eine Weile gedauert, bis ich begriffen habe, dass ich George Lucas treffen soll! Ich wurde also in sein Büro geführt, und da musste ich mich echt anstrengen, dass der Fanboy in mir nicht explodiert. Der Mann ist einer der Gründe, weshalb ich heute Filme mache. Und nun sitze ich da in seinem Büro und unterhalte mich mit ihm! Allein! Von Filmemacher zu Filmemacher!
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Meine Hollywood-Erfahrung kam ja dann noch. Die paar Drehtage in Los Angeles für «Der unglaubliche Burt Wonderstone» haben großen Spaß gemacht. Hat mir aber auch gezeigt, dass dort auch nicht anders gearbeitet wird, als hier.
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Michael Bully Herbig
Wobei, stimmt nicht ganz: Ich habe erstmal zehn Minuten lang zugehört. Ich dachte nur: "Langsam muss ich mal was sagen, sonst hält der mich für bekloppt!". Dann aber entstand ein wirklich schönes Gespräch. Lucas war es egal, dass ich Komödien mache. Der dachte sich nur: "Der hat Erfolg, der macht irgendwas richtig, also nehme ich ihn ernst". Ich glaube aber, er hatte «(T)Raumschiff Surprise» gar nicht gesehen. (lacht) Könnte durchaus sein, dass ich damals eine Chance verpasst habe. Ich hätte ihm ja auch von der ein oder anderen Idee erzählen können, kam mir aber nicht in den Sinn.
Meine Hollywood-Erfahrung kam ja dann noch. Die paar Drehtage in Los Angeles für «Der unglaubliche Burt Wonderstone» haben großen Spaß gemacht. Hat mir aber auch gezeigt, dass dort auch nicht anders gearbeitet wird, als hier. Hätte mich beim Dreh jemand gefragt, ob ich für den Regisseur einspringen kann, hätte ich gesagt: "Jo, klar."
Vielen Dank für das Gespräch.
«A Toy Story – Alles hört auf kein Kommando» ist ab dem 15. August 2019 in vielen deutschen Kinos zu sehen.