Mit vier prominenten Serienliebhabern und -autoren hat sich One für sein serielles Quartett ein hervorragendes Panel aufgebaut. Über ein ungezwungenes, charmantes Format.
Wenn Serien, wie es heißt, die neuen Romane sind, ist ein serielles Quartett als Pendant zum literarischen eigentlich überfällig. Das hat nun auch One erkannt und lässt ab heute Abend jeden letzten Freitag im Monat «Weissensee»-Schöpferin Annette Hess, «Stromberg»-Erfinder Ralf Husmann und die bisher rein privat serienbegeisterten Kurt Krömer und Annie Hoffmann ran.
Natürlich ist dieser Vergleich zu jener legendären Literatursendung völlig vermessen (wohl deshalb scheint «Seriös» ihn nicht einmal im Scherz zu suchen): Aber wenn im deutschen Fernsehen in Viererbesetzung Kunst jedweder Art besprochen wird, drängt er sich so automatisch auf, wie ein Schlenker zu «Schwarzwaldklinik» und «Dallas», wenn man sich hierzulande über Seriengeschichte unterhält. In «Seriös» ist es nicht anders.
Will man bei diesem Vergleich bleiben, nimmt Annette Hess in dieser Sendung wohl am ehesten den Part von Marcel Reich-Ranicki ein: Professionell, verständig und meinungsstark macht sie auch vor deutlicher Kritik an den Produktionen deutscher Kollegen («Der Pass» oder «Babylon Berlin») nicht Halt, und tritt dabei mit ähnlich angenehmer Vehemenz für inhaltlich hintergründige und handwerklich gekonnte Formate ein, wie der Großmeister damals für überzeugende, einnehmende, und – wir scheuen dieses Wort nicht – unterhaltsame Literatur. Aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung als Serienschöpferin und Fernsehfilmautorin kommt sie auch beim privaten Seriengucken nicht umhin, sich die Drehbuchbesprechungen und Entscheidungswege vorzustellen, die das Endresultat auf dem Bildschirm maßgeblich bestimmt haben, wie sie in der lockeren «Seriös»-Runde ausführt. Gerne darf sie uns in künftigen Folgen noch intimer an ihren inneren Monologen auf dem Sofa teilhaben lassen.
Dass an dieser Sendung Leute gearbeitet haben, deren Seriensozialisation deckungsgleich mit der des anvisierten Publikums sein dürfte, merkt man derweil schon am Vorspann: Zu „Woke up this Morning“ fahren Hess, Husmann, Krömer und Hoffmann durch ein sommerliches Köln (statt ein trübes New Jersey), um pünktlich zur Zeile „and got yourself a gun“, im Studio angekommen, fast so cool wie Tony Soprano aus dem Wagen auszusteigen. Diese Liebe zur Serie als Medium und Kunstform setzt sich glücklicherweise bei allen vier Panelmitgliedern fort: Gerne streitbar und ohne Scheu vor unkonventionellen Meinungen verleiht nicht zuletzt ihre ungekünstelte Gesprächsführung dem Format eine angenehm lockere Atmosphäre.
Besonders viel Spaß macht «Seriös» immer dann, wenn es sich punktuell von seiner Jeder-bringt-eine-Serie-zum-Diskutieren-mit-Dramaturgie löst: Kurze, prägnante
Rants über das völlig dysfunktionale Sky-Ticket-Produkt finden dort ebenso ihren Platz wie eine differenzierte Analyse, wo die dramaturgische Ausgangslage der innovativen britischen Serie «The End of the Fucking World» ihre denklogischen Inkonsequenzen hat.
Doch – um es im Duktus von Annette Hess zu sagen: Für deutsche Serien untypisch ist bei diesem Format die Ereignisdichte etwas zu hoch. Ob beim Phänomen «Game of Thrones», den völlig unterschiedlichen Meinungen zu Ricky Gervais‘ «Derek» oder einer freimütigen Kritik am sonst vielfach gepriesenen «Babylon Berlin»: «Seriös» bleibt oberflächlicher als manch anderes Seriendiskussionsformat (etwa in Podcast-Form) und reißt eine inhaltlich tiefgreifende Diskussion oftmals nur an. Für die nächsten Ausgaben wünscht man sich: weniger Urteil, mehr Analyse – ein paar weniger Formate pro Sendung besprechen, und dafür jedes von ihnen intensiver. Angesichts des ausstrahlenden Senders dürfte es nicht weiter stören, wenn diese Sendung zum völligen Insider-Format für Serienliebhaber wird – genauso wie es «Das Literarische Quartett» damals für die Hochliteratur war.
One zeigt die erste Ausgabe von «Seriös - Das Serienquartett» am Freitag, den 27. September um 21.00 Uhr. In der Mediathek ist sie jetzt bereits verfügbar. An jedem letzten Freitag im Monat wird eine neue Ausgabe ausgestrahlt.