Nach «The Masked Singer»: ein flauschiges maskiertes «Takeshi's Castle»? Die neue, etwas sonderbare RTL-II-Game-Show «Wild im Wald» ist zwar herrliche Unterhaltung, hätte aber eigentlich besser zu arte gepasst...
Ich stelle mir gerade eine Spaziergängerin vor, die jetzt, wo es wieder früher dunkel wird, durch die Wälder streift, und dabei eines Tages auf Unglaubliches stößt: Ein riesiges anthropomorphes Eichhörnchen versucht mit einem Kescher in der Hand, eine ebenso überdimensionierte Ente einzufangen. Ein gigantischer Dachs transportiert unter ständiger Hummeleinwirkung ein Tablett mit Honiggläsern über einen Parcours aus Baumstämmen. Und ein Fuchs bahnt sich seinen Weg an einem elektrischen Weidezaun entlang, in der ständigen Gefahr, dass sein treu sorgender Ranger bei Berührung der Drähte einen Stromschlag versetzt bekommt.
Wenn Ihnen Ihre Waldpaziergängerfreundin in nächster Zeit von solchen Vorkommnissen berichten sollte, müssen Sie nicht direkt zum Hörer greifen und panisch ihre Einweisung in die nächstgelegene psychiatrische Klinik anstoßen. Es könnte nämlich genauso gut sein, dass sie nur unverhofft in die Dreharbeiten zur neuen RTL-II-Game-Show «Wild im Wald» gestolpert ist, die gestern Abend ihre Premiere feierte.
Das Spielprinzip ist so unwesentlich wie schnell erklärt: Sechs Ehe-, Liebes- oder Geschwisterpaare treten an, um fünftausend Euro und eine Reise nach Ägypten zu gewinnen. Der Eine von ihnen wird flauschig kostümiert, sodass er in seiner Verkleidung nichts sehen kann. Sein Partner – laut «Wild-im-Wald»-Nomenklatur: der „Ranger“ – fungiert als sein Lotse und steuert seinen Wildtierkumpanen über ein Mikrofon einen Parcours entlang, an wild gewordenen Plüschhummeln und anderen Hindernissen vorbei. Die daraus entstehenden Bilder kann man sich am besten als knuffigere heimische Version von «Takeshi’s Castle» vorstellen, oder als waldpädagogische und deutlich weniger martialische Outdoor-Variante all der anderen Hindernisüberwindungsshows, die seit einiger Zeit im Trend liegen.
Angesichts dessen, dass die wenigsten Zuschauer sich dazu hinreißen lassen dürften, größere Sympathien für die Ente als für das Eichhörnchen oder den Dachs zu entwickeln, lebt diese Sendung freilich mehr von ihrer Skurrilität, ihren kuriosen Bildern sowie der sanften Ironie von Moderatorin Sonja Zietlow und den cleveren Kommentaren des Off-Sprechers, als von ihrer Wettkampfdramaturgie, die eher als behelfsmäßiges Rüstzeug den Rahmen der Veranstaltung vorgibt.
Ohne Hemmungen und mit umso diebischerer Freude präsentiert sich «Wild im Wald» dabei als unverhohlene Gaga-Sendung. Das wird ihr von bildungsbürgerlichen Kritikern eine Menge an Verrissen einbringen – Angriffsfläche, die Zietlow in ihrer ersten Moderationsamtshandlung gekonnt ironisch abräumte. Der Unterhaltungswert von unbeholfenen übergroßen Waldtieren dürfte unbestritten sein, vom immer bedeutsamer werdenden Flauschfaktor ganz zu schweigen. Während Markus Söder eine Streuobstwiese nach der anderen einweiht, leistet RTL II mit dieser Sendung eben einen Beitrag zum Eichhörnchen-Artenerhalt auf der Mattscheibe. Und mit noch radikalerem Konzept, einem Verzicht auf die Game-Show-Dramaturgie und allein mit Bildern von überdimensionierten Nagetieren, die mit einem Netz in den Pfoten Jagd auf eine Ente machen, hätte das Format auch im Nachtprogramm von arte laufen können. Wenn das mal kein Kompliment ist.
«Wild im Wald» ist montags um 21.15 Uhr bei RTL II zu sehen. Außerdem gibt es die Folgen bei TV Now zum Streamen.