Lukes great Show-Night – mit einem Aber, aber auch viel Potenzial

Die erste Ausgabe von «LUKE! Die Greatnightshow» weiß zu überzeugen und liefert die Auflösung des «ZDF-Fernsehgarten»-Skandals.

Selbst denjenigen, die an diesem Freitag beim Zappen zufällig «LUKE! Die Greatnightshow» entdeckt haben und den Protagonisten des Abends davor noch gar nicht kannten, dürfte recht schnell eines klar geworden sein: Luke Mockridge mag ein junger Künstler sein, aber im Herzen ist er ein Entertainer alter Schule. Denn der junge Kölner ist vor allem eines: vielseitig begabt. Sich erstmals vor einem größeren TV-Publikum beweisen durfte er sich hierzulande einst 2013 beim «RTL Comedy Grand Prix» und schon damals war deutlich erkennbar, dass der Kölner einer für größere Aufgaben sein könnte. Denn im Kern zeichnet seinen Comedy-Stil von Beginn an aus, dass er sich in allererster Linie über sich selbst lustig macht und dabei auch bewusst in Kauf nimmt, in durchaus peinliche Situationen zu geraten, die jedoch (in der Regel) nie ohne gelungene Pointe auskommen.

Erstmals so richtig über einen längeren Zeitraum austoben durfte er sich im WDR-Kosmos (primär bei ONE (ehemals Einsfestival) und 1Live) und wurde dort eines der prägenden Gesichter von «NightWash». 2013 hatte er die Moderation des Comedy-Kultformats von Klaus-Jürgen „Knacki“ Deuser übernommen und führte anschließend für drei Jahre durch die Show, ehe er Sat.1, für das er ab 2015 parallel zu seinem ÖR-Engagement tätig war, endgültig den Vorzug gab. Neben dem Start seiner längsten und frühesten Late-Night-Show, die die Welt (womöglich) je gesehen hat, ließ sein Haussender übrigens heute auch beim wohl bekanntesten Waschsalon des Landes wieder die (TV-Beleuchtungs-)Lichter angehen. Seit 2017 hatte man nämlich die Auftritte junger Stand-Upper in dieser Location nur noch live im Internet übertragen und Highlight-Clips anschließend bei YouTube hochgeladen. 2019 also das große «NightWash»-Comeback, und das zudem erstmals in Sat.1 – als Gastgeber fungieren wird ab sofort das ehemalige RTL-Gesicht Atze Schröder. Dass Herr Mockridge bei seiner einstigen großen Liebe direkt in Folge 1 vorbeischaute, versteht sich beinahe von selbst.

Unmittelbar davor darf ab sofort Faisal Kawusi in seinem aus einer Rubrik seiner «Faisal Kawusi Show» entstanden Ratespaß «Das Quiz, für das Jörg Pilawa keine Zeit mehr hatte» den Nachweis erbringen, dass das Konzept nicht nur für ein paar Minuten, sondern auch über eine Stunde (inklusive Werbung) trägt. Und so ist der neue Fun-Freitag in gewisser Weise von nun an auch eine Art „Luke and Friends“-Event, denn der vorletzte «Let’s Dance»-Partner der aktuellen «DSDS»-Jurorin Oana Nechiti gehört schon lange zur «LUKE! Die Woche und ich»-Familie - ähnlich wie etwa auch Schauspielerin und YouTube-Star Joyce Ilg oder der kleine Robin, der als Mockridges „Assistent“ bereits mehrfach dafür sorgte, dass diverse Erwachsene zeitweise die Welt nicht mehr verstanden.


Nun also «Luke! Die Greatnightshow» oder: die nächste Spielwiese für den jungen Mann, der es sich zum Ziel gesetzt hat, Programm für Klein und Groß beziehungsweise Jung und Alt zu machen, und das ist auch der Grund, warum man ihn bei Sat.1 konsequent zum Sendergesicht aufgebaut hat. Denn einen Entertainer zu finden, der mit 30 nicht gezielt in die Nische geht oder sich total auf das Internet konzentriert und auch nicht ausschließlich die eigene Generation ansprechen möchte, ist im deutschsprachigen Raum beinahe ein Unikum. Und genau deshalb ist dieser nächste Schritt auf der Lukeschen Karriereleiter schlicht folgerichtig und verdient.

Das ungemein „Times-Square-eske“-Studio (natürlich mit Wendeltreppe und „Shiny Floor“, den sich manch einer bekanntlich auch einmal öffentlickeitswirksam wünscht), in dem einst Stefan Raab, der vielleicht größte Förderer von Luke (man denke an seine vielen «TV Total»-Gastauftritte sowie seine Einsätze als „Außenreporter“ im Rahmen von Raabs US-Abstecher), für eine halbe Ewigkeit exakt das machte, was er wollte und worauf er gerade Lust hatte. Und Luke Mockridge macht im Prinzip nichts anderes, allerdings eben über mehr als zwei Stunden. Dabei kommen keine Längen auf, weil das Dargebotene einmal mehr so abwechslungsreich und unterhaltsam ist.

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Zunächst erteilte ihm Roberto Blanco in einem fulminanten Opening quasi die offizielle „Ein-bisschen-Spaß-muss-sein-Erlaubnis", bevor es zum ersten Show-Schwerpunkt und Aufreger der letzten Wochen kam: Der Auflösung des «ZDF-Fernsehgarten»-Skandals. Und die fiel so aus, wie es vielfach schon im Netz gemutmaßt worden war: Luke hatte sich mit einigen Kindern – wie bereits häufiger im Rahmen anderer Shows – zusammengesetzt und stark von ihren Auftritts- und Gag-Ideen inspirieren lassen, und sich anschließend an besagtem Sonntag in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt tatsächlich sehr konsequent an die ihm erteilten Anweisungen gehalten. Und natürlich geben diese Informationen dem Ganzen einen Kontext und selbstverständlich werden sicherlich nun viele von ihrer ursprünglichen Meinung abrücken und selbstredend wäre es eine Untertreibung, zu sagen, dass eine Menge von dem, was der 30-Jährige und sein Umfeld in der jüngeren Vergangenheit an üblen Beschimpfungen und Schlimmerem abbekommen haben, völlig deplatziert und überzogen war.

Und dennoch lässt sich eine Sache nicht leugnen: Dass sich nicht wenige Menschen im Moment der Aktion am Mainzer Lerchenberg und vor den heimischen Bildschirmen angegriffen gefühlt haben, ist nachvollziehbar, da sie für die Mehrheit schlicht nicht kontextualisiert werden konnte, weil diese eben zu wenig über den Auftretenden weiß UND jede Form der Erklärung ausblieb – zumal es auch einfach (zwangsläufig) nicht witzig war. Was überdies nach wie vor sonderbar anmutet, ist, dass ein so empathischer Mensch wie Luke (wie er gerade auch immer wieder in den Einspielern mit seinen jungen „Mitarbeitern" zeigt) in Kauf genommen hat, dass sich nicht wenige nach seinen Bühnenmomenten gekränkt fühlen würden, weil das nämlich so gar nicht zu dem passen mag, wofür der sympathische Künstler eigentlich steht. Man stelle sich vor, es hätte unmittelbar nach dem Auftritt im ZDF die Bilder zu sehen gegeben, die das Sat.1-Publikum heute zu sehen bekam. Klar, dann hätte die Aktion kein Aufhänger mehr für die Premiere heute respektive vorgestern Abend (Tag der Aufzeichnung) sein können, berichtet hätten die großen Medien zweifellos trotzdem darüber – vielleicht nicht auf Seite 1, jedoch in einer Weise, die einen so talentierten jungen Mann bei einigen (höchstwahrscheinlich nicht nur Älteren) eben nicht für mutmaßlich sehr lange Zeit zu einem roten Tuch gemacht hätte. Immerhin gab es sie, die reumütigen Momente sowie eine ausgestreckte Hand in Richtung Andrea Kiewel (inklusive Einladung) beziehungsweise in Richtung ZDF – Fortsetzung folgt.

Das zweite große Thema des Abends war Musik, und zwar in all ihren Facetten: Angefangen bei „Sprengstoff“, der Show-, Tour- und ehemaligen Schülerband des Gastgebers, die weit weniger im Vordergrund stand, als man es beispielsweise früher von Raabs „heavytones“ gewohnt war, allerdings darf man auch nicht vergessen, dass wir hier von der ersten Ausgabe dieses Formats sprechen, also abwarten. Late-Night-Fans, die auch etwas internationaler unterwegs sind, dürften sich an James Cordens „Crosswalk the Musical“-Performances erinnert gefühlt haben, als Mockridge zunächst in Köln und später aufgrund einer entzogenen Auftrittsgenehmigung (in der Karnevals-Hochburg) in Bonn unter anderem mit Jorge Gonzáles mitten auf der Straße oder in der Fußgängerzone berühmte Musikvideos nachstellte – und sich dabei beispielsweise in Miley Cyrus oder Christina Aguilera verwandelte. Nachdem der 14-Jährige Comedy-Newcomer Carl Josef, der an Muskeldystrophie Typ Duchenne leidet, all jenen, die sich über unwichtige Kleinigkeiten aufregen, auf wunderbare Weise gezeigt hat, wie man trotz einer solchen Diagnose seine Träume verfolgt, positiv bleibt und nicht nur auf sich schaut, folgte der Auftritt des schottischen Sängers Lewis Capaldi, der zeitweise von dem Namensgeber der «Greatnightshow» unterstützt wurde - wer Mockridge schon etwas länger verfolgt, der weiß, dass dieser leidenschaftlich gerne singt, Klavier oder Gitarre spielt.

Das große Finale einleiten darf schließlich der weibliche Stargast des Abends: Nora Tschirner. Schon im kurzen Talk mit Luke wird überdeutlich: Es mag stimmen, dass sich einige deutsche Schauspielerinnen und Schauspieler damit schwertun, in ähnlichem Maße in vergleichbaren Situationen ohne Drehbuch „abzuliefern“, wie es zum Beispiel viele ihrer US-Kolleginnen und -Kollegen können, die Hauptdarstellerin der gestern in den deutschen Kinos angelaufenen und sehr gelungenen Romanverfilmung «Gut gegen Nordwind» gehört nicht dazu. Mit ihrer Schlagfertigkeit und ihrem Charme stiehlt sie dem 8 Jahre jüngeren Entertainer fast – im wahrsten Sinne des Wortes – die Show. Und dass sie schließlich gemeinsam mit David Hasselhoff – nach einer «Baywatch»-Gedächtnisnummer –, Olaf Schubert, Lukes Vater, der «Lindenstraßen»-Ikone Bill Mockridge, und Luke selbst in dessen erstem eigenen Musical „East Side Story“ (voller großartig umgedichteter älterer und neuerer Hits) anlässlich des 30-jährigen Jubiläums des Mauerfalls nicht nur auftritt (und dabei gesanglich wie darstellerisch überzeugt), sondern sogar die weibliche Hauptrolle übernimmt, ist nur ein weiterer Beleg dafür, wie glücklich sich die deutsche Unterhaltungsbranche schätzen kann, solche Ausnahmekünstler wie die gebürtige Berlinerin zu haben.

Nicht nur an diesem letzten großen Spaß sieht man, weshalb Lukes neuer Spielplatz für eines der Kinder der 90er schlechthin, wie er auf seinen Touren nicht nur mithilfe des „Gummibärenbanden-Liedes“ unterstreicht, so ausgezeichnet die bestehende und bekanntlich nicht gerade große Auswahl an Late-Night-Shows, durch die bekanntermaßen Jan Böhmermann, Klaas Heufer-Umlauf und Pierre M. Krause (die drei mit «Die Harald Schmidt Show»-Vergangenheit) führen, ergänzt. Und deswegen bleibt abschließend eigentlich nur festzuhalten: Dieser Auftakt war ziemlich vielversprechend und macht Lust auf mehr!

«LUKE! Die Greatnightshow» läuft noch die kommenden sieben Wochen freitags um 20.15 Uhr in Sat.1.
14.09.2019 02:23 Uhr  •  Florian Kaiser Kurz-URL: qmde.de/112172