«Little Joe – Glück ist ein Geschäft»: Sieht hübsch aus, kann aber nicht viel
Dieser englischsprachige Sci-Fi-Film aus Österreich ist eine blumige Versuchsanordnung ...
Filmfacts: «Little Joe – Glück ist ein Geschäft»
Regie: Jessica Hausner
Drehbuch: Géraldine Bajard, Jessica Hausner
Produktion: Bertrand Faivre, Martin Gschlacht, Jessica Hausner, Gerardine O'Flynn, Bruno Wagner
Cast: Emily Beecham, Ben Whishaw, Kerry Fox, David Wilmot, Leanne Best, Lindsay Duncan, Sebastian Hülk, Goran Kostic, Kit Connor, Jason Cloud
Kamera: Martin Gschlacht
Schnitt: Karina Ressler
Länge: 106 Minuten
FSK: ab 12 Jahren
Die österreichische Regisseurin und Autorin Jessica Hausner wagt sich mit «Little Joe – Glück ist ein Geschäft» in neue Gefilde vor: Die Filmemacherin, die 2014 international mit ihrem visuell glänzenden, inhaltlich schweren Suiziddrama «Amour Fou» für Furore sorgte, liefert mit diesem Arthouse-Sci-Fi-Thriller/Psychodrama ihren ersten englischsprachigen Film ab. Nachdem «Little Joe» unter anderem auf den prestigeträchtigen Internationalen Filmfestspielen von Cannes lief, aber auch auf dem nischigen Fantasy Filmfest, kommt dieser kopflastige Gewächshausgrusel in arg limitierter Kopienzahl, aber regulär in die deutschen Kinos. Für Fans des schleichenden, leisen Schauerkinos und bildhübscher, subtil durchkomponierter Farbästhetik ist «Little Joe» auch durchaus einen vorsichtigen Blick wert. Doch da weder die Geschichte je so wirklich Fahrt aufnimmt, noch der gesellschaftliche Kommentar nennenswert Biss entwickelt, bleibt «Little Joe» nur ein interessantes Kuriosum der österreichischen Filmbranche …
Die Gentechnikerin und alleinerziehende Mutter Alice (Emily Beecham) hat eine neuartige Blume entwickelt: Spicht man ihr gut zu, verströmt sie einen Duft, der bedingungslos glücklich macht. Jedoch ist die Little Joe genannte Pflanze steril. Für Alices Arbeitgeber ist das aber vielleicht sogar ein Pluspunkt, heißt das doch, dass Leute sich ihren Little Joe kaufen müssen – Selbstzüchtung unmöglich. Little Joe ist wohlgemerkt noch nicht ganz ausgereift, und als Alice entgegen der Firmenpolitik eine dieser Pflanzen als Geschenk für ihren Sohn Joe mit nach Hause nimmt, geschehen sonderbare Dinge: Alle, die in Kontakt mit der Pflanze kommen, scheinen charakterliche Änderungen durchzumachen.
Sind Alices Kreationen etwa nicht so harmlos sind, wie geglaubt? Oder bildet sich Alice das nur ein? Ihre Psychiaterin (Lindsay Duncan) weiß keine Abhilfe, dennoch wirkt ihr geschätzter Arbeitskollege Chris (Ben Whishaw) wie ausgewechselt …
Bild- und klangästhetisch ist «Little Joe» wirklich ein bemerkenswerter Film: Hausner schafft eine bewusst gekünstelte, das Publikum vom Geschehen entrückende Bildsprache. Die Kamera nimmt oftmals eine entfernte, starre Beobachterposition ein, was im Zusammenspiel mit den entschleunigten Dialogen und der niedrig getakteten Schnittarbeit das Gefühl erweckt, wir würden hier geduldig einer Versuchsanordnung beiwohnen. Dieser schleichende Erzählprozess (ob es nun langsam brodelnde Spannung ist oder "Gras beim Wachsen zuschauen"-Langeweile, dürfte sehr stark davon abhängen, ob man gleich zu Beginn auf die Wellenlänge von «Little Joe» findet) wird durch ein hübsches, minutiös durchgeplantes Produktiondesign versüßt:
Kostümbildnerin Tanja Hausner und Szenenbildnerin Katharina Wöppermann hüllen die Welt von «Little Joe» in stark entsättigte Farben, gleichzeitig setzen sie aber auf ein kunstvoll-breit gefächertes Farbspektrum wie es uns in der freien Wildbahn nur höchst selten begegnen dürfte: Als wäre dies ein lebendig gewordenes Malbuch, laufen Erwachsene Ton-in-Ton, von Kopf bis Fuß in Ocker, Orange, Minzgrün oder Zartrosa herum, sind ganze Wandflächen konturlos in Pink, Blau, Grün oder sonstwas gehalten, und so weiter … Nur, dass von einem stets kräftigen Rot abgesehen alle Farben klinisch-blass gefiltert sind. Diese wilde Mixtur aus wuchtigen Elementen (das Farbspektrum) und zurückhaltender Umsetzung (die Sättigung der Farbe) spiegelt sich auch akustisch wider:
Hausner nutzt eine exzentrische Klangtapete des schon 1982 verstorbenen Avantgarde-Komponisten Teiji Ito, die aus sporadischem, plötzlichem Rasseln, Pumpen und Schrammeln besteht sowie aus metallischem Gejaule. Ansonsten gibt es in «Little Joe» wenig zu hören, auch der Dialog ist sanft abgemischt und die weitere Geräuschkulisse besteht, wenn überhaupt, aus einem sanften Surren.
So beeindruckend-konsequent Hausner diese inszenatorischen Grundideen in «Little Joe» auch durchsetzt: Vielleicht hätte es «Little Joe» gut getan, selbst bei nur 105 Minuten Laufzeit etwas gestutzt zu werden. Denn abgesehen von einer wundervollen Emily Beecham («Hail, Caesar!») und einem sich subtil, doch deutlich wandelnden Ben Whishaw («Skyfall») hat der Cast so seine Probleme, den unterkühlten, mikroaggressiven Tonfall zu treffen, nach dem Hausner zu streben scheint. Daher lässt sich das "Ist es Einbildung oder hat Alice tatsächlich eine Pflanze mit gefährlichem Willen entwickelt?"-Raten sehr schnell durchschauen – Hausner lässt dem Publikum bei ihrer ruhigen Erzählweise ja auch ausreichend Zeit, das Für und Wider abzuwägen. Erschwerend kommt noch hinzu, dass sogleich mehrere Figuren durch das Geschehen wuseln, die es mundfertig für das Publikum interpretieren
Es wird in «Little Joe» letztlich mehr darüber gesprochen, was das Ganze zu bedeuten hat, als dass Hausner Zeit dafür aufwendet, damit etwas zu sagen. Dabei sind die Knospen für nachhallende Kommentare über herrisches Verhalten und künstlichen Selbstoptimierungsdruck doch vorhanden – man hätte sie nur Blüten treiben lassen sollen. Das Suspense-Element und der Gesellschaftskommentar (der ja gemäß des Genrenaturells jedem Sci-Fi-Film innewohnt, egal, wie Low-Fi das Zukunftselement nun sein mag) fallen somit deutlich sanfter aus, als es der Aufwand dieser Versuchsanordnung erhoffen lässt. Schön sieht diese Versuchsanordnung trotzdem aus – und das gehört sich immerhin bei einem blumigen Sci-Fi-Psychodrama …
«Little Joe» ist ab dem 9. Januar 2020 in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.