Mit «Indebted» und zwei Sitcom-Urgesteinen an Bord hat NBC Ok, Boomer! – die Serie produziert: Eine Wegknuddelserie über bankrotte Eltern und überforderte Sandwich-Kinder.
Cast & Crew
Produktion: Screaming Elliot Productions, Doug Robinson Productions, Sony Pictures Television Studios und Universal Television
Schöpfer: Dan Levy
Darsteller: Adam Pally, Abby Elliott, Jessy Hodges, Steven Weber, Fran Drescher, Asif Ali u.v.m.
Executive Producer: Dan Levy, Doug Robinson und Andy Ackerman
Schon in der ersten Minute sieht man der Serie an, dass sie in eine ganz bestimmte Kerbe schlagen will: den Konflikt zwischen vernünftigen, rationalen, woken Millenials und den lustbetont lebenden, verschwendungssüchtigen, egozentrischen Boomern. Trotz aller Sitcom-gerechten Exzentrik soll diese Gegenüberstellung irgendwie exemplarisch und relateable wirken: Denn als bei Dave (Adam Pally) und Rebecca (Abby Elliott), einem Ehepaar Ende 30, plötzlich seine Eltern vor der Tür stehen und über einem Glas Wein erzählen, dass sie die letzten Jahre mit dem konsequenten Verschleudern ihres gesamten Vermögens samt Eigenheim und Krankenversicherungsmitgliedschaft zugebracht haben, ist der Schock groß.
Sofort greift das Helfersyndrom der menschenfreundlichen Millenials – obwohl die Mitt-Sechziger Stew und Debbie alles dafür tun, um deren Geduldsfaden zu strapazieren. Spätestens, als die bankrotten Eltern einen Facebook-Fundraiser absetzen, und auf dem Video im Hintergrund unbeabsichtigt die sich entkleidende Schwiegertochter zu sehen ist, steht der erste größere Streit ins Haus.
Nun kommt die wichtigste Devise von «Indebted» zum Tragen, die sich auf ein einziges Credo reduzieren lässt: Alles nicht so schlimm. Auch wenn die technische Inkompetenz der Boomer samt ihrer penetranten Ignoranz dazu führt, dass nun das ganze Internet für alle Ewigkeit deine Intimzonen kennt. Während an dieser Stelle die konzeptimmanente Konfliktscheuheit und Nachsicht mit den Elternfiguren leicht unappetitliche Züge annimmt, kann die Serie auch in den weniger zugespitzten Teilen aus ihrer Millenial-Knows-Best-Prämisse keine Erkenntnisse als die übertriebene Lebensunfähigkeit von Menschen aus der Prä-Smartphone-Ära in der heutigen Gesellschaft ziehen – Scherben, die nun die Sandwich-Generation irgendwie wieder zusammenkitten muss. Wer will, kann das als radikale Konterkarierung des stocksteifen Achtziger-Jahre-Sitcom-Tropes vom allwissenden, gutmeinenden Vater verstehen, der seinen in bürgerlichem Rahmen rebellierenden Kindern eine heteronormative Lektion nach der anderen erteilt hat – und heute, dreißig Jahre später, von seiner falschen Lebenseinstellung aus Konformität und Konsum eingeholt wird. Doch schon eine so laue Rollenumkehr-Idee wäre für «Indebted» viel zu viel der Ambition.
Stattdessen wirft die Serie einen fahrigen Blick auf einen zu entstellt gezeichneten Generationenkonflikt, der nur anhand sehr grober Linien beschrieben werden soll: Aus den Reagonomics-Boomern ist in ihren späten Jahren eine seltsame Mischung aus Hippietum und Spätkapitalismus geworden – sie verprassen ihre Kohle für allerhand Unfug und haben für jede ihrer dummen Ideen eine faule Ausrede parat, die selbst Bill Cosbys Fernsehkindern zu abstrus gewesen wäre. Derweil stehen die beiden alten Sitcom-Schlachtrosse Fran Drescher («Die Nanny») und Steven Weber («WINGS») so verloren vor der generischen Sitcom-Sofakulisse, als seien sie die letzten Überlebenden eines fürchterlichen Unglücks, während Abby Elliott, die seit ihrer «SNL»-Zeit vor zehn Jahren in keiner nennenswerten Rolle mehr aufgefallen ist, auf die Funktion der nöhligen Bedenkenträgerin reduziert wird.
Dabei hätte «Indebted» alle Zutaten für einen humorigen, aber auch intelligenten Spiegel unserer Zeit haben können, und manches dieser Puzzleteile findet sich gar in der Serie wieder: So macht die Uberisierung auch vor amerikanischen Rentnern nicht Halt – weswegen Vater Stew neuerdings nachts gegen Entgelt durch die Gegend kurvt und die Flammen seiner lesbischen Tochter von A nach B kutschiert. Doch auch hier darf kein Moment der Tragik und ernsthaften Lebensenttäuschung die oberflächliche Witzelsucht stören. Man hat verkannt, dass es zwar ziemlich lustig sein kann, bankrotten jungen Leuten beim Schuldenabbau und emotionalen Wachstum daran zuzusehen («2 Broke Girls», anyone?), aber dieselbe Prämisse kaum noch zum Lachen ist, wenn die betroffenen Figuren das Ende des Arbeitslebens erreicht haben und ihnen somit alle Korrekturmöglichkeiten lange abhanden gekommen sind. Anstatt eine komödiantisch unterfütterte Reflexion ist «Indebted» zu Ok, Boomer! – die Serie geworden: einer unvollständigen pampigen Bestandsaufnahme zerbrochener amerikanischer Lebensläufe, deren Scheitern sich ohne tiefgreifende Veränderungen einfach so wegknuddeln lässt. Lieber ins Heim geben.
18.02.2020 11:20 Uhr
• Julian Miller
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