Popcorn und Rollenwechsel: Was Elizabeth Banks wirklich über «3 Engel für Charlie» gesagt hat

Ein neuer Tag, eine neue Welle an Menschen, die sich im Internet aufregen, obwohl es keinen Grund dazu gibt.

Social Media kann anstrengend sein. Und nervig. Und ein Brandbeschleuniger für Fehlinformationen. Das gilt für große, weltbewegende Themen wie auch für vermeintlich triviale Dinge wie "Was haben Filmschaffende so über ihre Arbeit gesagt?" Aktuell führt etwa das Thema «3 Engel für Charlie» erschreckend vor, wie weit sich Fehlinformationen oder bewusst irreführend formulierte Zusammenfassungen verbreiten lassen. Für die, die es nicht mitbekommen haben: Der von Elizabeth Banks inszenierte und geschriebene Actionfilm «3 Engel für Charlie» mit Kristen Stewart, Naomi Scott und Ella Balinska in den Hauptrollen startete mit bloß 8,6 Millionen Dollar an den US-Kassen. Sofern das internationale Publikum den Film nicht rettet (in Deutschland startet er erst am 2. Januar 2020), wird «3 Engel für Charlie» wohl ein Flop.

Seit diese Wochenendzahlen bekannt wurden, machen eine Vielzahl an Tweets die Runde, laut denen Elizabeth Banks wütend auf diesen Misserfolg ist und Männern die Schuld daran gibt:

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Solche Tweets gibt es noch und nöcher, hinzu kommen die zahlreichen, meistens zustimmenden und sich über Banks aufregenden Antworten. Und so macht auf Social Media der Eindruck die Runde, dass Elizabeth Banks gesehen hat, wie ihr Film an den Kinokassen untergeht und dann … Äh, keine Ahnung. Das Telefon in die Hand nahm und hysterisch Journalisten angerufen hat, um ihnen zu sagen, sie dürfen gerne veröffentlichen, dass sie findet, dass Männer scheiße sind und dafür gesorgt haben, dass «3 Engel für Charlie» floppt? Tja, da reden sich Leute etwas ein, das sie offenbar gerne glauben wollen. Denn nicht nur, dass das Banks-Zitat aus dem Kontext gerissen wurde, es ist obendrein keine Nach-dem-Flop-Schimpftirade, sondern eine Vor-dem-Flop-Einschätzung dessen, was in der Filmindustrie vor sich geht.

Fehlzitiert wird nämlich ein Interview, das Elizabeth Banks vor dem «3 Engel für Charlie»-Start der 'Herald Sun' gegeben hat. Darin erklärt die Regisseurin, Autorin, Produzentin und Schauspielerin, dass leider viel Last auf den Schultern dieses Filmes ruht: "Dieser Film muss Profit machen. Sonst wird dieser Glaube in Hollywood bestätigt, Männer würden es nicht sehen wollen, wenn Frauen Actionfilme machen." Banks sagt also nicht, dass sie der Überzeugung ist, dass sich Männer keine Actionfilme mit Frauen anschauen – sondern dass die Geldgeber in Hollywood diesen Irrglauben haben und dass sie daher hofft, dass ihr Film ein Hit wird. Das würde an diesem Hollywoodmärchen nagen.

Banks zieht sich diese Behauptung auch nicht aus der Nase: Im Vorfeld von «Wonder Woman» und «Captain Marvel» wurde beispielsweise schon intensiv darüber berichtet, dass ranghöhere Manager in Hollywood große Zweifel daran hatten, dass ein Superheldinnenfilm funktionieren könnte. Als Begründung wurden von ihnen Flops wie «Catwoman» herangezogen – ignorierend, dass es ja auch einige Superheldenflops gibt. Generell liegen deutlich weniger Actionfilme mit Heldinnen vor als Actionfilme mit Helden – da manche Finanziers in Hollywood glauben, dass an frauenzentrischen Actionfilmen weniger Interesse bestehen würde. Die Gegenbeispiele, die der wütende Mob in Richtung Elizabeth Banks brüllt, müssen sie also gar nicht in Richtung Elizabeth Banks brüllen. Sie würde ihm nämlich womöglich zustimmen, dass beispielsweise «Terminator 2 – Tag der Abrechnung» Hollywood eine Lektion hätte sein sollen, Linda Hamilton mehr Actionrollen zu geben.

«Wonder Woman» und «Captain Marvel» genügen laut Banks übrigens nicht als Gegenargument zum Hollywood-Irrglauben, dass Actionfilme mit (und von) Frauen keine Hits werden können – und auch daher hat sie gehofft, dass «3 Engel für Charlie» zum Erfolg wird. Die beiden Superheldinnenfilme werden Banks' Auffassung nach nämlich als Teil eines "männlichen Genres" wahrgenommen: "Diese Filme sind zwar über Frauen, aber sie dienen dem Ausbau einer größeren Comicwelt – also, ja, Leute schauen «Wonder Woman», aber halt, weil andere Figuren eingeführt oder «Justice League» vorbereitet wird." Banks mag in diesem speziellen Fall den Faktor unterschätzen, welches soziokulturelles Phänomen «Wonder Woman» in den USA war (wo er ja auch deutlich mehr Erfolg hatte als «Justice League»), aber überträgt man diese These ins Marvel Cinematic Universe, liegt ihr schon ein größeres Körnchen Wahrheit inne.

Den ihr in vielen Tweets unterstellten Neid empfindet Banks übrigens nicht: "Ich bin sehr froh, dass diese Figuren Erfolg an der Kinokasse haben", betont sie im Interview mit 'Harold Sun'. "Aber wir müssen noch mehr weibliche Stimmen mit unseren Ticketkäufen unterstützen, denn Geld bringt dir Macht in Hollywood." Banks sagt praktisch nur aus: Hey, ihr denkt, dass Frauen in Hollywood nun, nach «Wonder Woman» und «Captain Marvel», gleichberechtigt sind? Fehlanzeige, wir müssen uns noch immer beweisen, und sollte mein Film ein Hit werden, wäre ein weiterer Schritt getan.

Aber: Wieso sollte man als Internetuser mitdenken, wenn man auch mit einer Hand in der Nase popeln und mit der anderen angesäuerte Tweets verfassen kann? Warum überlegen, was jemand meinen könnte, wenn man auch direkt beleidigt sein kann?

Ach, und das Zitat über Spider-Man, das Banks zur Last gelegt wird? Natürlich wurde auch das irreführend dargestellt. Nein, Banks rennt jetzt nicht kopfschüttelnd und mit den Füßen stampfend durch Hollywood, ihren Misserfolg schlecht verarbeitend, und Männern vorwerfend, dass sie ja 37 Spider-Man-Versionen haben, und man ihr nicht einen neuen «3 Engel für Charlie»-Film gönnen würde. Dieser Zitateschnipsel fiel gegenüber 'Wall Street Journal' und klingt im Kontext ganz anders. Sie reagiert auch nicht auf den Misserfolg ihres Films, denn auch dieser Artikel erschien vorher. Sie geht auf die Kritik mancher Leute ein, ein neuer «3 Engel für Charlie»-Film sei überflüssig: "Ihr hattet 37 Spider-Man, und habt euch nicht beschwert. Frauen werden dann ja wohl ein, zwei Action-Franchises in 17 Jahren haben dürfen." Banks scheint die vielen "Nicht schon wieder ein Spider-Man!"-Stimmen nicht mitbekommen zu haben, die vor jedem Neustart aufploppen – dennoch hat sie im Kern recht: Wer einen neuen «Spider-Man»-Film dulden kann, kann ja wohl auch einen neuen «3 Engel für Charlie»-Film dulden.

Ach, und noch was: Anders, als es viele grantige Typen einen glauben lassen wollen, kommt Banks mit dem Misserfolg ihres Films erstaunlich gut klar. Denn das hier hat sie nach dem US-Start in den Äther getwittert:



Also, wenn ihr das nächste Mal seht, dass jemand eine Interviewaussage zitiert, die euch wütend macht – vielleicht solltet ihr euch die Mühe machen, dem Zitat bis zur Quelle zu folgen. Das schont unser aller Nerven.
20.11.2019 11:20 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/113782