Daniel Craigs Bond-Ära endet bald. Wer sollte in seine Fußstapfen treten? Nun, wie wäre es mit Emily Blunt, Emilia Clarke, Kate Beckinsale oder Rosamund Pike?
Daniel Craigs Amtszeit als James Bond nähert sich ihrem Ende: Im April läuft in den deutschen Kinos «Keine Zeit zu sterben» an, der fünfte und finale 007-Film mit Craig in der Hauptrolle. In Filmen gemessen ist er zwar nicht der dienstälteste James Bond, wohl aber in Jahren. Wie die Zukunft der Filmreihe aussehen wird, wissen wir noch nicht – wohl aber, wie sie
nicht aussehen wird.
Idris Elba wird nicht in Craigs Fußstapfen treten und wir werden laut Produzentin Barbara Broccoli niemals eine weibliche Bond im Zentrum der Filmreihe sehen. Broccoli findet nämlich, dass sich die Bond-Saga halt um einen Agenten dreht und dass man lieber neue Frauenfiguren erfinden sollte, statt bestehende Rollen für Frauen zu verbiegen.
Insofern ist, so lange Broccoli das Sagen über 007 hat, das letzte Wort in Sachen Jane Bond gesprochen. Aber da die Vorstellung einer Jane Bond 007
ein kleines, hier in der Kolumne wiederkehrendes Steckenpferd von mir ist, und dieser Vorschlag auch von anderen Querköpfen gemacht wird
und obendrein immer für herrliche Irritation sorgt, möchte ich gerne dennoch einmal ausführlicher Argumente dafür anbringen, weshalb ein Bond-Neustart mit einer Jane Bond eine gute Idee wäre!
Weshalb es für mich kein Affront wäre, eine Frau als Bond zu sehen
Bevor wir zu den Pro-Argumenten kommen können, müssen wir erst einmal gegen die penetranten Contra-Stimmen ankämpfen. Nun gut, dann wollen wir mal: Das wohl am häufigsten genutzte Argument lautet "Bond war im Buch ein Mann, also muss er auch im Film ein Mann sein!" Das ist ein Argument, dem ich jedoch angesichts der Filmgeschichte deutlich wenig Gewicht beimesse. Geht es um literarische Treue, dürfte Balu der Bär kein singender, freundlicher Faulenzer sein, müsste Wolverine ein stinkender, grummeliger, winziger Typ sein (und nicht etwa ein durchtrainierter Hugh Jackman), müsste Arielle am Ende des Disney-Zeichentrickfilms sterben, und die Serie «Westworld» müsste quasi in die Tonne geworfen werden, so sehr wie sie "Schindluder" mit der Vorlage treibt.
Und es ist ja auch nicht so, als wäre James Bond das glänzende Exempel für literarische Treue in der Filmwelt. Bond ist eine ziemlich inkohärent in die Filmwelt übertragene Figur – und das mit voller Absicht der Filmschaffenden, da sie 007 immer und immer wieder an wandelnde Geschmäcker angepasst haben. Bond war bereits ein Mann, der sich ohne zu fragen nimmt, was er will. Der raue Liebhaber wurde zu einem stilvollen Verführer und zu einem augenzwinkernden Charmeur. Es gab Zeiten, da hat Bond jede Frau ins Bett gezerrt, die nicht schreiend davon gelaufen ist, es gab Zeiten, in denen er keusch durch die Welt ging und wir haben ihn als trauernden Romantiker gesehen.
James Bond ist ein technikaffiner Agent, wenn er nicht gerade technikavers ist. Er war schon der junge, ungezügelte Rebell und der reife Herr, der sich über die Beatles aufregt. James Bond, der Meister der schrillen Gadgets, wurde auch schon zu James Bond, dem kühlen Schießexperten und zu James Bond, der Spion, der den Nahkampf ohne Firlefanz bevorzugt. Wir haben ihn als kaltblütige Person skizziert gesehen und als jovial sowie empathisch. Er ist als Spion eher ein Taktiker – wenn er nicht doch eher als Bauchgefühl-Mensch skizziert wird. James Bond hat schon mehrere Augenfarben durch und wurde von einem Schotten, einem Waliser, einem Australier, einem Engländer und einem Iren gespielt. Er war in den 1970er-Jahren alt und in den 2000er-Jahren jung – kurzum: Bond ist, was immer den Filmschaffenden gerade passt.
Dass bei all diesem Hin und Her, beim Kampf gegen russische Spionage und gegen nach der Weltherrschaft gierenden Superschurken wie aus einem Cartoon, bei Reisen zum Mond und bei halbwegs realistischer Terrorbekämpfung … Dass bei all dem noch immer eine Filmreihe herausgesprungen ist, die klar als
eine Reihe zu erkennen ist und nicht als völlig konfuses Sammelsurium von Popcornkino-Ideen, ist nicht der Verdienst einer stringent gezeichneten Figur, die wir daher auf gar keinen Fall weiter verändern dürften. Es ist der Verdienst stilistischer Elemente: James Bond ist ein sehr spezielles Subgenre des Agentenkinos. Es ist die Musik, die einen Bond-Film ausmacht. Es ist das Element der Weltreise. Die Struktur eines Bond-Abenteuers, das mit einer Sequenz beginnt, die nur lose mit dem restlichen Abenteuer verbunden ist, dem Publikum aber was für sein Geld gibt.
Es ist die romantisierte Vorstellung eines Agenten, der den Globus bereist, schöne Orte kennenlernt, und durch ein bisschen Reden, Tricksen und Kämpfen die Welt rettet, ohne Papierkram zu erledigen, komplizierten Austausch mit Kollegen zu betreiben oder sich glaubwürdig als jemand anderes auszugeben. Es ist die Ästhetik einer Hauptfigur, die in galanter Garderobe irgendwo zwischen zeitlos-klassisch und behutsam modernisiert auftritt. All das kombiniert ergibt Bond.
Und deshalb wäre eine Jane Bond eine Bereicherung …
"Na gut, aber warum muss es dann eine Frau sein? Kann Bond nicht einfach ein Mann bleiben und für Frauen wird etwas Neues erfunden, bevor man zwanghaft eine Romanfigur verändert?", werden nun manche fragen. Nun ja, natürlich
kann man einfach neue Agentenreihen für Frauen erfinden. Aber selbiges gilt für Männer. Wieso eine von ihrem Schöpfer von 1953 bis 1965 verfasste Romanfigur zwanghaft ins Heute holen und sowohl ihre Persönlichkeit als auch die Tonalität ihrer Geschichten massiv verändern, wenn man auch eine neue Agentenreihe erschaffen könnte? Ganz einfach: Weil die Bond-Produzenten ihren Goldesel nicht aufgeben wollen. Und wir, als Zuschauende, haben ausreichend Faszination für Bond übrig, dass wir uns immer und immer wieder neue Abwandlungen dieses Subgenres des Agentenkinos anschauen.
Wenn also Männer immer und immer wieder die Hauptrolle in diesem Genre namens Bond übernehmen und es abwandeln dürfen – wieso sollte es Frauen nicht auch so ergehen? Denn Bond ist so ein kurioses Genre, das nur von einer Filmreihe mit einer Hauptfigur bedient wird. Man könnte natürlich ein Spin-off entwickeln, doch dann wäre das einfach nur eine weitere Agentenreihe – schließlich definiert sich Bond durch obig genannte Elemente. Und würde ein «019 Jessica Rice: Zum Sterben zu beschäftigt» die Bond-Erzählstruktur übernehmen und der Hauptfigur dasselbe Erkennungsthema geben, wäre das ein ebenso lächerliches Spin-off wie ein Felix-Leiter-Film, der exakt so ist wie ein Bond-Film, nur dass die Hauptfigur anders heißt. Die Hauptfigur muss Bond sein – und so lange Männer diese Rolle übernehmen dürfen und Frauen nicht, ist das eine kleine, gemeine Schieflage.
Doch das ist nicht
der Grund, weshalb es nach Daniel Craigs James Bond in meinen Augen eine Jane Bond geben sollte – schließlich gibt es im Filmgeschäft deutlich schlimmere Schieflagen zwischen den Gendern, die behoben werden müssen. Nein, der Grund, weshalb ich für eine Jane Bond bin, ist ganz simpel: Es würde das Genre Bond bereichern. Wir haben schon zahlreiche "Geschmäcker" durch, wie ein James-Bond-Film sein könnte, und auch wenn es einige aktuell tätige Schauspieler gibt, denen ich die Figur James Bond abnehmen würde, so wären sie alle doch nur eine dezente Variation früherer Bonds. Und die paar Herren, die ich mir im "Galant gekleidet und gewitzt-taff die Welt retten"-Stil vorstellen kann und die völlig neue Schattierungen treffen würden, würden die Bond-Schöpfer niemals so einsetzen, wie ich es mir vorstelle. Ich fände Chris Hemsworth als extrem komödiantischen Bond super, aber Eon wird garantiert keinen Bond mit «Ghostbusters – Answer the Call»-Humor erlauben.
Mit einer Hauptdarstellerin dagegen eröffnen sich viel mehr Möglichkeiten: Es gibt zahlreiche Schauspielerinnen, die die Elemente mühelos treffen würden, die man für einen Bond-Film benötigt. Und dennoch wäre es bei ihnen etwas Neues, schlicht, weil Männer und Frauen de facto von der Allgemeinheit nicht exakt gleich wahrgenommen werden. Eine dramatische, hart durchgreifende Jane Bond, die dennoch einen trockenen Humor hat, würde nicht als "Und noch einmal Daniel Craigs Bond-Interpretation" wahrgenommen und meine Güte: Emily Blunt könnte das rocken. Mit einem Mann in der Hauptrolle zu versuchen, die Craig-Bond-Interpretation nun konzentrierter und ohne produktionstechnische Hürden durchzusetzen, käme dagegen als ideenlos rüber.
Oder wie stark wäre bitte Kate Beckinsale als eine Jane Bond, die mit weltmännischer Eleganz einen spritzigen Humor ausstrahlt und mit Würde selbst schrägere Situationen meistert – quasi als Roger-Moore-Bond für die 2020er-Jahre? Und Emilia Clarke würde den flott-popcornigen und allem zum Trotz noch immer geschmackvoll-geschniegelten und gestriegelten Pierce-Brosnan-Bond-Stil meistern, während sie ihm neue Facetten abgewinnt, die so kein männlicher Schauspieler treffen würde.
Und so geht es weiter: Rosamund Pike wäre eine tolle Jane Bond, die wie eine muntere, diplomatische Agentin wirkt – und dann zur Not hinter verschlossenen Türen zur gewissenlosen, knallharten Soziopathin werden kann, um an Informationen zu gelangen. Rachel Weisz würde ich zahlreiche Bond-Interpretationen abkaufen, ebenso wie Claire Foy. Die Möglichkeiten sind unbegrenzt – man müsste sich halt bloß trauen!