Watcha gonna do, watcha gonna do?! Nach über 16 Jahren Wartezeit melden sich die «Bad Boys» Will Smith und Martin Lawrence wieder zum Dienst. Und selbst ohne ihren Regisseur Michael Bay erweist sich «Bad Boys for Life» als äußerst unterhaltsame Fortführung der Action-Comedy-Reihe.
Filmfacts «Bad Boys for Life»
Regie: Adil El Arbi & Bilall Fallah
Produktion: Jerry Bruckheimer, Will Smith, Doug Belgrad, Michael Bay
Drehbuch: Chris Bremner, Peter Craig, Joe Carnahan
Story: Peter Craig, Joe Carnahan
Cast: Will Smith, Martin Lawrence, Vanessa Hudgens, Alexander Ludwig, Charles Melton, Paola Núñez, Kate del Castillo, Nicky Jam, Joe Pantoliano, Thomas Brag, DJ Khaled
Musik: Lorne Balfe
Kamera: Robrecht Heyvaert
Schnitt: Dan Lebental, Peter McNulty
Laufzeit: 124 Minuten
FSK: ab 16 Jahren
Es begann als kleine Actionproduktion mit zwei Sitcom-Stars in den Hauptrollen, die sich am Konzept von Buddy-Cop-Filmen wie «Lethal Weapon» bedient. Doch «Bad Boys» sollte sich 1995 als etwas Größeres erweisen: Der (vergleichsweise) schmale 19 Millionen Dollar teure Film half Mega-Produzent Jerry Bruckheimer aus einem kleinen Karrieretief, inspirierte eine lange Liste an Martin-Lawrence-Actionkomödien, schob Will Smiths Starpower noch einmal intensiv an und katapultierte Newcomer-Regisseur Michael Bay in die höheren Hollywood-Sphären. 2003 führten dieselben vier Köpfe den kleinen, gemeinen Hochglanzactioner größer, brachialer, blutiger, fieser, wahnsinniger fort: «Bad Boys II» ist ein durchgeknalltes, monumentales Action-Mammutwerk, in dem sich Michael Bay mit einem 130 Millionen Dollar schweren Budget frei Schnauze austobt.
Jetzt, etwas mehr als 16 Jahre später, gehen die Leinwandabenteuer von Detective Lieutenant Mike Lowrey (Will Smith) und Detective Lieutenant Marcus Burnett (Martin Lawrence) in die lang erwartete und häufig verschobene dritte Runde. Budgetsorgen und langes Hadern damit, welche Geschichte erzählt werden sollte, führten zu dieser langen Wartezeit. Und sie tragen Mitschuld daran, dass einer der vier "Gründerväter" der «Bad Boys» nicht in gewohnter Position zurückkehrt: Michael Bay, der kürzlich einen 150-Millionen-Dollar-Scheck in ein gewaltiges Netflix-Actionspektakel mit eigener Bombastlogik steckte, sitzt dieses Mal nicht auf dem Regiestuhl. Trotzdem kommt es hinter den Kulissen zu einer Art Déjà-vu, denn erneut erlebt Jerry Bruckheimer nach einer langen Reihe kostspieliger, massiver Erfolge ein kleines Karrieretief und wieder besteht die Hoffnung, dass eine Action-Komödie mit einem für ihn eher bescheidenen Budget eine Kehrtwende einleitet.
Nur, dass «Bad Boys for Life» trotzdem mit immerhin 90 Millionen Dollar ausgestattet ist. Mit diesem Budget dürfen zwei Hollywood-Newcomer hantieren, nämlich die belgischen Regisseure Adil El Arbi & Bilall Fallah («Black», «Gangstas 4 Life»). Bruckheimer scheint große Stücke auf sie zu halten, hat er sie doch auch für «Beverly Hills Cop 4» im Blick – und obwohl der ungewöhnliche Januar-Starttermin und die eh schon lange Wartezeit auf «Bad Boys for Life» einige Vorab-Unkenrufe provoziert hat: «Bad Boys for Life» macht sehr deutlich, was der Mega-Produzent in dem Duo sehen muss. Denn Arbi und Fallah schaffen es, die Essenz der Filmreihe zu rekreieren, ohne wie verkrampfte Michael-Bay-Trittbrettfahrer zu wirken.
«Bad Boys for Life» hat bild- und klangsprachlich alles, was die beiden Vorgängerfilme ausmacht: Mark Mancinas Erkennungsmotiv ertönt mehrmals (Komponist Lorne Balfe webt es in seinem effektiven, wenngleich nur sporadisch markanten Score sehr galant ein) und natürlich erklingt der Inner-Circle-Song, nach dem die Filmreihe benannt wurde. Es gibt mehrmals die markigen Froschperspektiven, in denen die Kamera zu unseren Helden aufschaut, die Bay so sehr liebt. Die Michael-Bay-Kamerarundfahrt um das Helden-Duo darf selbstredend auch nicht fehlen. Und in der Action werden kompromiss- bis sinnlos Sachen zerstört, außerdem gibt es ein paar sehr pointiert gesetzte, grafische Gewaltspitzen. Ein «Bad Boys»-Film halt.
Doch wo andere Filmreihen nach einem späten Regiewechsel oftmals so wirken, als blickten die Verantwortlichen steif auf eine Formel, weben Arbi und Fallah diese Grundzutaten locker und lässig in ihre eigene Rezeptur ein. Nie kommt der Gedanke auf, sie würden Kästchen abhaken, weil sie halt abgehakt werden müssen – sie inszenieren «Bad Boys for Life» so, dass der Film organisch zu den «Bad Boys»-Erkennungsmerkmalen hinsteuert, und sie lenken nie durch künstlich gesetzte dramaturgische Pausen die Aufmerksamkeit darauf, dass sie gerade ein Stück Filmreihentradition hinter sich gebracht haben. Generell gestatten es sich Arbi und Fallah, ihr eigenes Ding durchzuziehen, ohne dass der Film fremd in der Reihe wirkt:
Ihre Actionszenen werden von den Cuttern Dan Lebental & Peter McNulty behutsamer geschnitten als es beim manisch-rasanten Bay üblich ist. Mike und Marcus steuern nicht derart zielstrebig in die reine Destruktion, sondern schlittern immer wieder nachlässig in Zerstörungswut hinein. Und Kameramann Robrecht Heyvaert erschafft Bilder, die zwar die die Wucht und Dynamik bieten, die sich für diese Filmreihe gehören, doch mit betonten Neon-Farben und einem im Vergleich zu Bays Arbeiten weniger kräftigen Kontrast findet «Bad Boys for Life» trotzdem seinen eigenen visuellen Groove.
Und auch dem Drehbuch von Chris Bremner, Peter Craig und Joe Carnahan gelingt dieser Balanceakt zwischen "Biete das, was die Leute erwarten" und "Gebe der Reihe einen neuen Spin" offenbar mühelos: Die Dynamik zwischen Mike und Marcus ist exakt auf die neckische Beste-Kumpel-die-sich-ständig-in-den-Haaren-liegen-Cheme zwischen Smith und Lawrence zugeschnitten, doch die dauerjuvenilen Bad Boys haben sich seit «Bad Boys II» plausibel weiterentwickelt. Marcus ist mehr denn je Familienmensch, der den Polizeistress hinter sich lassen will – und er versucht ernster und frustrierter denn je, Mike Vernunft beizubringen. Der wiederum hat sich völlig ins Dasein als ewiger Junggeselle verbissen, wird aber damit konfrontiert, dass diese Sehnsucht, allein zu sein und als Polizist im Männer-Model-Look zu gelten, vergebens ist.
Das führt zu neuen Gag-Vorlagen und Themen für die ständige Kabbeleien zwischen ihnen, während manche spätpubertären Anflüge der Beiden nunmehr verschwunden sind. Dafür kommt es zum Ellenbogenreiben mit einem neuen Team innerhalb der Polizei von Florida: Das Ammo-Team setzt auf moderne, defensivere und ruhigere Methoden als Marcus und steht noch deutlicher im Gegensatz zu Mike. Wo manch andere Filmreihen so wahlweise eine bemühte Staffelstabübergabe erzeugen oder alternativ die Neulinge als Versager darstellen, findet «Bad Boys for Life» allerdings einen ergiebigeren Weg: Das besonnene Muskelpaket Dorn (Alexander Ludwig), Frechdachs Rafe (Charles Melton) und Vollprofi Kelley (Vanessa Hudgens) wissen, was Sache ist, ohne eine "Die alte Garde hat nichts drauf"-Narrative zu forcieren, und ihre gewiefte Chefin Rita (Paola Núñez) entwickelt eine überzeugendes Mit- und Gegeneinander mit den Protagonisten.
Enttäuschend ist derweil leider der Antagonist von «Bad Boys for Life». Auf dem Papier müsste er eigentlich der stärkste Schurke der Filmreihe sein, da er nicht einfach nur der nächste prollige Gangsterboss ist, der ab und zu schmierige Reden hält. Der von Jacob Scipio verkörperte Armando Armas Tapia ist fähig und ruchlos im Nahkampf, ein zielgenauer Scharfschütze und er durchläuft innere Konflikte, die diese Figur eigentlich mit Tiefe füllen müssten: So brutal und ruchlos er gegenüber seinen Feinden auch sein mag, so versucht er auch, Kollateralschäden zu vermeiden – und er hat eine verworrene Beziehung zu seiner Mutter (Kate del Castillo). Sie ist die Strippenzieherin hinter Armandos Taten, doch wiederholt sieht man, wie er zwischen Muttersöhnchen-Befehlsbefolgerei und frustriertem Sich-loseisen-wollen hadert.
So weit jedenfalls das Konzept. In der Umsetzung aber hapert dieser Bösewicht leider: Weder bringen seine Dialogzeilen diese Bruchstücke von Grundideen griffig rüber, noch füllt Jacob Scipio diese den Film mittragende Rolle gebührend aus. In «Bad Boys for Life» kann er weder eine einschüchternde Aura erzeugen, noch mit boshaftem Charme bestechen (geschweige denn beides zu einem denkwürdigen Ganzen verbringen). Auch wenn er sehr deutlich Armandos Zerrissenheit zur Schau stellt, wann immer er Anweisungen erhält, bleibt seine Rolle im Rest des Films leider in der Ausführung blass.
Dessen ungeachtet ist «Bad Boys for Life» eine sehr schmissige Fortführung der Filmreihe: Joe Pantoliano keift sich wieder einmal als Vorgesetzter von Mike und Marcus unterhaltsam etwas zusammen, die Actionszenen sind zwar nicht so wahnsinnig wie in «Bad Boys II», doch griffig inszeniert und das Erzähltempo ist zügig. Darüber hinaus werden die Hauptfiguren stimmig in neue Richtungen entwickelt und es gibt sogar ein paar gut vorbereitete, clevere Überraschungen. Wer dem Buddy-Cop-Genre gar nichts abgewinnen kann, wird durch «Bad Boys for Life» wohl kaum bekehrt, aber alle, die diesem Action-Subgenre etwas abgewinnen können, sollten ins Kino eilen.
Fazit: Wieder heißt es: "Wir stehen zusammen, wir fallen zusammen. Bad Boys fürs Leben." Und wer hätt's gedacht, «Bad Boys for Life», ringt den zerstörerischen Cops Mike und Marcus tatsächlich noch eine starke Mission ab.
«Bad Boys for Life» ist ab sofort in vielen deutschen Kinos zu sehen.