Regisseurin und Autorin Ariane Zeller spricht über den langen Weg aus dem Familienfilm und über Regisseure, die ihren Cast zermürben.
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Ich finde François Ozon toll, der ist in der Komödie genauso zuhause wie im Drama, was ich eine besondere Leistung finde. Generell schiele ich gerne auf die Franzosen. Ich liebe es, wie sie auf ihre Charaktere vertrauen, diese Art des Geschichtenerzählens dient mir als Vorbild.
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Ariane Zeller
Fällt es Ihnen leichter, einen Film nach einem eigenen Drehbuch zu inszenieren, oder ist es für Sie so sogar schwerer?
Nach eigenem Drehbuch zu arbeiten fällt mir um ein Vielfaches leichter, weil ich dann schon länger mit den Figuren unterwegs war. «Nachts baden» ist zudem ein sehr atmosphärischer Film, und da half es auch, nach eigenem Drehbuch zu arbeiten. Denn die Entscheidung, wie Atmosphäre erzeugt werden soll, entsteht schon beim Schreiben.
Versuchen Sie, eingangs die beiden Aufgaben, schreiben und inszenieren, zu trennen, quasi das Material auf zwei verschiedenen Perspektiven zu betrachten?
Oh, nein. (lacht) Ich schreibe ja mit meinem Mann zusammen, und ich gehe seine Kommentare durch und er liest meine Kommentare über seinen Prozess – durch diesen Prozess bin ich sofort auch im "Regiemodus", wenn ich am Drehbuch sitze. Meine Funktion als Regisseurin kann ich also schon im Drehbuch entwickeln, ich könnte und wollte das auch nicht trennen. Ich bin aber davon fasziniert, dass Leute das können. Dennoch denke ich, dass mir das nicht liegen würde, selbst wenn ich es versuchen sollte: Schon beim Schreiben entstehen Bilder in meinem Kopf, ich muss stets sofort wissen, wie ich etwas inszeniere – wenn ich das Bild nicht im Kopf habe, weiß ich schon beim Schreiben, dass die Szene nicht funktioniert und ich sie überarbeiten muss.
Klar, jedem sei sein Prozess gegönnt, solange man selber damit zufrieden ist.
Zufrieden… das ist immer so eine Sache! Man reflektiert ja immer seine eigene Arbeit, man findet immer was im endgültigen Resultat, wo man denkt: "Naja, das hätte besser sein müssen." Also, zufrieden bin ich nie. (lacht)
Gibt es etwas, das die an anderen Regisseurinnen oder Regisseuren beneiden?
Ja, Susanne Bier gehört etwa dazu, sie hat ein tolles Gespür für spannende und relevante Konflikte. Ihre Geschichten sind spannend und eigenwillig, ohne dass sie sich mit ihrer Handschrift in den Vordergrund drängt. Ich finde François Ozon toll, der ist in der Komödie genauso zuhause wie im Drama, was ich eine besondere Leistung finde. Generell schiele ich gerne auf die Franzosen. Ich liebe es, wie sie auf ihre Charaktere vertrauen, diese Art des Geschichtenerzählens dient mir als Vorbild. Pedro Almodóvar ist zudem ein Regisseur, dessen Arbeit ich klasse finde, man erkennt stets seine Handschrift, allein schon anhand der Ausstattung. Generell bin ich Bewunderin von Regisseuren, die sich einen erkennbaren Stil angeeignet haben.
Wenn Sie vom eigenen Stil eines Regisseurs sprechen, meinen Sie dann allein die visuelle Handschrift?
Nein, die Regiearbeit kann man nicht auf das Bild reduzieren. Die Schauspielarbeit steht sogar im Vordergrund. Ich versuche immer, meinen Schauspielern eine entspannte, lockere Arbeitsatmosphäre zu vermitteln. Ich finde es wichtig, dass wir im Vorfeld viel proben und eine Lesung haben, dass wir zwei bis vier Tage haben, wo wir Szenen, die ich besonders wichtig finde, bis ins Detail besprechen. Es ist mir wichtig, dass ich erkläre, was ich intendiere, und die Schauspieler die Chance haben, auszudrücken, wie sie die Figuren verstehen. Das zeigt sich immer im fertigen Produkt – die Art, wie die Regie mit dem Cast umgeht und wie ein Austausch stattfindet, ist ebenso wichtig wie die Absprache mit dem Kameramann.
Erkennen Sie dank Ihrer Erfahrungen, wenn Sie sich einen Film anschauen, ob er an einem Set mit guter oder schlechter Arbeitsstimmung entstanden ist?
Nein, das zu behaupten wäre anmaßend. Aber ich bilde mir ein, zu erkennen, ob ein Regisseur intensiv mit den Schauspielern gearbeitet hat. Als Regisseurin spüre ich es am Spiel der Leute, ob sie wirklich in die Rolle gefunden haben oder rein technisch spielen.
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Gemeinhin bezweifle ich, dass nach 20 Takes plötzlich alles besser wird – das zermürbt die Leute nur und vergiftet in meinen Augen nur die Stimmung am Set. Wichtiger als viele Takes zu machen, ist es, mit den Leuten zu reden, zu proben, gemeinsam das Buch durchzugehen. Und rein praktisch gesprochen: Beim Fernsehen würde man sein Pensum auch nie schaffen, wenn man für alles 50 Takes braucht
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Ariane Zeller
Wie denken Sie von Regisseuren, die ihren Cast gezielt zermürben, etwa durch eine absurd hohe Summe an Takes pro Szene?
Ich halte davon normalerweise nichts – jeder hat seine Arbeitsweise, da will ich mich nicht einmischen, aber mir liegt dieser Ansatz nicht. Aber Ausnahmen macht jeder – auch ich habe einmal mit einer Schauspielerin über 50 Takes gebraucht, weil einfach nicht das kam, was ich mir vorgestellt habe. Aber das war nur das eine Mal. Ich wollte nicht aufgeben, also haben wir nach 50 Takes eine Stunde Pause gemacht und danach 15 Takes und es hat dann endlich funktioniert. Bei einer ganz, ganz wichtigen Szene verstehe ich, dass man nicht aufgeben will. Aber gemeinhin bezweifle ich, dass nach 20 Takes plötzlich alles besser wird – das zermürbt die Leute nur und vergiftet in meinen Augen nur die Stimmung am Set. Wichtiger als viele Takes zu machen, ist es, mit den Leuten zu reden, zu proben, gemeinsam das Buch durchzugehen. Und rein praktisch gesprochen: Beim Fernsehen würde man sein Pensum auch nie schaffen, wenn man für alles 50 Takes braucht.
Sie haben lange allein nach den Drehbüchern Anderer inszeniert. Wie kam es zum Wechsel, dass sie mittlerweile Ihre Stoffe selber entwickeln?
Ich habe sehr lange Auftragsarbeiten gemacht: Ich habe zwar im Dokumentarfilm angefangen und in dem Genre sogar eine Grimme-Preis-Nominierung erhalten. Doch als ich ins Fach mit den fiktionalen Neunzigminütern gewechselt bin, steckte ich in der Familienfilmschiene fest. Ich habe dort annähernd 20 Filme gedreht, und dennoch traute mir niemand zu, was anderes zu machen. Also musste ich es selber in die Hand nehmen. Aber auch das war ein langer, harter Prozess:
Mein Mann und ich, wir haben vor zwei Jahren zusammen «Zwei» gemacht, und der Film brauchte nicht nur eine lange Entwicklungszeit, wir mussten auch sehr viel Überzeugungsarbeit leisten. Als Film mit nur zwei Sprechrollen wurde er als Experiment wahrgenommen – dann lief er auch noch am Mittwochabend, wo er im Ersten völlig als Arthouse herausstach. Zum Glück kam er sehr gut an. Nachts baden ist auch eine atmosphärische Erzählung, die nicht so recht ins Schema passt. Bei den Filmfesten München und Ludwigshafen kam er beim Publikum sehr gut an. Wenn das auch bei der Ausstrahlung der Fall ist, fällt mir ein Stein vom Herzen – denn dann sieht es so aus, dass ich weiter diese Art Filme machen darf, die mir so viel bedeuten.
Vielen Dank für das Gespräch.
«Nachts baden» läuft am 25. September 2019 um 20.15 Uhr im Ersten.