Für Uli Edel ist das dreistündige TV-Epos «Der Club der singenden Metzger» eine sehr persönliche Geschichte, die obendrein vom heutigen politischen Klima beeinflusst ist. Inwiefern, das verrät er uns im Interview.
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Ursprünglich wollte ich in Kanada drehen, im Grenzland von North Dakota, dem hauptsächlichen Schauplatz der Geschichte. Aus finanziellen Gründen wurde es dann aber doch Kroatien – was schon oft für Amerika herhalten musste.
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Uli Edel
Wie sind Sie zur Verfilmung von «Der Club der singenden Metzger» dazugestoßen?
Letztes Jahr auf der Berlinale sagte mir Doris (Doerrie), sie habe ein Drehbuch für mich, «Der Club der singenden Metzger». Ich liebte die Romanvorlage von Louise Erdrich. Doris wollte das Drehbuch, das sie zusammen mit Ruth Stadler geschrieben hatte, zuerst selbst verfilmen. Ich war ganz überrascht, als sie mich fragte, ob ich das nicht lieber inszenieren will. Es war ein zweiteiliges, dreistündiges Epos und sie selbst inszeniere lieber ihre persönlichen kleineren Filme. Ich liebte das Drehbuch und sagte zu.
Ursprünglich wollte ich in Kanada drehen, im Grenzland von North Dakota, dem hauptsächlichen Schauplatz der Geschichte. Aus finanziellen Gründen wurde es dann aber doch Kroatien – was schon oft für Amerika herhalten musste, denken sie nur an «Winnetou» … (lacht)
Es ist durchaus ungewöhnlich, dass Das Erste im Weihnachtsprogramm einen Dreistünder zeigt – ein Zweiteiler wäre da üblicher …
Die Entscheidung, beide Teile an nur einem Abend zu zeigen, wurde erst nach der Abnahme durch die ARD getroffen. Und ich bin sehr froh darüber. Beide Teile sind nicht etwa zwei getrennte Episoden, sondern eine durchgehende Geschichte, die jetzt als ein einziger epischer Film gesehen werden kann. Mir war es wichtig, sehr ins Detail zu gehen. Das liegt sicher auch an meiner eigenen Biografie. Auch ich bin, wie unsere Hauptfigur, der junge Metzgermeister Fidelis Waldvogel, vor langer Zeit in die USA ausgewandert, und daher konnte ich dieses Gefühle, was es bedeutet, seine alte Heimat hinter sich zu lassen und sich einen neuen Platz in einer anderen Welt zu suchen, gut nachfühlen. Ich habe versucht, diese Erfahrungen in den Film mit einfließen zu lassen.
Da wir von der langen Laufzeit des Films sprechen: Wo positionieren Sie sich in der Debatte, ob das Publikum immer ungeduldiger wird oder aber sich immer mehr an lange Geschichten gewöhnt? Beides wird ja mit gleicher Intensität behauptet …
Ich denk, wenn es eine interessante Story ist, in der es genug Erzählenswertes gibt, voller schillernder Charaktere, mit denen ich mich identifizieren kann, dann kann doch die Geschichte doch gar nicht lang genug sein. Sehen sie sich «Game of Thrones» an. Seit Jahren fiebern rund um die Welt die Fans auf die nächste Folge, die nächste Staffel hin.
Meine Kinder, die jetzt schon etwas älter sind, haben sich schon in ihrer Jugend mit Freunden getroffen, um oft zehn Stunden lang begeistert Serien zu gucken. Am liebsten das ganze Wochenende durch. Auf diese Weise verschlangen Sie konnten komplette Staffeln oft in wenigen Tagen. Auf eine Weise sehen sie heute Serien, wie wir Bücher gelesen haben. Man kann ein Kapitel lesen, oder auch zwei oder drei, legt das Buch weg, geht mit der Geschichte im Kopf einige Zeit schwanger, liest Tag darauf zwei, drei weitere Kapitel und so weiter, bis man das ganze Buch verschlungen hatte.
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Meine Frau kannte diese Stadt vorher kaum – sie ist jetzt aber ein solcher Berlin-Fan geworden, dass wir immer weniger in die Staaten zurückgeflogen sind. Für sie als Afro-Amerikanerin hat sich das Bild ihres Heimatlandes Amerika innerhalb weniger Jahre mit dem Rassisten Trump als Präsidenten radikal verändert. Da hat sie mit dem liberalen Berlin so etwas wie eine neue Heimat gefunden.
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Uli Edel
Was mir beim Anschauen von «Der Club der singenden Metzger» durch den Kopf ging: Die Geschichte ist sehr von der Tagespolitik abhängig. In den 1990er-Jahren hätte ich den Stoff noch als historische Erzählung vom American Dream betrachtet. Jetzt dagegen ist es für mich eine Mischung aus "Früher haben die Leute von Amerika geträumt" und "Flüchtlingskritiker, vergesst nicht, wie es euren (Ur-)Großeltern erging" …
Das ist richtig! Ich lebe ja seit 30 Jahren in den Staaten und bin auch mit einer Amerikanerin verheiratet. Vor drei Jahren haben wir uns wieder eine Wohnung in Berlin gekauft, und lebten während der Arbeit an diesem Film meist in Berlin.
Meine Frau kannte diese Stadt vorher kaum – sie ist jetzt aber ein solcher Berlin-Fan geworden, dass wir immer weniger in die Staaten zurückgeflogen sind. Für sie als Afro-Amerikanerin hat sich das Bild ihres Heimatlandes Amerika innerhalb weniger Jahre mit dem Rassisten Trump als Präsidenten radikal verändert. Da hat sie mit dem liberalen Berlin so etwas wie eine neue Heimat gefunden. Und ich glaube, dass auch mich das unterbewusst beeinflusst hat, wie ich diese Geschichte erzähle.
Inwiefern?
Seit 2015 ist die Migration nach Europa Thema Nummer eins geworden und Europa droht daran zu zerbrechen. Der Brexit zum Beispiel wäre in England ohne dieses Problem überhaupt kein Thema. Daher denke ich, vor 2015 hätte man diesen Film sicherlich anders gesehen als jetzt. Es waren Deutsche, die damals vor Armut und Not geflohen sind und ihr Glück in dieser ihnen fremden Welt Amerika gesucht haben.
Als ich die Geschichte zum ersten Mal las, hatte ich schnell das Gefühl, mit diesen Menschen sehr vertraut zu sein. Ich komme aus einem ähnlichen Umfeld wie der junge Metzgermeister, den Jonas Nay darstellt, bin in einer ähnlichen Familie aufgewachsen. Allerdings ging’s uns bedeutend besser, wir hatten immerhin einen stattlicher Bauernhof mit sechs Milchkühen im Stall (lacht).
Nein, ganz im Ernst, meine Identifikation mit diesem Stoff ist sehr eng. Und ich wünsche mir, dass sich dieses Gefühl auch ein wenig auf den Zuschauer überträgt.
Vielen Dank für das Gespräch.
«Der Club der singenden Metzger» ist am 27. Dezember 2019 ab 20.15 Uhr im Ersten zu sehen.