Die Kritiker: «Die Schattenfreundin»

Auf einem Spielplatz verschwindet ein Kind, und Schuld hat irgendwie auch seine faktisch alleinerziehende überforderte Mutter. Ein Film mit einer kruden Logik.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Miriam Stein als Kathrin Ortrup
Harald Krassnitzer als Franz Siebmacher
Britta Hammelstein als Tanja
Golo Euler als Thomas Ortrup
Jule Ronstedt als Charlotte Schneidmann
David Grüttner als Leo Ortrup
Helmut Berger als Margarete

Hinter der Kamera:
Produktion: Network Movie Film- und Fernsehproduktion GmbH
Drehbuch: Birgit Maiwald
nach dem gleichnamigen Roman von Christine Drews
Regie: Michael Schneider
Kamera: Andreas Zickgraf
Produzenten: Wolfgang Cimera und Bettina Wente
Es ist mitunter erschreckend, dass öffentlich-rechtliche Fernsehfilme alleinerziehende Mütter nur im Zustand der ständigen emotionalen und organisatorischen Überforderung zeigen können. So wie die Gynäkologin Kathrin Ortrup (Miriam Stein), die mit ihrem achtjährigen Sohn kürzlich in ihre Bonner Heimat zu ihrem Vater Franz (Harald Krassnitzer) gezogen ist. Ihr Mann Thomas (Golo Euler) wird beruflich noch die nächsten Monate in Frankfurt festhängen und kann deshalb nur an den Wochenenden nach NRW tingeln.

Also bleibt alles an Kathrin hängen: die umfangreiche Tätigkeit in der Gemeinschaftspraxis mit ihrem Vater, der nach einem Herzinfarkt nicht mehr so kann wie früher, und die Auslastung, nebenher noch de facto allein für ein Kind zu sorgen. Da ist man froh, wenn man eine Verbündete findet: im vorliegenden Fall in Form von Tanja (Bettina Hammelstein), die sich auf dem Spielplatz zu ihr auf die Parkbank setzt und ein nettes, ungezwungenes Gespräch mit ihr beginnt.

Als Kathrin einmal dringend in den OP gerufen wird, Sohn Leo den Spielplatz aber ums Verrecken nicht verlassen will, bietet sich Tanja als Aufpasserin an. Die gestresste Ärztin nimmt das Angebot dankbar an, operiert ein bisschen – und als sie zurückkehrt, sind weder Sohn noch Tanja da. Noch schlimmer: Niemand der anderen Eltern auf dem Spielplatz kennt diese Frau, noch ist sie Mutter eines der Kinder, die dort spielen.

Mit dem Eintreffen der Polizei und des ansonsten abwesenden Ehemannes, der nun auf seine Rechte als Vater pocht und Erklärungen verlangt, beginnt für Kathrin die Zeit der Demütigungen. Kleinere erzieherische Nachlässigkeiten oder eher erheiternde Bagatellen werden von der Kommissarin zu elterlichen Verfehlungen hochstilisiert, ein altes und (zumindest weitgehend) überwundenes Burnout-Syndrom hervorgekramt, um sie als überforderte Mutter hinzustellen. Ein Duktus, dem auch der Film ein Stück weit folgt: Die Bilder der pill-popping Mom scheinen zu verführerisch.

Gleichzeitig bleibt das nicht die einzige Spielwiese dieses Films, der sein dramaturgisches Rückgrat aus den Motiven der seltsamen Entführerin ziehen will – die wiederum in vorhersehbarer Weise mit einer alten Schuld von Kathrins Familie zusammenhängen. Welcher Hintergrund böte sich da besser an als der alte Abtreibungsarzt, der Helmut Berger im Vorzimmer sitzen hat?

Weil dieser Film weder als konsequent erzählter Thriller noch als einnehmendes emotionales Drama überzeugen kann, scheitert er letztlich an beiden Fronten – und hinterlässt den fahlen Nachgeschmack, nur als weiteres Beispiel für die gesellschaftsklitternde Parabel auf die überforderte alleinerziehende Mutter zu funktionieren, die sich zwischen Kindergartenabholung und transvaginalem Ultraschall im Auto ein paar Tabletten hinter die Binde kippen muss, um dieses Pensum noch irgendwie durchzustehen. Den genauen Kontrapunkt zu dieser bräsigen Figurenzeichnung markieren derweil Miriam Steins betont zurückhaltendes und angenehm reduziertes Spiel sowie Harald Krassnitzers beeindruckendes Talent, auch die abstruseren Charakterwandlungen seiner Figur noch irgendwie glaubhaft darzustellen. Beiden Darstellern wünscht man für ihr nächstes gemeinsames Projekt ein besseres Drehbuch – und am besten noch Figuren, bei denen sie ihren leichten österreichischen Einschlag nicht mehr kaschieren müssen.

Das ZDF zeigt «Die Schattenfreundin» am Montag, den 28. Oktober um 20.15 Uhr.
28.10.2019 11:29 Uhr  •  Julian Miller Kurz-URL: qmde.de/113222