Eine mysteriöse Insel, zehn fremde Menschen, schwache Drehbücher und klischeebehaftete Charaktere: Das zeichnet die neue Netflix-Miniserie «The I-Land» aus, die weit hinter ihren Möglichkeiten bleibt.
Facts zu «The I-Land»
- Episoden: 7
- Folgenlänge: 37-43 Minuten
- Erfinder: Anthony Salter
- Produktionsfirma: Nomadic Pictures Entertainment
- Budget: 14 Millionen US-Dollar
Zehn Menschen wachen auf einer Insel auf, keiner von ihnen weiß, warum er oder sie dort ist und sämtliche Erinnerungen an das frühere Leben sind ausgelöscht. Nicht mal ihre Namen wissen sie noch, nur durch Labels an ihrer Kleidung finden sie heraus, wie sie sich gegenseitig ansprechen können. Eine mysteriöse Insel, die sich öffnenden Augen der im Fokus stehenden Chase (Natalie Martinez, «Under the Dome») – hier fühlt man sich zu Beginn unweigerlich an die Grundprämisse «Lost» erinnert. Erst recht, wenn man in der nebulösen Kurz-Beschreibung von Netflix dann auch noch liest, dass die mysteriöse Insel lauter Gefahren birgt.
Die größte Gefahr sind jedoch die Gestrandeten selbst: Keiner vertraut dem anderen, Misstrauen ist von vornherein angesagt. Wie gut, dass im Sand unter anderem Messer und Beile vergraben sind. Erste Gruppendiskussionen führen ins Leere, vielmehr wird deutlich, wie uneinig sich die Fremden untereinander sind.
Mehrere Dummheiten passieren bereits in der Pilotfolge: Denn wie ist es sonst zu erklären, dass ein paar der Insel-Insassen trotz ihrer misslichen Lage erstmal nichts Besseres zu tun haben, als im Wasser fröhlich schwimmen zu gehen? Dass das nicht gut geht, versteht sich von selbst: Haie lauern im Meer nämlich nach frischem Menschenfleisch. An Flirts mangelt es anfänglich auch nicht, schließlich haben sich einige schon damit abgefunden, nie mehr wieder weg von der Insel zu kommen. Da muss man halt sehen, wo man bleibt. Bis zu einem einschneidenden Erlebnis zwischen zwei Flirt-Willigen kommt so tatsächlich Realityshow-Feeling a la «Love Island» auf, verstärkt wird das durch diversen Kamerafahrten über die Insel hinweg – aber nein, es läuft immer noch «The I-Land». Ein nebenbei bemerkt albernes Wortspiel.
Albern und recht hölzern sind auch einige Dialoge, die wiederum zu den klischeebehafteten Charakteren passen: «The I-Land» bietet da zum Beispiel den selbsternannten Anführer Brody (Alex Pettyfer, «In Time»); die hilfsbereite Blair (Sibylla Deen, «The Last Ship»), die zufällig medizinische Kenntnisse hat; die verbitterte und an allem Herummeckernde KC (Kate Bosworth, «SS-GB») und mit Chase haben wir eine durch und durch emanzipierte Frau im Cast, die lieber ihr eigenes Ding durchzieht, interessante Entdeckungen lieber vor den anderen verheimlicht und sich dadurch keine Freunde macht. Wirkliche Sympathie will sich bei den meisten Figuren nicht einstellen, nach der Rückkehr der Erinnerungen schon gar nicht mehr.
Schon in Folge drei wird das Geheimnis um die Insel weitestgehend gelüftet und von da an wird es eigentlich recht vorhersehbar und belanglos, neben «Lost» schwingt dann übrigens noch ein Hauch von «Black Mirror» (in der Billig-Variante) mit – was man anhand des Intros und des Trailers aber irgendwie auch schon erahnen konnte. Deswegen kommt die Auflösung, was es mit der Insel an sich überhaupt auf sich hat, wenig überraschend daher.
In der zweiten Hälfte verliert sich «The I-Land» in Flashbacks seiner Protagonisten und Längen machen sich bemerkbar, da auch einige Figuren recht unbedeutend für die weitere Handlung sind. Die werden dann aber glücklicherweise recht schnell mit einer Backstory abgefrühstückt. Dass ganz zum Schluss quasi in einem Nebensatz noch krampfhaft die Klima-Karte gezogen wird, ist ein ebenso unglücklicher Move. Irgendwie beschleicht einem das Gefühl, dass bei «The I-Land» nur 50 Prozent gegeben wurde, das Potenzial der durchaus reizvollen Grundidee wurde nicht voll ausgeschöpft. Denkt man an die ebenfalls bei Netflix gelaufene Miniserie «Maniac» von September vergangenen Jahres zurück, dann spielt «The I-Land» ganz klar eine Liga darunter – wenn nicht sogar mehr. So reiht sich «The I-Land» nur kurz nach dem ebenfalls sehr bescheidenen «Another Life» in die immer länger werdende Liste an Netflix-Produktionen ein, die qualitativ wahrlich ausbaufähig sind.