Für Sportbegeisterte war es die Medienmeldung des bisherigen Jahres: DAZN übernimmt das Bundesligarechtepaket von Eurosport! Wir haben uns das Auftaktspiel der neuen Saison angeschaut und finden: Hier passt schon eine Menge zusammen.
Die Bundesliga bei DAZN
- Der Streamingdienst DAZN existiert seit 2016 in Deutschland
- DAZN überträgt in der Saison 2019/20 erstmals ausgewählte Bundesligapartien (30 Freitagsspiele sowie 5 Sonntags- und 5 Montagsbegegnungen)
- Das Kernteam besteht aus: Alexander Schlüter, Daniel Herzog, Sebastian Benesch (Moderatoren/Field-Reporter), Jan Platte, Marco Hagemann, Uli Hebel, Lukas Schönmüller (Kommentatoren) sowie Ralph Gunesch, Jonas Hummels und Sebastian Kneißl (Experten/Co-Kommentatoren)
Kein Stehtisch, keiner mit vier Stühlen, kein Studio, sondern schlicht ein Moderator und ein Experte auf dem grünen Rasen, und das ist gut so. Wer nun daraus allerdings ableitet, dass die anderen Optionen prinzipiell die schlechteren sind, macht es sich a viel zu einfach und hat b schlicht Unrecht. Im Falle von DAZN ist es jedoch tatsächlich so, dass das Übertragungskonzept auf den ersten, aber auch auf den zweiten Blick das widerspiegelt, was den Streamingdienst ausmacht.
Denn für DAZN stand schon immer und steht bis heute der Sport im Mittelpunkt, was zweifelsohne einer der Gründe für den großen Fanzuspruch ist. Dieser resultiert allerdings nicht daraus, dass die User Lippenbekenntnissen oder bekanntem PR-Sprech Glauben geschenkt haben, sondern vielmehr aus vielen für sie sichtbaren Details, die – bei genauerer Betrachtung – ein stimmiges großes Ganzes ergeben.
Wer heute ein Abo abschließt, muss zwar – sofern es sich um keines über 12 Monate handelt – neuerdings 2 Euro mehr bezahlen (11,99 statt 9,99 Euro), der Neukunde vergisst dabei jedoch mit Sicherheit nicht, dass er für den maximalen Fußball-Genuss von nun an nur noch zwei und nicht mehr drei Abonnements benötigt – vorausgesetzt, er ist kein Anhänger eines Drittligavereins wie der Verfasser dieses Beitrags. Der Bestandskunde hingegen ist bislang nicht von dieser Preiserhöhung betroffen und daran wird sich vermutlich auch nicht allzu schnell etwas ändern. Überhaupt ist das Abo-Abschluss-Prozedere ebenso einfach und unkompliziert wie das Kündigen, das monatlich möglich ist, und das Reaktivieren eines Accounts nach einer kürzeren oder etwas längeren Pause. Will heißen: Schon auf dieser Ebene unterstreicht man, wie wichtig einem die Zufriedenheit der Kunden ist. Wobei man „Kunde“ eigentlich direkt wieder relativieren muss.
DAZN spricht seit jeher von seiner Community, was deshalb glaubhaft wirkt, weil man auch an einem ernsthaften Austausch mit ebendieser interessiert ist – ein tagesunabhängiger Blick auf die offiziellen Social-Media-Kanäle des Streamingdienstes genügt, um sich davon zu überzeugen. Da wird ernsthaft auf ernst gemeinte Fragen geantwortet, oftmals angemessen und humorvoll gekontert und im Bedarfsfall schuldbewusst ein Fehler eingeräumt sowie Besserung gelobt. Erst vor wenigen Tagen postete man voller Stolz, dass man ab der kommenden NFL-Saison erstmals mit #ENDZN einen Hashtag, der aus den Reihen der eigenen Community kommt, im Rahmen der Football-Übertragungen einsetzen wird. Ein Sinnbild für eine gelebte und nicht nur vielbeschworene Unternehmensphilosophie.
Und selbstverständlich muss an dieser Stelle noch auf das enorm vielfältige Programm eingegangen werden. Ein Portfolio, das nicht nur dafür sorgt, dass eine Fußballgeneration heranwachsen kann, die die außergewöhnlichsten Talente der großen Ligen nicht mehr nur aus FIFA kennt, sondern das ebenso die Basis dafür sein könnte, um nach und nach die Kluft zwischen König Fußball und anderen packenden Sportarten wie Tennis oder Basketball endlich etwas kleiner werden zu lassen. Nicht zu unterschätzen sind in diesem Zusammenhang die Bedeutung einer sehr aufgeräumt sowie übersichtlich daherkommenden Startseite und die der – nach dem Ausmerzen anfänglicher Kinderkrankeiten – mittlerweile zumeist vollkommen ruckelfreien Streams.
Darüber hinaus hat man in den vergangenen drei Jahren auf beispielhafte Weise Sendergesichter aufgebaut. Dass von Beginn an bei den Übertragungen viele neue Stimmen junger, aufstrebender Sportreporter (wie Uli Hebel oder Lukas Schönmüller) zu hören waren, passt da nur ins Bild – Chefkommentator Jan Platte, Marco Hagemann oder ehemalige Sport1-Urgesteine wie Carsten Fuß, Uwe Morawe oder Daniel Günther verkörpern gewissermaßen die Ausnahme, die die Regel bestätigt. Dass infolge dieses Vorgehens anfangs auch viel Lehrgeld gezahlt wurde, geschenkt. Wenn man frischen Wind möchte, geht das nicht ohne unverbrauchtes, junges Personal. Und das muss sich logischerweise erst einmal ausprobieren dürfen sowie hier und da danebenliegen, bevor es die ihm zugedachte Rolle authentisch ausfüllen und gleichzeitig den damit verbundenen Anforderungen gerecht werden kann. Das Ergebnis dieser konsequent umgesetzten Strategie: Das Netz feiert die Tatsache, dass Alexander Schlüter, Sebastian Benesch und Daniel Herzog, die bekanntesten Fußball-On-Air-Köpfe des Streamingdienstes, das Bundesliga-Kernteam bilden werden.
Damit aber nicht genug: Auch in Sachen Experten ist man einen ganz eigenen Weg gegangen. Statt auf ehemalige Weltfußballer, National- und Meisterspieler zu setzen, sind es in erster Linie Namen wie Ralph Gunesch, Jonas Hummels oder Sebastian Kneißl, die nicht nur Spiele fachkundig analysieren, sondern eben auch als Co-Kommentator im Einsatz sind. Es ist müßig, darüber zu spekulieren, ob ein Champions-League-Sieger – insbesondere in den ersten Monaten nach dem Launch – für DAZN überhaupt zu bekommen gewesen wäre. Wenn man das Projekt allerdings im Ganzen betrachtet, erscheint der gewählte Weg in jedem Fall durchaus wie einer, für den man sich sehr bewusst und aus voller Überzeugung entschieden hat.
Und hier schließt sich im Prinzip der Kreis zu dem Ausgangsgedanken: Ein Moderator und ein Experte auf dem grünen Rasen unmittelbar vor Spielbeginn. Das ist nicht nur die Konstellation, die Abonnenten der ersten Stunde von den großen internationalen Nächten aus der letzten Saison gewohnt sind, sondern auch die, die am besten zu der Art passt, wie man das Thema Bundesliga offensichtlich angehen will. Eine nette MAZ zum Start, die einen zum Schmunzeln bringt, und los geht es: Alexander Schlüter und Ralph Gunesch begrüßen, gewohnt leger und ohne Sakko, die Zuschauer und sind direkt danach bei der Sache: Da wird mit Bayern-Trainer Niko Kovac und später Herthas Geschäftsführer Sport Michael Preetz gesprochen, kurz auf den – von DAZN übertragenen – Supercup zurückgeblickt, die Transferpolitik analysiert und natürlich ganz konkret über die unmittelbar bevorstehende Partie gesprochen. Die einzelnen Versatzstücke sind selbstredend nicht neu, denn logischerweise bleibt eine Fußballübertragung eine Fußballübertragung. Trotzdem würde wohl kaum jemand widersprechen, wenn man konstatieren würde, dass sich der Umgang und die Ausgestaltung der Versatzstücke durchaus von dem Vorgehen der Konkurrenz unterscheiden.
Der Vorlauf gerät recht kompakt, jedoch keinesfalls zu kurz. Man fühlt sich am Ende gut informiert, und selbst für all diejenigen, die schon im Vorfeld einer Partie beziehungsweise einer Saison so ziemlich alles aufgesaugt haben, was in irgendeiner Form Fußballbezug hat, ist es lohnend, nicht erst zum Anpfiff einzuschalten. Bei dieser Fraktion punktet man nämlich mit nahbaren Experten wie eben Gunesch, die sich nicht nur überlegen, was den Fußballfan in exakt diesem Moment wirklich interessiert, sondern auch, welche Informationen für ihn einen Mehrwert darstellen. So gesehen ist es eher sogar von Vorteil, dass fast keiner der Ex-Profis (Per Mertesacker bildet da eine Ausnahme) die ganz großen Titel gewonnen hat. Denn die Anekdoten, die – im passenden Moment – eingestreut werden, sind eben zumeist wirklich neu. Zudem ist es verständlicherweise etwas vollkommen anderes, wenn diese von jemandem kommen, der nicht seine komplette Karriere in der höchsten Spielklasse verbracht hat, sondern für den der Aufstieg ins Oberhaus noch ein echtes Highlight war oder der dieses Ziel, welches im Falle von Jonas Hummels zum Beispiel lange Zeit überaus realistisch schien, (aufgrund schwerwiegender Verletzungen) letztlich nie erreicht hat.
Am besten zum Tragen kommt diese Stärke im Spielbericht. Die Tatsache, dass man bei dem Streamingdienst von Anfang an so konsequent auf Duos aus Experte und Kommentator gesetzt hat, zahlt sich spätestens jetzt, wenn man noch etwas mehr als ohnehin schon von der breiten Öffentlichkeit wahrgenommen wird, aus. Denn insbesondere Zweierteams, die schon zahlreiche gemeinsame Partien hinter sich gebracht haben, sind inzwischen selbstredend bestens eingespielt. Dies ist bei Jan Platte und Ralph Gunesch, seit einigen Monaten Co-Trainer bei der U19 des FC Ingolstadt, der Fall. Deshalb kommt der Kommentar auch ungemein organisch sowie kurzweilig daher und hat nichts von „Der Kommentator spricht und streut hin und wieder Fragen für den Experten ein“. Selbstverständlich wird dabei auch gerne etwas gefrotzelt – Freunde der Rocket Beans fühlen sich da sicher gelegentlich an deren Fußballformat «Bohndesliga» erinnert, in dem der Ex-Paulianer Gunesch nicht selten sehr sympathisch ausgeteilt, allerdings auch eingesteckt hat. Dies geschieht jedoch wohldosiert; das Spiel und die fachkundige Einordnung des Geschehens stehen klar im Vordergrund.
Dass man sich außerdem untereinander duzt, den Zuschauer duzt und einige der Interviewpartner ebenfalls, wird sicher nicht jedem der durch die Übernahme der Bundesliga-Rechte hinzugewonnenen Abonnenten gefallen. Es ist bei genauerem Überlegen aber ebenso logisch wie die Tatsache, dass es keinen wirklichen Dresscode und weder Sakkos noch Jacken mit Emblem gibt. Auch hier gilt: Die Alternative ist keinesfalls schlecht und hat als Teil eines anderen Konzepts auch ihre absolute Berechtigung, zu dem von DAZN passt sie allerdings nicht.
Bei den Gesprächen mit Gästen vor oder nach dem Spiel bewies man schon im Supercup in Dortmund, dass man sich bei aller Lockerheit auch der neuen Verantwortung bewusst ist. Eine etwas zu lax formulierte Frage oder ein fehlendes Nachhaken im richtigen Moment dürften diejenigen, denen der zeitgeistige Ansatz DAZNs nicht wirklich geheuer ist, sofort als Anlass nehmen, um die Arbeit des On-Air-Personals zu kritisieren. Zugegeben, zu Premier-League-Zeiten hatte es manchmal wirklich etwas von „Da treffen sich zwei gute alte Bekannte“, wenn etwa Jürgen Klopp oder David Wagner von Schlüter, Herzog oder Benesch befragt wurden. Ehrlicherweise war der Kontext jedoch damals ein anderer: Denn natürlich macht es einen Unterschied, ob DAZN-Moderatoren/-Field-Reporter deutsche Spieler oder Trainer an einem Spieltag in der wahrscheinlich besten Liga der Welt vor dem Mikro haben oder Unai Emery, Maurizio Pochettino & Co. – allein schon, weil die Erwartungen der Zuschauer an diese Gespräche völlig andere sind. In der Bundesliga gilt hingegen selbstredend zu 100% das Objektivitätsgebot, und nach den ersten Eindrücken aus Dortmund und München besteht auch keinerlei Zweifel daran, dass sich der Streamingdienst diesbezüglich in Zukunft angreifbar machen könnte:
Sämtliche Interviews (im Supercup oder jetzt beim Liga-Auftakt), ob mit Hans-Joachim Watzke, Niko Kovac, Ante Covic, Hasan Salihamidzic, Michael Preetz, Joachim Löw, Lucien Favre oder den Spielern der jeweiligen Mannschaften, zeigen deutlich, wofür „Bundesliga bei DAZN“ stehen soll: Für seriöse Berichterstattung mit dem gewohnten Augenzwinkern. Man darf gespannt sein, wie es die kommenden Freitage und gelegentlichen Sonn- respektive Montage weitergeht, ausreichend Gründe, um ihnen optimistisch entgegenzublicken, gibt es jedoch definitiv!
PS: Natürlich muss zumindest noch kurz auf den PR-Schachzug der letzten Tage eingegangen werden: #FRITZLOVE is (einmalig) back! Kommentatorenlegende Fritz von Thurn und Taxis, der – laut eigener Aussage – seit seinem Abschied von Sky im letzten Jahr viele Anfragen erhalten, aber bislang alle abgelehnt hatte, ist zurück. Bei DAZN darf man stolz darauf sein, den Coup mit dem Österreicher, dessen Popularität insbesondere in seiner Abschiedssaison noch einmal deutlich dank des besagten Hashtags zunahm, eingefädelt und auf diese Weise noch etwas mehr Aufmerksamkeit als ohnehin schon generiert zu haben.
Der Grandseigneur der Branche bleibt sich allerdings in gewisser Weise treu, da er nicht alleine durch die Partie führte, sondern an der Seite von Uli Hebel, dessen Bruder Joachim vor wenigen Wochen zu Sky gewechselt ist. Fritz von Thurn und Taxis, der Mentor vieler Kommentatoren war, die sich ihren Lebenstraum verwirklichen konnten, hat sich nämlich einst auch des jungen Mannes (damals noch Sky-Praktikant) angenommen, mit dem er nun gemeinsam die zweite Tonspur mit Leben füllte. Der Altmeister hielt sich – für seine Verhältnisse – durchaus zurück und war sichtlich darum bemüht, die von ihm im Vorfeld angekündigte Rolle des „Unterstützers" zu übernehmen, während sein ehemaliger Schüler die des Hauptkommentators innehatte. Diese Aufgabe meisterte der junge Sportjournalist souverän – dass sich der Mann, der über viele Jahre eine der bekanntesten Sky-Stimmen war, nicht immer würde zurückhalten können, war abzusehen, Hebel wusste jedoch stets angemessen darauf zu reagieren. Ein „Rewatch“ mit diesem Duo lohnt also in jedem Fall – allein schon, um ein – vermutlich – letztes Mal zu erleben, wie „TuT“ auf die ihm eigene Weise mit der deutschen Sprache und Spielernamen spielt.