Wachstum bei VoD-Diensten flacht ab: Ist der Streaming-Markt gesättigt?

Die Zeiten, in denen die Nutzung der non-linearen Dienste große Sprünge nach oben macht, scheinen einer neuen Studie zufolge vorbei zu sein: Bei jungen Menschen ist VoD nämlich längst in der breiten Masse angekommen. Was bedeutet das für die VoD-Dienste und welche Bedeutung wird den linearen Sendern noch beigemessen?

An neuen Streaming-Diensten wird es in Zukunft wahrlich nicht mangeln: Mit Disney+, Apple TV+, HBO Max und einem noch namenlosen Video-On-Demand-Angebot von Comcast (Sky und NBC Universal) mischen schon sehr bald neue große Wettbewerber im VoD-Markt mit, der Kampf um Abonnenten wird sich zweifelsohne verschärfen. Da lässt eine neue Studie der Wirtschaftsberater von Deloitte aufhorchen: Die besagt nämlich, dass sich VoD längst etabliert habe. Insbesondere bei Menschen unter 35 Jahren sei es weitgehend Mainstream geworden, Bewegtbildinhalte auf Abruf zu sehen.

Der Haken daran: Dadurch, dass sich VoD in den jungen Altersgruppen bereits so sehr durchgesetzt hat, wird es für die Anbieter zukünftig wohl schwieriger werden, neue Nutzer anzulocken. Laut der Studie nähert sich VoD nämlich der Sättigungsgrenze: Demnach schauen 60 Prozent der Deutschen inzwischen non-linear, gegenüber 2017 war das ein Anstieg um nur fünf Prozentpunkte – trotz neuer Angebote wie DAZN, dem Eurosport Player, dem runderneuerten TV Now und dem erst kürzlich gelaunchten 7TV-Nachfolger Joyn wohlgemerkt. In den Jahren davor fiel das Wachstum noch viel größer aus: So lag die Wachstumsrate zwischen 2015 und 2017 bei 21 Prozent, also im deutlich zweistelligen Bereich.

Vor diesem Hintergrund erscheint es nur allzu logisch, dass sich vermutlich nicht jeder Anbieter wird halten können: „Der VoD-Markt wird voraussichtlich kein Markt mit ganz vielen Anbietern, sondern es werden sich mit der Zeit wenige, relevante und erfolgreiche Anbieter herausschälen“, wagt Klaus Böhm, Leiter des Bereichs Media & Entertainment bei Deloitte, im Gespräch mit Quotenmeter.de einen Blick in die Zukunft. Ein einzelner Anbieter werde es schwerer haben, sich zu positionieren – der Druck, miteinander zu kooperieren, steige. Eine Allianz dieser Art ist Joyn: Für Joyn haben sich ProSiebenSat.1 und Discovery zusammengetan, perspektivisch sind auch weitere Plattform-Partner nicht ausgeschlossen. ProSiebenSat.1-Vorstandschef Max Conze hat schließlich einiges vor und möchte mit Joyn nichts weniger als einen „deutschen Champion“ schaffen.

Anteil VoD-Nutzer nach Altersgruppen

  • 14-18 J.: 83 %
  • 19-24 J.: 89 %
  • 25-34 J.: 87 %
  • 35-44 J.: 74 %
  • 45-54 J.: 59 %
  • 55-64 J.: 42 %
  • 65+ J.: 25 %
Quelle: Media Consumer Survey 2019: Lineare Lebenszeichen. Befragt wurden rund 2.000 deutsche Konsumenten zwischen 14 und 75 Jahren.
Bei den Jüngeren flacht das Wachstum der VoD-Nutzung also ab, Wachstumspotenzial sieht man bei Deloitte daher vor allem bei älteren Zielgruppen. Bei Menschen zwischen 45 und 54 Jahren liegt die Zahl der VoD-Nutzer schließlich bei knapp unter 60 Prozent. 42 Prozent der 55- bis 64-Jährigen gaben an, VoD in Anspruch zu nehmen und bei den Über-65-Jährigen sind es sogar nur 25 Prozent. Hier fehle es zurzeit noch an entsprechenden Angeboten und dazugehörigem Marketing.

Auch über das lineare Fernsehen trifft die Studie erwähnenswerte Aussagen: So werden Video-Abrufinhalte bereits von 29 Prozent der Konsumenten unter 35 Jahren häufiger als das klassische TV-Programm genutzt. Zuschauer jenseits von 55 Jahren sind dem traditionellen Fernsehen dagegen treuer. Man kann sich ausmalen, dass die TV-Sender ihr treues Ü55-Publikum irgendwann zwangsläufig verlieren werden. Dass VoD das oft schon totgeschriebene lineare Fernsehen komplett verdrängen wird, ist dennoch erstmal nicht zu befürchten. Non-linear sei eben nicht alles: „Die Differenzierung in den Nutzungsgewohnheiten schreitet aber weiter voran. Es geht dann nicht mehr nur um einen Massenmarkt, sondern um ganz unterschiedliche Zielgruppen bzw. auch um ganz unterschiedliche Nutzungssituationen und Nutzungsmuster für bestimmte Formate“, sagt Klaus Böhm von Deloitte.

Die Zeit der programmlichen Ratschläge ist schon fast ein wenig vorbei, da haben die lokalen und regionalen Anbieter durchaus die Zeichen der Zeit gesehen. Es ist derzeit viel positive Energie im deutschen Markt zu spüren. Die Anbieter konzentrieren sich verstärkt auf ihre starken Programmmarken und auch auf die Entwicklung neuer starker nationaler Programmarken.
Klaus Böhm, Leiter des Bereichs Media & Entertainment bei Deloitte, im Gespräch mit Quotenmeter.de
Der Deloitte-Studie zufolge gebe es beim Video-Konsum kein „Entweder-oder“ für den Zuschauer, VoD und lineares TV werden also offenbar überwiegend komplementär genutzt. Letztlich würden die Nutzer von einem immer breiteren Bewegtbild-Angebot profitieren und sich gezielt daraus ihre Inhalte herauspicken – ob linear oder nicht-linear spiele dabei keine Rolle. Man erkennt aber durchaus Nutzungspräferenzen: Während Serien und Filme der Studie nach bevorzugt gestreamt werden, würden Sport-Übertragungen, aktuelle Nachrichten und Live-Events weiterhin am liebsten über das traditionelle TV verfolgt.

Da passt der kürzliche Erfolg von ProSiebens «The Masked Singer» ja gut ins Bild: Die Masken-Show lief live und hatte etwas völlig Neues zu bieten, sie stach heraus und wurde dafür belohnt. Das Finale verzeichnete beinahe 30 Prozent Marktanteil, hat über drei Millionen Zuschauer unterhalten – und das im sonst eher zuschauerarmen Sommer. Event-Formate wie «Promi Big Brother», «Denn sie wissen nicht, was passiert» und «Das Sommerhaus der Stars» sind weitere Beispiele der jüngeren Vergangenheit, dass das sogenannte TV-Lagerfeuer bei den richtigen Zutaten noch lange nicht erloschen ist und gut neben VoD existieren kann.
11.08.2019 13:15 Uhr  •  Daniel Sallhoff Kurz-URL: qmde.de/111373