Ein realistisch manipuliertes Video von Schauspieler Bill Hader sorgte zuletzt in den Sozialen Medien für Aufsehen. Es könnte Vorbote für eine digitale Zukunft sein, die reich an Chancen und an Gefahren ist.
Social-Media-Hit "Bill Hader channels Tom Cruise [DeepFake]"
Am 6. August erschien "Bill Hader channels Tom Cruise [DeepFake]" auf dem YouTube-Kanal von "Ctrl Shift Face". Wenige Tage später wurde das Video auf Twitter zehntausendfach retweetet. Mittlerweile zählt es 4,5 Mio. Aufrufe mit Tausenden Kommentaren, die sich besorgt über die täuschend echten Bilder zeigen. Mit einem ähnlichen Gesichtertausch-Video zwischen Hader und Arnold Schwarzenegger erhielt der YouTube-Kanal vor drei Monaten erstmals größere Aufmerksamkeit. Das Video wurde mittlerweile 8,5 Mio. Mal geklickt.Am 6. August 2019 veröffentlichte ein YouTube-Nutzer auf seinem Kanal „Ctrl Shift Face“ ein
Video, das in den Tagen darauf in den Sozialen Medien für offene Münder sorgen sollte. Das Video zeigt ein knapp elf Jahre altes Interview zwischen Late-Night-Talker David Letterman und Schauspieler Bill Hader. Letzterer erzählt darin von der Produktion seines jüngsten Films «Tropic Thunder», in dem auch Tom Cruise mitspielte. Als Hader von einem Treffen mit dem Hollywood-Star erzählt, beginnt er ihn zu imitieren, als plötzlich sein eigenes Gesicht die Züge von Tom Cruise annimmt. Immer wieder wechselt Haders Erscheinungsbild im knapp über drei Minuten langen Video, später auch zum Konterfei Seth Rogens. Dass es Zuschauer bei Hader nicht mit einem Gestaltenwandler zu tun haben, sondern die Bilder des Videos mit einer Software ultrarealistisch manipuliert wurden, ist vielen Zuschauern schnell klar. Das ändert nichts an den täuschend echten Bildern, die in den Sozialen Medien für Entsetzen sorgen und bis zur Bedrohung für Demokratien angesehen werden, falls die Software in die falschen Hände gerät.
Deep Fakes: Bedrohung für die nationale Sicherheit?
In einem
Interview mit „The Guardian“ stellt der Urheber des Videos klar, dass diese nur Unterhaltungszwecken dienen. Der Content Creator, der nach Einschätzung von Kennern zu den absoluten Experten in der Disziplin der sogenannten „Deep Fakes“ gehört – Technik, die mit Hilfe Künstlicher Intelligenz täuschend echt wirkende Bilder oder Videos herstellt – habe die Software nach eigenen Angaben zunächst genutzt, um sein eigenes Gesicht in andere Videos zu montieren und damit Freunde zu unterhalten. Seitdem tat er das gleiche mit Stars. Er montierte Tom Cruise in «American Psycho», Jim Carrey in «The Shining», ließ Heath Ledger in «Ritter aus Leidenschaft» mit seinem Joker-Make-Up aus «The Dark Knight» auflaufen oder tauschte die Gesichter von Brad Pitt und Edward Norton in «Fight Club».
In einem
Interview mit „NBC News“ ruft der Schöpfer, ein Tscheche namens Tom, dazu auf, zu denken, bevor man Dinge zu glauben beginnt. Sein Werk blieb auch von der Politik nicht unbemerkt. Kurz nach Veröffentlichung des Hader-Videos berief das House Intelligence Committee in Washington, ein Geheimdienstausschuss, sogar eine Sitzung ein, um zu eruieren, inwiefern die Fake-Inhalte durch KI die nationale Sicherheit bedrohen und was getan werden kann, um sie zu erkennen und zu bekämpfen. Keine Frage, in Zeiten von Fake News scheinen Deep Fakes besonders gefährlich zu sein, um geistige Brandstiftung zu betreiben und das Bild politischer Gegner in der Öffentlichkeit negativ zu beeinflussen.
Längst ein (problematischer) Teil der Popkultur
Definition: Deep Fake
Deepfake, auch Deep Fake (engl. deep ‚tief‘ und fake ‚Fälschung‘) ist ein seit ca. 2017 gebräuchlicher Ausdruck für die Technik, mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz täuschend echt wirkende Bilder oder Videos herzustellen, die nicht echt sind. Die Technik basiert auf künstlichen neuronalen Netzwerken, die die gefälschten Medien weitgehend autonom erzeugen. Deepfake ist ein Kofferwort, wobei Deep mit Deep Learning assoziiert wird.
Wikipedia
Der Technologie, die dafür zum Einsatz kommt, wohnen jedoch nicht nur Gefahren inne, sondern auch große Chancen für die Unterhaltungsindustrie. Ähnliche Anwendungen sind in der Popkultur und auf Sozialen Medien längst populär. Seit Jahren bietet etwa Snapchat die „Faceswap“-Funktion an, die das eigene Gesicht durch die Gesichter anderer Personen ersetzt. Nichts anderes macht „Ctrl Shift Face“ in seinen Videos. Zuletzt genoss die „Face App“ große Beliebtheit, mit der Nutzer ihr Erscheinungsbild unter anderem künstlich altern lassen konnten.
Hollywood nutzt derartige Techniken auf seine ganz eigene Weise. Am prominentesten wurden die Errungenschaften dieser neuen Softwares in den neuen «Star Wars»-Filmen zur Schau gestellt. In «Star Wars: Rogue One» belebten die Macher die mittlerweile verstorbenen Schauspieler Peter Cushing und Carrie Fisher in ihren Rollen als Großmoff Tarkin und Prinzessin Leia wieder, um sie aussehen zu lassen wie in «Star Wars: Eine neue Hoffnung» aus dem Jahr 1977. Die digitale Rekreation ihrer Körper und Gesichter war den Figuren im Film jedoch anzusehen und noch lange nicht so authentisch wie die YouTube-Videos, die zuletzt für Aufsehen sorgten. Die Netflix-Serie «Black Mirror» befasste sich in ihrer neuesten Staffel ebenfalls mit den Implikationen derartiger Technik und erzählte die Geschichte eines von Miley Cyrus gespielten Popstars, der im Koma lag, aber dennoch mithilfe eines holografischen Ersatzes weiterhin Konzerte spielte.
Zuletzt bemühte sich die Schauspielergilde Hollywoods darum, dass Gesetze verabschiedet werden, die es untersagen, Bild- oder Stimmmaterial ihrer Mitglieder ohne deren Einwilligung zu verwenden. Schon seit einigen Jahren werden Deepfakes beispielsweise in der Pornografie eingesetzt, um die Bilder vor allem weiblicher Schauspielerinnen auf fremde Körper zu montieren – ein krimineller Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Prominenten. Zunächst wurde eine entsprechende Gesetzgebung in New York aber abgelehnt, weil zu große Implikationen für die freie Meinungsäußerung gesehen wurden. Interessanterweise sieht auch die Motion Picture Association of America das Thema differenzierter als die Schauspieler, deren Fotos missbraucht werden. Sie verweist darauf, dass zu starke Einschränkungen Filmemacher daran hindern könnten, Geschichten über oder inspiriert durch echte Personen oder Ereignisse zu erzählen.
Chancen für Hollywood
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Wirft man einen genaueren Blick auf den Gesetzesentwurf, der nun zunächst abgelehnt wurde, vermutlich aber bald erneut vorgelegt wird, eröffnet sich eine interessante, aber nicht unproblematische Zukunftsvision Hollywoods. Das Gesetz hätte etabliert, dass Fotos, Stimme und Unterschrift einer Person als Eigentumsrechte behandelt werden, die durch entsprechende Verträge einfach übertragbar gewesen wären. Will heißen: Unterzeichnet ein Schauspieler einen Vertrag mit einer anderen Partie für die Übertragung der Eigentumsrechte an ihren Bildern, kann diese Partei die Bilder frei nutzen – gegen einen Geldbetrag, versteht sich.
Demnach könnten sich Unternehmen oder Privatpersonen im Grunde Lizenzrechte an Schauspielern sichern. Ähnlich soll das Übereinkommen zwischen Carrie Fisher und Disney im Rahmen der «Star Wars»-Filme entstanden sein. Kalifornien erlaubt nämlich bereits die freie Veräußerung entsprechender Rechte.
Was wäre das für ein neues Hollywood, in dem Schauspieler plötzlich gar nicht mehr an Sets erscheinen müssen, weil ihr Gesicht genügt, um einen Film zu verkaufen? Hätte George Clooney beispielsweise Terminschwierigkeiten und kann nicht an zwei Filmdrehs gleichzeitig teilnehmen, könnte ein anderer Schauspieler ähnlicher Statur seine Rolle verkörpern. Clooneys Gesicht wurde nachträglich in die Szenen hineinmontiert werden und er könnte die Schauspielleistung eines anderen mit seiner Stimme synchronisieren. Für bekannte Schauspieler und Produzenten würden sich auf einen Schlag viele Probleme lösen.
Gefahren unüberlegter Gesetzgebung
Gleichzeitig wäre dieses Szenario ein Desaster für aufstrebende Talente, wenn Filmemacher statt ihnen lieber digital rekreierte A-Lister verwenden würden, deren Gesichter dank der neuen Technik nun schließlich an vielen Orten gleichzeitig eingesetzt werden können. Selbst verstorbene Schauspieler könnten wieder in neuen Rollen auftreten - James Dean könnte etwa der neue «Spider-Man» sein oder . Die digitale Errungenschaft könnte also einen ganzen Arbeitsmarkt gefährden. Mit dem gerade abgelehnten Gesetz wäre das theoretisch möglich gewesen.
Die Veräußerung etwaiger Lizenzrechte könnte auch weitere sehr negative Folgen haben, zum Beispiel wenn ein insolventer Star seine Eigentumsrechte an Bildern oder seiner Stimme an Gläubiger abtreten muss. Gerade aufsteigende und noch nicht erfolgreiche Künstler in Film oder Musik sowie Models könnten sich leicht in entsprechende Verträge locken lassen. Nebenbei bemerkt würden die Gesetze auch für Normalbürger gelten. Könnten also geschiedene Ehepartner gerichtlich Eigentumsrechte an den Fotos des Ex-Partners zugesprochen werden? Die Nutzung der bereits erwähnten „Face App“ begleitete außerdem die Berichterstattung, dass Nutzer millionenfach der Speicherung ihrer verwendeten Fotos zustimmten, deren Rechte an eine russische Firma gingen. Derartige Geschäftsmodelle könnten in deutlich größerem Stil bald folgen.
Die Möglichkeiten von Deep Fakes in der Unterhaltungsindustrie sind vielfältig, genauso wie die Gefahren für die Politik und die Herausforderungen für Gesetzgeber. Noch ist die Technik nicht massentauglich, schon in ein paar Jahren könnte die Nutzung jedoch einfacher sein, was nicht nur Privatpersonen und deren Nutzung fremder Eigentumsrechte zur Folge hätte, sondern womöglich auch eine systematische Ausnutzung durch Hollywood. Nur ein verantwortungsvoller rechtlicher und ethischer Umgang mit der Thematik kann schlimme Folgen verhindern.