Online-Dating, der Ursprung großer Gefahr? Vielleicht: «Tatort – Die Nacht gehört dir» hat nicht das beste Bild von Flirting 2.0.
Hinter den Kulissen
- Regie: Max Färberböck
- Drehbuch: Max Färberböck und Catharina Schuchmann
- Cast: Dagmar Manzel, Fabian Hinrichs, Eli Wasserscheid, Andreas Leopold Schadt,
- Matthias Egersdörfer, Anna Tenta
- Produktion: Kirsten Hager
- Kamera: Willy Dettmeyer
- Schnitt: Mona Bräuer
Der Schwarzwald-Krimi «Tatort: Ich hab im Traum geweinet» vom 23. Februar 2020 tat genau das, was
nicht nur in unserer Kritik vorhergesagt wurde, sondern so ziemlich der Pressekonsens war: Er hat das breite Publikum genervt. Die sozialen Netzwerke waren voll mit Häme, die Quoten waren (an «Tatort»-Maßstäben gemessen) eher mau und auf der von Fans gewählten, ewigen «Tatort»-Bestenliste der Webseite 'Tatort-Fundus' ist der Krimi mit Eva Löbau auf einem sensationellen letzten Platz eingestiegen. Offenbar ist das Interesse an programmkinotauglichen Überlegungen über Beziehungen, Härte und gelebte Rollen, die sich als «Tatort» tarnen, ziemlich gering.
Dieses Wochenende wird sich aller Wahrscheinlichkeit nach zeigen, dass ein Neunzigminüter auf dem «Tatort»-Programmplatz besser ankommt, wenn er ähnliche Zutaten etwas normierter verkauft. Denn auch «Tatort – Die Nacht gehört dir» ist eine Auseinandersetzung mit einem Geflecht aus Beziehungskisten und Gewalt, und wie schon im Schwarzwald-«Tatort» gibt es auch in diesem Fall blanke Haut zu sehen. Nur, dass dieses Mal nicht nackt geschauspielert und auf trockene, aber detailreiche Art Charakterzeichnung betrieben wird – stattdessen geifert die Kamera sekundenlang in Dessous-Werbespot-Ästhetik einen Frauenhintern an und glaubt, das sei dann schon sinnlich.
Hinzu kommen ein klarer umrissener Kriminalfall mit einem deutlichen, ach, überdeutlichen Täter und eine Struktur, die zwar keinen «Tatort»-Alltag bedeutet (dafür ist «Tatort – Die Nacht gehört dir» zu ruhig und langsam erzählt), wohl aber die «Tatort»-Erkennungsmerkmale ungefähr dann bietet, wann sie im Regelfall dran kommen. Vom Leichenbefund hin zur Besprechung eines grübelnden Teams bis hin zum Bewaffnet-zum-vermuteten-Aufenthaltsort-des-Täters-eilen im Finale. Das ergibt nicht zwingend einen ideenreichen, spannenden oder aussagekräftigen «Tatort», wohl aber einen, der sich wahrscheinlich am Sonntagabend leichter als nicht negativ auffallende Hintergrundberieselung einordnen lässt und somit für weniger Wehklagen sorgen wird.
Die Geschichte dreht sich um die Folgen, die digitales Dating auf die erfolgreiche Geschäftsfrau Babs Sprenger (Anna Tenta) hatte: Die vergangenen Monate verbrachte sie auf diversen Flirt-Portalen – ihren Geburtstag verbrachte sie dennoch mit ihrer Kollegin Theresa Hein (Anja Schneider). Am nächsten Morgen ist Sprenger tot – und die Tatwaffe war Heins Geburtstagsgeschenk: Ein Sushimesser. Leichtes Spiel für die Ermittler: Hein gesteht die Tat. Doch, huch, es ist doch kein so leichtes Spiel, denn bei der Suche nach einem Motiv tappen die Ermittler Voss (Fabian Hinrichs) und Ringelhahn (Dagmar Manzel) im Dunkeln. Irgendwas stinkt an der Sache …
Obwohl Online-Dating längst Alltag geworden ist und gesellschaftlich gemeinhin akzeptiert wird, ist es im «Tatort» noch immer ein spärlich untersuchtes Thema – und dieser Fall macht nur bedingt Lust darauf, dass sich daran etwas ändert. Die Darstellung des Flirten 2.0 in diesem «Tatort» ist in ihrem Technikpessimismus und ihrer "Wird der Mensch zur Ware?"-Fragestellung wahrlich nicht mehr zeitgemäß, zumal die Abwägung von Pro und Contra (ebenso wie die Verhöre) lange Zeit in hölzernen Dialogen erfolgt, bei denen jeglicher mögliche Subtext direkt als Text ausformuliert wird.
Zu den Pluspunkten gehört der charmant-unschuldig vermittelte Flirt zwischen Kommissar Voss und einer Markthändlerin. Selbst wenn diese Liebelei etwas stumpf als das ideale Gegenstück zum mechanischen Online-Flirt skizziert wird, sind hier die Dialoge und Performances ungezwungen und locker geraten, so dass die Szenen gefällig sind. Und auch die in den Dialogen sowie im Bild versteckten Film- und Literaturreferenzen sind angenehme Schmankerl, ebenso wie die zuweilen tagträumerisch fließende Bildmontage.
Fazit: Ein «Tatort» über Onlinedating, der in seinem Bild der Flirt-Dienste verstaubt wirkt, und in dem die Dialoge zuweilen holpern, doch der gefällig genug sein dürfte, um nicht sauer aufzustoßen.
«Tatort – Die Nacht gehört dir» ist am 1. März 2020 ab 20.15 Uhr im Ersten zu sehen.