«Check. Check»: Vom Herzen her nicht doof, sondern unaufgeregt (und) originell

Eine Serie über den Alltag an einem kleinen Flughafen irgendwo im Nirgendwo voller skurriler, aber auch berührender Momente.

Cast & Crew

  • Darsteller: Klaas Heufer-Umlauf, Uwe Preuss, Doris Golpashin u.a.
  • Produzenten: Lars Jessen, Sebastian Schultz und Klaas Heufer-Umlauf
  • Regie: Lars Jessen
  • Head-Autor: Ralf Husmann
  • Produktion: Bird & Bird GmbH in Zusammenarbeit mit der Florida Entertainment GmbH
Ralf Husmann wird wohl auf ewig mit «Stromberg» verbunden bleiben. Dass nahezu immer, wenn von einem seiner anderen Projekte die Rede ist, die Serie, die ihn bundesweit so richtig bekannt gemacht hat, Erwähnung findet, ist daher auch nicht verwunderlich. Tatsächlich bietet es sich bei der Rezension von Formaten, für die er federführend verantwortlich zeichnet oder die von ihm selbst erdacht worden sind, sogar an. Denn durch den Vergleich von ebendiesen mit der Sendung rund um Bernd S. lässt sich gut zeigen, dass Husmanns Arbeiten zwar stets seine Handschrift tragen, aber dennoch keine Variation des Immergleichen darstellen.

Die jüngste ProSieben-/Joyn-Produktion bildet da keine Ausnahme: Denn nach etwa Christian Ulmen in «Dr. Psycho – Die Bösen, die Bullen, meine Frau und ich», Katrin Bauerfeind in «Frau Jordan stellt gleich» und eben Christoph Maria Herbst in «Stromberg» oder gemeinsam mit Annette Frier bei «Merz gegen Merz» ist es diesmal Klaas Heufer-Umlauf, dessen Rolle Jan Rothe im Mittelpunkt der Handlung von «Check. Check» steht, und der gleichsam als Produzent fungiert. Dass es allerdings nichts bringt, allein auf bekannte und beliebte Gesichter zu setzen, haben diverse TV-Sender bereits mehrfach erlebt.

Husmann selbst sagte einmal in einem Interview, dass es ihm beim Schreiben helfe, zu wissen, welcher Darsteller welche Rolle übernimmt. Das wird bei vielen seiner Kollegen ähnlich sein, nur Formate, auf die er als Head-Autor maßgeblich Einfluss nimmt, schaffen es seit jeher in schöner Regelmäßigkeit, dass das Publikum von diesem Umstand profitiert. Wenn ein Schauspieler nämlich einer Figur Leben einhauchen darf, die so angelegt ist, dass er optimal seine Stärken ausspielen kann, spürt das der Zuschauer. Ihm gefällt das Gesehene, weil es natürlich wirkt und eben nicht gespielt.


Wenn sich darüber hinaus dann noch Szenen so anfühlen, als wäre ihr Verlauf die logische Konsequenz, die sich aus den in ihnen auftretenden Charakteren ergibt, können sich nahezu alle Beteiligten auf die Schulter klopfen, also neben dem Drehbuchautor und den Akteuren auch der Regisseur, hier Lars Jessen, der zudem die Serie mitproduziert. Selbstredend kann das nicht immer gelingen, in «Check. Check» ist dies jedoch erfreulicherweise eher Regel denn Ausnahme. Dies bedeutet im Umkehrschluss aber nicht, dass sich Ereignis an Ereignis reiht. Und der Begriff „Comedyserie“ könnte bei dem einen oder anderen ebenfalls zu einer falschen Erwartungshaltung führen, denn auf große Gagfeuerwerke wird verzichtet. Dies macht eine solche Produktion sicherlich einerseits etwas weniger „mainstreamig“, weil das Erzähltempo gleichzeitig recht ruhig ist.

Andererseits erscheint die Serie auf diese Weise auf eine seltsame Art lebensnäher und authentischer – trotz all der „speziellen“ Charaktere – und damit im Grunde massenkompatibler. Dies liegt vor allem daran, dass das fiktive Simmering beziehungsweise der Simmering Airport so wunderbar das ländliche Leben fernab von aller Großstadthektik verkörpert. Aus ebenjenem Städtchen stammt Jan Rothe, der eigentlich nur kurz in seinem „richtigen“ Zuhause vorbeischauen und seinen Vater Udo (Uwe Preuss) besuchen will. Schnell stellt er jedoch fest, dass es Herr Rothe senior aktuell so gar nicht gutgeht, bis er sich schließlich eingestehen muss, dass sein Vater an Demenz erkrankt ist.

Nun ist der Protagonist, der einst voller Ideen in die weite Welt aufgebrochen ist, aber aktuell nicht sonderlich flüssig, weshalb er seine Pläne vom eigenen Algen-Burger-Unternehmen vorerst auf Eis legen und sich einen Job suchen muss. Denn sein alter Herr hat Vorrang und ihn in einem Heim unterzubringen, wäre nicht gerade billig. Daher stellt er sich bei seiner ersten großen Liebe Sabine (Doris Golpashin) vor, die besagten Kleinstflughafen leitet. Jan wird eingestellt und trifft kurz danach auf seine neuen Kollegen: Die herzensgute Ingrid (Petra Kleinert), die ihn seit Kindertagen kennt, seinen ehemaligen Mitschüler Ertu (Kailas Mahadevan) sowie den überkorrekten und deshalb nicht ganz unkomplizierten Harald (Jan Georg Schütte). Von nun an soll Jan sich gemeinsam mit dem Trio darum kümmern, dass am Security-Check alles reibungslos abläuft – bei maximal einer Maschine am Tag möchte man meinen, das sei überhaupt kein Problem, jedoch weit gefehlt: Am Drehkreuz zur Welt, wie auf einem Plakat zu lesen ist, wird die Truppe täglich auf unterschiedlichste Weise gefordert. Die größte Herausforderung für Jan Rothe besteht allerdings in der Beantwortung der Frage, wie es mit seinem Leben weitergehen soll und ob ein vermeintlicher Schritt zurück nicht vielleicht ein riesiger nach vorne sein kann.

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Settings sind wichtig, für eine Serie wahrscheinlich sogar noch wichtiger als für Filme, da man Minimum einen Schauplatz braucht, an dem die Hauptfiguren immer wieder aufeinandertreffen, ohne dass man großartig erklären müsste, warum. Und am besten ist es selbstredend, wenn es sich um einen handelt, wo auch unterschiedlichste Menschen einander begegnen können. Hotels, Schulen, Gefängnisse, Krankenhäuser oder Kreuzfahrtschiffe etwa. Ja, alles schon gesehen, einen Flughafen jedoch vermutlich nicht. Dabei ist die Idee so naheliegend und genial: Schon nach der ersten Folge hat man das Gefühl, dass hier nahezu alles passieren kann – und das noch nicht einmal grundlos.

Gedreht wurde (bei laufendem Betrieb) in Nordhessen am Flughafen Kassel-Calden, was es für die Zuschauer noch leichter macht, sich mit Klaas & Co. auf diese Reise zu begeben. Studio ist eben Studio und eine echte Location eine echte Location. Diese bildet zudem das Fundament, das es braucht, damit überzeichnete Charaktere von der Zuschauerschaft nicht nur angenommen, sondern sogar schnell ins Herz geschlossen werden können. Die bewusste Entscheidung für ein Ensemble von überschaubarer Größe spielt in diesem Zusammenhang ebenfalls eine nicht zu unterschätzende Rolle. Im Piloten, dessen erste zehn bis 13 Minuten zugegebenermaßen noch etwas langatmig daherkommen, lernt man im Prinzip alle kennen, auf die es ankommt. Und weil eine Auftaktfolge eben immer diese – aus Sicht eines Autors oftmals fast lästige – Pflicht zu erfüllen hat, kann man ihr auch die Zeit, die sie benötigt, um den Couch-Kinogängern einen Eindruck vom großen Ganzen zu vermitteln, zugestehen.

Nach der kurzen „Orientierungsphase“ weiß das Format aber, was es sein will, und bleibt sich treu: Die Komik ist eine, die, sich wie schon angedeutet, stets aus der jeweiligen Situation ergibt und deren Qualität oftmals viel mit der schauspielerischen Qualität der Darsteller und deren Gespür für Timing zu tun hat. Petra Kleinerts Ingrid zum Beispiel ist vor allem deshalb so liebenswert, weil ihre Schusseligkeit uns nicht konsequent mit dem Holzhammer vermittelt wird, sondern sich auf ausgewählte Highlightmomente beschränkt. Kailas Mahadevans Ertu ist sicher nicht die hellste Kerze auf der Torte und meist etwas begriffsstutzig, hat aber das Herz am rechten Fleck. Außerdem passt er natürlich – typisch großer Bruder – auf seine „kleine“ Schwester Samira (Sara Fazilat) auf. Diese hat ein Auge auf Jan geworfen und geht bei ihren „Annäherungsversuchen“ recht offensiv vor. Obwohl sie, die Zuständige für das leibliche Wohl und den Duty-free-Shop, keine Flugreisenden kontrolliert, gehört sie doch zur kleinen Airport-Familie und ist – in ihrer Rolle – ein Garant für ungewollt komische Zitate (wie zum Beispiel für dasjenige, das Pate für den Titel dieses Beitrags stand).

Jan Georg Schüttes Harald toppt sie jedoch alle mit seiner Leidenschaft für Regeln, seiner Unfähigkeit, fünfe gerade sein zu lassen sowie seinen insgesamt recht „eigenwilligen“ Ansichten, und das Beste dabei: Er meint alles exakt so, wie er es sagt. Da werden schon einmal Hasen zum Feind erklärt und der Rucksack eines kleinen Mädchens zur potenziellen Bombe, aber jedes Wort mehr wäre zu viel, denn Harald muss man erlebt haben, um wirklich zu begreifen, weshalb er mit Abstand der vielversprechendste Anwärter auf die «Check. Check»-Kultcharakter-Krone ist. Doris Golpashin hingegen fungiert als eine Art Regulativ, denn ihre Figur ist so ziemlich alles außer witzig. Gleichzeitig ist sie vor allem für Jan alias Klaas ein toller Sparringspartner – dass die beiden auch im realen Leben liiert sind, schadet in solchen Situationen sicher nicht.

Überhaupt Klaas: Seine Kritiker könnten dem Moderator von «Late Night Berlin» und „Gemeinsam-mit-Joko-gegen-alles-und-jeden-Antreter“ leicht vorwerfen, er spiele sich selbst – zumal er in seiner Eigenschaft als Produzent selbstredend mehr in den Entstehungsprozess involviert ist als ein einfacher Schauspieler. Tatsächlich ist Jan mit seiner sympathischen Schnodderigkeit und dem eher trockenen Humor recht nahe an der Bühnen-Persona, die Heufer-Umlaufs Publikum seit vielen Jahren kennt. Nun ist es allerdings so, dass eine Figur dieser Prägung eine ideale Ergänzung des Flughafen-Teams darstellt. Und überdies sollte man nicht vergessen, wie viele Medienschaffende, die keine gelernten Schauspieler sind, bei dem Versuch, in Filmen oder Serien zu glänzen, gnadenlos gescheitert sind. Denn in diesem entscheidenden Punkt unterscheidet sich Klaas von seinen „ausgebildeten“ Kollegen nicht: er trägt ebenfalls keinen Text vor, sondern unterhält sich, streitet oder flachst, ohne dass es auch nur im Ansatz aufgesetzt wirkt. Wem das immer noch nicht genügt, für den hat «Check. Check» etwas auf den ersten Blick Unerwartetes, auf den zweiten sich jedoch eigentlich wunderbar in das Gesamtkonstrukt Einfügendes zu bieten: Ernsthaftigkeit.

Zugegeben, auch bei Ralf Husmanns «Merz gegen Merz» leidet der Vater der von Annette Frier verkörperten Protagonistin an Demenz, aber a sind die betroffenen Charaktere so unterschiedlich, dass deren Geschichten einen deutlich anderen Verlauf nehmen und b ist es ein wichtiges Thema unserer Zeit, das es daher bestens „verträgt“, zweimal fiktional aufbereitet und dabei nicht ins Lächerliche gezogen zu werden. In der ProSieben-/Joyn-Produktion muss sich Udo Rothe irgendwann eingestehen, nicht mehr alleine zurechtzukommen. Wie Uwe Preuss diese Stimmungswechsel spielt und wie er uns allein durch Blicke oder den verzweifelten Klang seiner Stimme mitleiden lässt, ist schlicht ungemein sehenswert. Und in diesen zum Teil sehr emotionalen Vater-Sohn-Momenten versteht es Klaas Heufer-Umlauf eben auch, von ihm eher seltener zu sehende, ruhigere Töne anzuschlagen.

Insbesondere diese Wechsel zwischen lustig und berührend in Verbindung mit dieser skurrilen und gleichsam geerdeteten Truppe sind es, die diese Serie über einen winzigen Flughafen irgendwo im Nirgendwo nicht belanglos daherkommen lassen, sondern einem die Möglichkeit eröffnen, sich sozusagen auf eine unaufgeregt-originelle Weise unterhalten zu lassen – und das ist im Zeitalter der Reizüberflutung durchaus eine Leistung.

«Check. Check» steht ab dem 21. Oktober kostenlos auf Joyn zum Abruf bereit und die Ausstrahlung auf ProSieben ist für 2020 geplant.

Diese Besprechung entstand auf Grundlage der im Vorfeld von Senderseite zur Verfügung gestellten Episoden 1, 2, 4 und 5.

19.10.2019 12:00 Uhr  •  Florian Kaiser Kurz-URL: qmde.de/112998