«The Terror: Infamy» – Trump sollte diese Serie schauen

Die neue Staffel erzählt unter anderem aus US-Lagern im Zweiten Weltkrieg. Und von einem japanischen Geist, der dort sein blutiges Unwesen treibt.

Cast & Crew «The Terror: Infamy»

  • Idee: Alexander Woo, Max Borenstein
  • Darsteller: Derek Mio, Kiki Sukezane, Cristina Rodlo, Shingo Usami, Naoko Mori, George Takei u.a.
  • Ausf. Produzenten: David Kajganich, Soo Hugh, Ridley Scott, David W. Zucker u.a.
  • Produktion: Scott Free Productions, AMC Studios u.a. für AMC
  • Folgen: 10 (je ca. 50-60 Min.)
Eigentlich konnte es nur eine Anthologie-Serie werden. Nach der großartigen und zu Recht vielgelobten ersten Staffel von «The Terror» war ja niemand mehr übrig: Die ganze Mannschaft tot, die ganze Mannschaft der HMS Terror – des Schiffs, das 1848 den Versuch unternahm, erstmals die Nordwestpassage am Nordpolarmeer zu überqueren. Der Kampf ums Überleben gestaltet sich als aussichtslos, die Crewmitglieder schlachten sich selbst ab oder werden abgeschlachtet. Zum Beispiel von einem Eisbären.

Eine zweite Staffel von «The Terror» konnte also nur eine völlig andere Geschichte erzählen. Diesmal geht es in das Amerika des Zweiten Weltkriegs, der Konflikt zwischen Japanern und den USA schwelt. Die Geschichte der zweiten Season wird bereits im Titel angedeutet: Infamy, zu deutsch: Schande. Sie erzählt von der Inhaftierung von japanisch-stämmigen Amerikanern in sogenannten Internierungslagern während des Zweiten Weltkriegs. Diese Menschen werden enteignet, verhaftet, deportiert in Lager, ohne Bürgerrechte, ohne jegliche Rechte. Die Serie erinnert so bewusst an heutige Zustände in den USA. Auf Donald Trumps Anweisung werden illegale Einwanderer derzeit ebenfalls in Internierungslagern festgehalten – laut US-Behörden teils unter alarmierenden Zuständen. Einer der Nebendarsteller von «The Terror», George Takei, war damals im zweiten Weltkrieg selbst in einem solchen Lager untergebracht. Er ist ein großer Kritiker von Trumps Politik – und steht symbolisch für den Realitätsbezug dieser Serie. Es ist ganz schwere Kost, anders als die erste Staffel im Nordpolarmeer.

Ganz abstrakt thematisiert «Infamy» den Rassismus in den USA zur Zeit des Zweiten Weltkriegs, sowohl latent im damaligen öffentlichen Alltag als auch konkret in den Lagern. Die Handlung folgt größtenteils dem Studenten Chester, der sich als Sohn US-Migranten in die amerikanische Gesellschaft integrieren will. Der große amerikanische Traum war damals noch keine Illusion. Jedoch weiß Chester um seine Herkunft: Japanisch-stämmige Menschen sind minderwertige Personen, Menschen zweiter Klasse im amerikanischen Alltag. Der Rassismus schlägt ihm bald auch in der US-Armee entgegen, wo er sich als Übersetzer engagiert. Und seine Freundin kann dem Schicksal des Internierungslagers nicht entkommen. Weil sie von ihm, dem Mann mit japanischen Wurzeln, schwanger ist.

«The Terror: Infamy» erzählt den gesellschaftlichen Schrecken


Hier zeigen sich deutliche Parallelen zur ersten Staffel von «The Terror»: Im Rassismus zeigt sich das diabolische Gesicht des Menschen, der Terror und Horror geht nicht von Monstern aus. Sondern von den feindseligen Menschen selbst. So war es auch damals auf der HMS Terror – mit der Ausnahme, dass die Extremsituation im Eis die eigentlich zivilisierte Mannschaft auseinandertrieb. Hier ist es ein gesellschaftlich begründeter Terror, allgegenwärtig und tief zementiert. Dass viele Menschen in der Gesellschaft ebenfalls noch zu diesen Gedanken fähig scheinen, zeigt die aktuelle politische Situation in vielen westlichen Ländern. Nicht nur in den USA.



«Infamy» bringt dennoch die Übernatürlichkeit ins Spiel, es ist schließlich immer noch eine von Ridley Scott koproduzierte Serie. Ein japanischer Rachegeist – ein yurei – sucht Chester und seine Umgebung heim. Warum, das wird anfangs nicht erklärt. Es sind teilweise gruselige Szenen, die sich vor dem Auge des Zuschauers abspielen: Menschen blicken in die Sonne, bis ihr Augenlicht erlischt, stakkatohafter Gang, Selbstmord. Die Serie zeigt eindrucksvoll, was passiert, wenn ein Geist vom eigenen Körper Besitz ergreift. Die übernatürlichen Elemente wirken einerseits frisch in dieser Serie, die sonst ausschließlich historischen Stoff erzählt. Andererseits wirken sie wie künstliche Teile eines Story-Puzzles, das nicht wirklich zusammenpassen will.

«The Terror: Infamy» setzt so trotz der ähnlichen Hintergründe deutlich andere Akzente als die erste Staffel. Letztere war ein Horror- und Survival-Abenteuer, kalt und einsam und beklemmend. Die neuen Folgen sind zuallererst politisch, aber gleichzeitig behutsam und manchmal zutiefst menschlich erzählt. Ein Abenteuer ist «Infamy» nicht mehr, eher eine Chronologie des gesellschaftlichen Schreckens. Des menschlich begründeten gesellschaftlichen Schreckens.
23.08.2019 09:43 Uhr  •  Jan Schlüter Kurz-URL: qmde.de/111613