In Deutschland und weiten Teilen der Welt müssen Spitzen- und Breitensport einem größeren Ziel weichen: Aufgabe der Menschheit ist es in diesen Tagen, die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus zumindest zu verlangsamen. Das Virus ist nach letzten Erkenntnissen nicht nur eine simple Grippe, wie sie Jahr für Jahr auftritt, sondern eben eine hochinfektiöse Krankheit, die die Gesundheitswesen zahlreicher Länder auf die Probe stellen kann und vielleicht wird. Es geht um Rücksicht gegenüber gesundheitlich geschwächten und/oder älteren Menschen. Um die Ausbreitung einzudämmen, soll sozialer Kontakt gemieden werden; auf dem Sportplatz, im Stadion und an der Rennstrecke.
In Deutschland gehen nahezu alle großen Sportligen in eine Pause – die DEL hat ihre Saison längst vorzeitig beendet, Handball und Basketball ruhen bis voraussichtlich Ende April. Dass die Formel1 am kommenden Wochenende in Bahrain fährt, ist nahezu ausgeschlossen, auch der Grand Prix in Vietnam wackelt mehr und mehr. Vermutlich dröhnen die Motoren erst Ende April. Die Fans daheim auf dem Sofa müssen sich also in Verzicht üben. Verzichten auf die liebgewonnenen Sport-Großveranstaltungen in Zeiten, in denen man auch auf großartige soziale Kontakte und weite Reisen verzichten soll. Wahrlich kein einfaches Unterfangen – zumal aktuell kaum jemand sagen kann, wie lange dies der geltende Status quo ist. Klar ist: Die Gesundheit geht immer vor.
Wie lange das ohne größeres Murren derer, die uneinsichtig sind, gehen wird, ist unklar. Die Funktionäre stellt die momentane Situation vor ganz andere Probleme. Es scheint, als würde von Tag zu Tag die Hoffnung schwinden, dass angebrochene Spielzeiten noch irgendwie angemessen beendet werden können. Immerhin: Vermutlich wird die UEFA die pan-europäische Fußball-EM von Juni 2020 auf Juni 2021 verschieben. Im Gespräch ist auch eine Austragung noch im Dezember 2020 - vor allem deshalb, weil die FIFA für Juni 2021 eigentlich die neue Club-WM geplant hat. Egal auf was es hinaus läuft: Das verschafft etwas Platz und schürt vorsichtige Hoffnungen. Sollte die Bundesliga beispielsweise Anfang Mai wieder ihren Betrieb aufnehmen und mit ihr auch die europäischen Club-Wettbewerbe, dann ließen sich die Saisonfinals Mitte Juli spielen. Das ist ein realistisches Zeitziel. Für die Bundesligisten geht es um Millionen-Verluste – Ticket-Verkäufe spielen da die geringste Rolle. Es geht um flöten gehende TV-Einnahmen. Die Saison irgendwie doch noch zum Ende zu bringen, wäre Balsam für die Seele.
Ähnliches gilt für die Handball-Bundesliga, in der bis Ende April ohnehin nur drei reguläre Spieltage ausfallen. Auch diese könnten im Hochsommer nachgeholt werden. Im Handball sind derweil aber Zuschauereinnahmen für die Klubs ungleich wichtiger als im Fußball. Anders sieht es da schon bei der Formel1 und im Tennis-Zirkus aus: Dass die bisher abgesagten Events (bei der ATP-Tour unter anderem die Masters in den USA und das 500er-Turnier in Barcelona) noch nachgeholt werden können, scheint angesichts des dicht gedrängten Spielplans fast unmöglich. Theoretisch ließe sich das Masters in Indian Wells, das als fünfter Grand Slam gilt, im Spätsommer und somit kurz vor den US Open, einschieben. Aber nur mit Mühe. Die Formel1, die 2020 erstmals 22 Rennwochenenden abhalten wollte, wird kaum die Möglichkeit haben, während der Saison nochmals nach Australien zurückzukehren. Vietnam drängt auf neuer Strecke unbedingt auf die Durchführung des Grand Prix; möglicherweise ließe sich das Rennen hier noch nachholen – allerdings nur, wenn die Ausbreitung des Virus im nahegelegenen China wirklich gestoppt ist. Die Formel1 geht inzwischen davon aus, dass erst ab Mai und dann in Europa wieder gefahren wird. Ob man den Grand Prix auf der ebenfalls neuen Strecke in den Niederlanden im Sommer nachträglich in den Terminkalender quetschen kann, gilt nicht als ausgeschlossen. Gegenüber Sky Sports in UK sagte der verantwortliche Formel1-Macher Ross Brawn, dass man versuchen werde, in diesem Jahr 17 bis 18 Rennen abzuhalten. Einst geplant waren 22 Stück. In Australien wird derweil debattiert, wer die Kosten für den Rennausfall übernimmt. Wer erstattet das Ticket-Geld zurück? Und muss der Veranstalter an die Formel1 wirklich die Gebühr für die Ausrichtung des Rennens zahlen?
Es ist also ein großer Spagat zwischen Vernunft und Anspruchsdenken. Ein Spagat zwischen Gesundheit und Spaß im Leben. Für einige Tage und Wochen wird man das Rad des Sports gut anhalten können. Gelingt dies aber auch für mehrere Monate? Bei aller Vorsicht und dem Credo, dass Gesundheit immer Vorrang hat: Sport ist und bleibt ein wichtiger Bestandteil unserer Gesellschaft; und sollte nur genau so lange pausieren müssen, wie es unabdingbar ist.
Das liebe Geld
Was natürlich ebenfalls ein Faktor ist: Zahlreiche Sportvereine haben zur Zeit zwar Ausgaben, aber keine Einnahmen. Es ist gerade bei kleineren Vereinen unklar, welche Sponsoring-Partner auch im Herbst noch Geld zur Verfügung haben. Kurzum: Die Lage ist prekär, übrigens auch bei den kleineren Fußballvereinen der zweiten und dritten Liga. Alleine für die Bundesliga würde ein vorzeitiges Saison-Aus einen finanziellen Schaden von rund 750 Millionen Euro bedeuten. Auch das ist ein Thema, mit dem sich die DFL befassen muss. Richtig ist: In der Saison 20/21 steigen die TV-Einnahmen nochmals; dieses Geld könnte als leichter Puffer verwendet werden. Es würde aber nicht ausreichen, um den kompletten Schaden einzudämmen. Daher wäre die DFL gut beraten, schnell auf sichere (TV-)Partnerschaften für die Zukunft zu setzen. Aktuell wird noch davon ausgegangen, dass der neue Fernsehvertrag im Mai unterschrieben wird...