Die Kritiker: «Eine harte Tour»

Ein Film mit Anna Schudt und Benjamin Sadler – und viel Zündstoff. Der langjährige Freundeskreis von Clemens und Corinna bemüht sich seit deren Scheidung, das Miteinander in einem äußerst heiklen Balanceakt aufrecht zu halten. Bis Clemens plötzlich stirbt.

Cast & Crew

  • Darsteller: Anna Unterberger. Anna Schudt, Juliane Köhler, Benjamin Sadler, Thomas Loibl, Moritz Führmann, Roeland Wiesnekker, Elena Uhlig, , Victoria Mayer
  • Regie: Isabel Kleefeld.
  • Buch: Dominique Lorenz.
  • Kamera: Martin Langer.
  • 'Musik: Kall Kollektiv.
  • Eine Produktion des WDR.
50 ist das neue 40. Da denkt man daran, welche Abenteuer noch warten. Früher war man mit 50 alt. Aber heute doch nicht mehr. Was heißt das schon? 50? Für die Freunde von Clemens steht diese Frage im Raum, als eben er – Clemens – eines Tages einfach so stirbt. Der ARD-Spielfilm «Eine harte Tour» begleitet diese Freunde auf ihrem Weg, seinen Tod zu verarbeiten – in Form eines herzlichen Alpentrips.

Es ist gar nicht leicht, «Eine harte Tour» einem Genre zuordnen zu müssen. Es ist ein Drama. Ja. Aber ein Drama, das Platz für durchaus amüsante Momente bietet. Wenn etwa drei Herren um die 50 in einem Pool liegen, tiefsinnige Gespräche über den Sinn des Lebens führen und doch nur zu der Erkenntnis gelangen, dass der Mensch ein Furz im Universum sei: In solchen Momenten liebt die Geschichte ihre Protagonisten. Vor allem erspart die Story den Zuschauern allzu existentialistisches Geschwurbel – obschon die Hauptfiguren eigentlich für solch ein Geschwurbel prädestiniert erscheinen, denn sie alle sind Akademiker, wohl situiert, genießen das Leben in schönen Häusern, ja, es geht ihnen gut. Drei Ehepaare um die 50, die ihre gefühlte 40 genießen können. Allein das vierte Paar sticht etwas hervor. Clemens ist 52, seine Frau Alexa jedoch erst 32. Für die junge Physiotherapeutin hat er seine Frau Coco verlassen, mit der er höchst erfolgreich eine Firma aufgebaut hat. Doch dann hat ihn offenbar die Midlife-Crisis übermannt.

Rotwein und Alexa


Es ist ein Abend, an dem die Paare ihre Freundschaft feiern. Bei teurem Rotwein und einem guten Essen. Natürlich auch mit Clemens und Alexa. Auch wenn man nicht so wirklich weiß, wie man mit Alexa umgehen soll. Der Altersunterschied ist eben doch gravierend. Und dann ist da ist eben doch die Freundschaft zu Coco...

Doch unter zivilisierten Menschen überspielt man diesen Konflikt. Niemand der Anwesenden ahnt, dass dies ihr letzter gemeinsamer Abend gewesen sein soll. Noch am gleichen Abend rafft Clemens daheim ein Herzinfarkt dahin.

Die Inszenierung ist nun schlau genug, Alexa in den Mittelpunkt der nächsten Szenen zu stellen, um den Zuschauern einen Wissensvorsprung zu bieten. Wir nämlich erleben eine Frau, die aufrichtig um ihren Mann trauert. Die Liebe zwischen den beiden war echt. Selbst wenn Clemens in der Midlife-Crisis gewesen sein sollte – es bleibt eine Vermutung – so hat Alexa Clemens auf jeden Fall geliebt. So ist die Sympathie auf ihrer Seite, wenn Coco, die Ex, in ihr Haus eindringt und dabei nur einen Gedanken hegt: Wie geht es mit der Firma weiter, die ihr anteilig gehört?

Regisseurin Isabel Kleefeld gelingt an diesem Punkt der Geschichte ein bemerkenswerter Spagat. Die Sympathien mögen – aufgrund des Wissensvorsprungs – auf Seiten von Alexa liegen. Doch es sind kurze Momente, die sie Coco-Darstellerin Juliane Köhler zugesteht, in denen diese eine Verzweiflung spüren lässt, die eben auch Coco Menschlichkeit verleiht. Ihre Wut ist keine Kälte. Es ist ihre Art mit ihrer Trauer umzugehen.

Südtiroler Alpenwege


Am Abend vor Clemens Tod haben die Freunde über einen gemeinsamen Urlaub nach Südtirol nachgedacht. Clemens, der Macher, hatte bereits die Wandertouren ausgearbeitet, der Höhepunkt sollte das Aufhängen eines Bildes in einer Kapelle darstellen, die seiner Familie aus verschiedenen Gründen viel bedeutet hat. Im Gedenken an Clemens entschließen sich die Freunde, diese Tour zusammen zu machen. Genau so, wie Clemens dies gewollt hätte. Als Jonas jedoch, einer der Freunde, bemerkt, dass Alexa auch mit ihnen kommen müsse, wird er überstimmt. Nein, irgendwie gehört Alexa nicht dazu. Was Jonas nicht daran hindert, Alexa Bescheid zu geben, so dass diese in Südtirol zur Gruppe stößt – durchaus nicht zur Freude der anderen Teilnehmer.

Jedoch: man arrangiert sich. Und dann wird es sogar irgendwie – nett.

Der Trip durch die Südtiroler Alpen ist natürlich Symbolik mit dem Zaunpfahl. Die Freunde wandern einen Berg hinauf? Klar, sie müssen ihre Gefühle und ihre Beziehungen neu ordnen. Was ein anstrengender Weg ist. Aber es ist vollkommen okay, diese sehr augenfällige Symbolik zu wählen, da sie den Schauspielern Platz bietet, ihre Figuren mit Leben zu füllen. Man redet miteinander, man schimpft, man lacht.

«Eine harte Tour» ist, trotz seiner dramatischen Ausgangssituation, ein über weite Strecken mit leichter Hand inszeniertes Coming-of-Age-Geschichte. Moment? Coming-of-Age bezeichnet in der Filmtheorie Filmstoffe, die sich mit dem Erwachsenwerden auseinandersetzen, der Zeit zwischen Jugend und, ja, dem Erwachsensein. Doch tatsächlich lässt sich dieser Begriff auch auf «Eine harte Tour» anwenden, denn letztlich stehen die Protagonisten an einem Punkt in dem Leben, an dem sie einen neuen Abschnitt beginnen. Bislang war ihr Leben ein Leben des Unbeschwertseins. Eine Zeit, in der sie zusammen Wein getrunken haben, das Leben genossen und unbekümmert in die Zukunft schauen konnten. Nun aber ist einer von ihnen, Clemens, der Macher, nicht mehr bei ihnen. Und da ist diese Gewissheit, dass auch sie an einer Schwelle stehen. Sie werden – älter.

Es muss knallen - leider


Isabel Kleefeld inszeniert all dies mit einer erstaunlichen Ruhe. Der Film wirkt wie ein ruhiger Fluss, den man einfach zuschaut, weil er etwas Beruhigendes ausstrahlt. Die Regisseurin vermeidet dramatische Spitzen ebenso wie allzu absurde Situationen. Es darf geschmunzelt werden. Es ergeben sich etwa aus dem Altersunterschied von Alexa zum Rest der Truppe einige durchaus absurde Situationen. Und wenn Männer über den Sinn des Lebens sinnieren, dann sollten sie dies wirklich nüchtern tun. Knapp eine Stunde begleitet die Inszenierung ihre Hauptfiguren auf ihrem Weg durch die Alpenwelt – und das ist schön. All das wirkt auf eine angenehme Art entschleunigt, so jenseits des Konventionellen, das man eine tiefe Furcht davor hegt, dass bei der ARD ein Redakteur, eine Redakteurin gesessen haben mag, der oder die der Meinung war – jetzt brauche man aber noch einen ordentlichen Konflikt im letzte Akt. Etwas wirklich Krachendes.

Und leider geschieht genau das. Ob es so von Anfang an im Drehbuch gestanden hat, ob die Produzenten dies wollten – oder die Degeto-Film? Wer weiß! Doch es bricht ein Konflikt zwischen zwei der Hauptfiguren hervor, der mit Clemens in einem direkten Zusammenhang steht und droht, die Gruppe zu zerreißen. Dramaturgisch ist das nicht zu beanstanden. Doch hätte es diesen Konflikt gar nicht gebraucht, denn letztlich erfüllt die Inszenierung hier nur eine Konvention.

Es muss noch einmal einen Knall geben.

Es muss noch einmal dramatisch werden.

Muss es das?

Fazit: «Eine harte Tour» ist ein Film über Freundschaft und einen neuen Lebensabschnitt. Und über die Liebe, die auch Menschen verbinden kann, die auf den ersten Blick vielleicht nicht so viel verbindet. Trotz des unnötigen Konfliktes, der da nach einer Stunde über die Wanderer hereinbricht, vergisst Regisseurin Isabel Kleefeld allerdings nicht, dass sie die Zuschauer am Ende mit einem Lächeln zurück in die Realität jenseits des Fernsehspiels entlassen möchte. «Eine harte Tour» ist so hart gar nicht. Im Grunde genommen ist «Eine harte Tour» ein sehr sanftmütiger Film.

Das Erste zeigt «Eine harte Tour» an Aschermittwoch, 26. Februar 2020, um 20.15 Uhr.
24.02.2020 15:12 Uhr  •  Christian Lukas Kurz-URL: qmde.de/116126