«After the Wedding» - Remake mit vertauschten Geschlechterrollen

Für das Remake des skandinavischen Oscar-Dramas «After the Wedding» tauscht Regisseur Bart Freundlich die Rollen. Diesmal sind es die Frauen der Familien, die in die Fänge eines geheimnisumwitterten, twistreichen Komplotts geraten.

Filmfacts: «After the Wedding»

  • Start: 17. Oktober 2019
  • Genre: Drama
  • FSK: 6
  • Laufzeit: 112 Min.
  • Kamera: Julio Macat
  • Musik: Mychael Danna
  • Buch & Regie: Bart Freundlich
  • Darsteller: Michelle Williams, Julianne Moore, Billy Crudup, Will Chase, Abby Quinn, Eisa Davis
  • OT: After the Wedding (USA 2019)
Für die dänische Regisseurin und Drehbuchautorin Susanne Bier («Serena») besitzt das Familiendrama «Nach der Hochzeit» einen ganz besonderen Stellenwert: Bei der Oscarverleihung 2007 trat ihr Film in der Kategorie „Beste fremdsprachige Produktion“ an, musste sich allerdings vom deutschen Vertreter «Das Leben der Anderen» geschlagen geben. Trotzdem verschaffte ihr die Geschichte über einen Mann, der im Rahmen einer Spendenreise mit seiner Vergangenheit konfrontiert wird, endlich die notwendige Aufmerksamkeit als Regisseurin. Heute ist die Filmemacherin aus dem internationalen Film- und Seriengeschäft nicht mehr wegzudenken und inszeniert solche Erfolgsproduktionen wie «Bird Box» für den Streamingdienst Netflix oder die preisgekrönte Serie «The Night Manager». Auch eine Neuauflage von «Nach der Hochzeit» bietet sich an; die darin verhandelten Themen sind zeitlos.

Trotzdem geht Regisseur Bart Freundlich («Wolves») für sein Remake noch einen Schritt weiter und vertauscht die (Geschlechter-)Rollen. Diesmal stehen nicht die Männer, sondern die Frauen im Vordergrund. Und wer das Original kennt, der weiß, dass sich die Tonalität dadurch um eine ganz entscheidende Nuance verschiebt.

Zwei Frauen im Zweikampf


Die Entwicklungshelferin Isabel (Michelle Williams) kämpft Tag und Nacht für die Ärmsten der Armen. Trotzdem steht das von ihr beaufsichtigte Waisenhaus in Kalkutta kurz vor der Schließung. In der reichen Theresa (Julianne Moore) findet Isabel überraschend eine großzügige Spenderin. Einzige Bedingung: Die beiden Frauen sollen sich in Theresas Heimatstadt New York persönlich kennenlernen. Für Isabel ist das ein großes Opfer, das sie für ihr Lebenswerk jedoch zu bringen gewillt ist. Doch in der US-Metropole kommt schließlich alles anders. Dort platzt sie nämlich mitten in die Hochzeitsvorbereitungen der 21-jährigen Grace (Abby Quinn), Theresas Tochter. Insbesondere Theresa selbst besteht darauf, dass Isabel bleibt und den Feierlichkeiten beiwohnt. Doch je länger sie über die Situation nachdenkt und ihr eigenes Leben rekapituliert, desto mehr wird Isabel bewusst, dass sie nicht durch Zufall an diesen Ort gekommen ist. Die Enthüllung eines Geheimnisses steht bevor, von dem Isabel gehofft hatte, es für immer bewahren zu können…



Zwar möchten wir an dieser Stelle nicht verraten, was denn nun hinter Isabels lang gehütetem Geheimnis steckt. Dafür setzt auch der ebenfalls für das Drehbuch verantwortliche Bart Freundlich zu stark auf den Aha-Effekt bei der Enthüllung desselben. Doch anders als im Original fällt ein ganz entscheidender – inszenatorischer wie erzählerischer – Faktor weg: War die von Mads Mikkelsen verkörperte Hauptfigur in «Nach der Hochzeit» noch völlig ahnungslos, wodurch sich die fast surreale Spannung schnell auch auf das Publikum übertrug, weiß Isabel deutlich schneller, was hier eigentlich gespielt wird.

Diesen neuen Ansatz musste Bart Freundlich in Kauf nehmen, als er sich entschloss, seine Geschichte aus der weiblichen Perspektive zu erzählen. Gleichzeitig gelingt es ihm trotzdem, das Publikum so lange wie möglich in einem Schwebezustand zu halten – natürlich vorausgesetzt, es kennt das Original nicht. Der Verlauf der Geschichte ist nämlich weitestgehend identisch (außer dass die spendable Theresa nicht in Dänemark, sondern in den USA lebt), wenngleich er sich bei jeder einzelnen Storywendung die Freiheit herausnimmt, Akzente zu verschieben und «After the Wedding» somit einen ganz eigenen Stempel aufzudrücken. So variiert er im Vergleich zur Vorlage nicht nur, wie die einzelnen Figuren zueinander stehen, sondern auch, wie sich ihre Schicksale im Verlauf des Films entwickeln. Das macht den Film auch für ein kundiges Publikum zu einem Erlebnis, wenn nicht ohnehin die starken Darstellerinnen und Darsteller ausreichen, um einen Kinobesuch zu rechtfertigen.

In die Rollen der Protagonistinnen schlüpfen hier nämlich die beiden Aktricen Michelle Williams («Manchester by the Sea») und Julianne Moore («Still Alice – Mein Leben ohne Gestern»), denen der auch für das Drehbuch verantwortliche Bart Freundlich die Rollen der leidenden Damen auf den Leib geschrieben hat. Leidend deshalb, weil es die Figuren erfordern: Isabel die nachdenkliche, die durch den Besuch in den USA gezwungen wird, sich mit ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen, und Theresa, die spätestens im Finale eine ähnlich spektakuläre Leistung abruft, wie im Original schon Rolf Lassgård – eine Performance, die einem in Mark und Bein überging und hier nicht minder mitreißend ausfällt. Unter den männlichen Darstellern fällt vor allem «Watchman»-Star Billy Crudup ins Auge. In der Rolle von Theresas Ehemann Oscar wirkt er in «After the Wedding» bisweilen wie ein Ruhepol, unter dessen Fassade es brodelt. Hier stellt er sogar die bisweilen ein wenig zu hysterisch agierende Sidse Babett Knudsen aus «Nach der Hochzeit» in den Schatten.

Fazit


«After the Wedding» ist vor allem aufgrund der starken Hauptdarstellerinnen eine rundum gelungene Neuauflage des dänischen Dramas «Nach der Hochzeit», die mit ihren vielen eigenen Ansätzen genauso überzeugt wie das Original.

«After the Wedding» ist ab dem 17. Oktober in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.
17.10.2019 10:00 Uhr  •  Antje Wessels Kurz-URL: qmde.de/112881