Deutsche Literatur, zum filmischen Leben erweckt: Weiter geht's mit «Timm Thaler oder das verkaufte Lachen».
Filmfacts «Timm Thaler oder das verkaufte Lachen»
- Regie: Andreas Dresen
- Drehbuch: Alexander Adolph; nach dem Roman von James Krüss
- Produktion: Oliver Berben
- Darsteller: Arved Friese, Justus von Dohnányi, Axel Prahl, Charly Hübner, Andreas Schmidt, Nadja Uhl, Fritzi Haberlandt, Jule Hermann, Bjarne Mädel, Steffi Kühnert
- Kamera: Michael Hammon, Niklas J. Hoffmann
- Kostüm: Sabine Greunig
- Ausstattung: Uli Hanisch
- Schnitt: Jörg Hauschild
- Musik: Johannes Repka
- Laufzeit: 102 Minuten
- FSK: ohne Altersbeschränkung
Die bekannteste Version der «Timm Thaler»-Erzählung, in der ein Junge sein Lachen verkauft, dürfte die ZDF-Weihnachtsserie aus dem Jahr 1979 sein. Die oft wiederholte Serie, die Thomas Ohrner zum Star gemacht hat, basiert jedoch (und das vergessen nicht wenige Leute) auf James Krüss' Roman «Timm Thaler oder das verkaufte Lachen». Der Nachkriegsroman, dessen Rahmengeschichte kurz nach dem Zweiten Weltkrieg ansetzt und auf das einflussreiche Kunstmärchen «Peter Schlemihls wundersame Geschichte» anspielt, das von den Nazis forciert fehlinterpretiert und instrumentalisiert wurde, übte sich unter anderem in Konsumkritik und kritisierte zudem Menschen und Institutionen, die Kindern ihre Unbeschwertheit nehmen wollen.
«Nachtgestalten»-Regisseur Andreas Dresen nahm sich dieser Vorlage an und kreierte daraus einen märchenhaft-anachronistischen Film: Ein Großteil der Szenen spielt in einer romantisierten Darstellung der 1920er-Jahre, mit Kleinarbeiterromantik (durch die immer wieder die reale Not durchschimmert), großen sowie prunkvollen Hotelpalästen und einem alles in allem verschnörkelt-detailliertem Produktionsdesign. In der Darstellung der verführerischen Mächte überspringt Dresen aber die naheliegende Assoziation: Statt primär auf den sich in den 1920ern ankündigenden Nationalsozialismus zu verweisen, springt Dresen ins Heute und skizziert die schurkischen Mächte als profitgierige, internationale Konzerne mit Technologie in heutiger Ästhetik.
Auf Handlungsebene bleibt die Gefahr des Faschismus präsent, doch bildästhetisch und in frivol-fiesen Monologen wird Kritik an Nestlé-Geschäftsmethoden und ähnlichem präsentiert, womit die Konsumkritik der Vorlage doppelt unterstrichen und auf größere Zusammenhänge verwiesen wird: Durch ein Befeuern der Arm-Reich-Schere wird das Elend in der Welt größer – und empathielose Gestalten nutzen das wiederum, um Mitleid in Verachtung zu verdrehen, wodurch herzlose politische Strömungen befeuert werden.
Auch wenn Dresen sich in seinem gesellschaftlichen und politischen Kommentar keineswegs in Subtilität übt, so gelingt es ihm und Drehbuchautor Alexander Adolph, die Botschaft nie moralinsauer in überdeutlichen Lektionen zu verpacken, sondern sie unentwegt mit der fantasievoll vermittelten Story zu verquicken. Arved Frieses mitreißendes Spiel in der Hauptrolle und Justus von Dohnányis immens unterhaltsames, sinistres Spiel als fieser Baron runden diese Kinder-Literaturverfilmung wunderbar ab: «Timm Thaler oder das verkaufte Lachen» ist großes, schlaues Sehvergnügen für die ganze Familie.
«Timm Thaler oder das verkaufte Lachen» ist auf DVD und Blu-ray erhältlich sowie unter anderem via maxdome, iTunes, Google Play und Videobuster abrufbar.