Einige Medien bezeichneten ihn als schlimmsten TV-«Bachelor»: Auf Rosenkavalier Sebastian Preuss prasselte nach Ausstrahlung der fünften Folge massivste Kritik ein. Der mediale Shitstorm machte weder vor seiner Firma noch vor seiner Familie Halt. Mit Preuss haben wir uns über die Anonymität solcher Hater unterhalten. Er erklärte uns, wie es ihm im Februar ging, ob sich das Blatt inzwischen gewendet hat und wie er jungen Menschen nun im Umgang mit sozialen Medien helfen möchte.
Herr Preuss, Ihr «Bachelor»-Abenteuer ist vorbei. Ehe wir nun über die Folgen, im doppelten Sinne, sprechen: Wenn Sie mal wieder vergeben sind, werden Sie Ihrer Freundin noch Rosen schenken können?
Ich denke, das ist ein Klassiker. Das werde ich immer machen.
Sie haben in Interviews und auch in RTL-Formaten zuletzt immer gesagt, dass Sie auf die «Bachelor»-Zeit im Guten zurückblicken werden und wollen. Was war denn letztlich das Gute daran?
Ich muss sagen, dass ich immer versuche, auf das Positive zurückzuschauen. Wenn ich etwas erlebt habe, bleibt in mir immer das Gute zurück. Was ich beim «Bachelor» erlebt habe, war sehr emotional. Ich habe in der Zeit viel über mich gelernt. Ich habe tolle Mädels kennengelernt, ich habe ein tolles Team kennengelernt. Und ich hatte sehr viel Zeit mit mir selbst, um über mich nachzudenken.
Zur Person: Sebastian Preuss
Preuss wuchs mit seiner Mutter und zwei Geschwistern in München auf. Sein älterer Bruder starb an einer Überdosis, auch Sebastian selbst hatte Probleme, war an Schlägereien beteiligt. Nach einer Haftentlassung fand Preuss seine Hingabe zum Boxsport, bis heute ist er Kick-Boxer. Inzwischen führt er einen handwerklichen Betrieb in München. 2020 wurde seine «Bachelor»-Staffel bei RTL (und TV Now) gezeigt. Es gab heftige Kritik an Ihnen, befeuert von einer großen Boulevard-Zeitung. Noch krasser als in Zeitungen wurden Sie allerdings in Social Media angegangen. Jetzt sind Sie ja ein Mann, der früher als Teenie auf den Straßen Münchens ebenfalls ausgeteilt hat. Man könnte also sagen, vielleicht können Sie daher mit markigen Worten umgehen. Waren Sie dennoch überrascht über so manche Aussage von Hatern?
Wenn ich auf meine Jugend zurückblicke, muss ich ehrlich sagen: Ich war damals niemand, der viel geredet hat. Ich habe eher schnell zugeschlagen. Was ich nun aber in den sozialen Medien erlebt habe, hat jedes Ausmaß des Vorstellbaren übertroffen. Die Unsichtbarkeit treibt die Leute an, echt richtig krasse Sachen zu schreiben. Das war mir so im Vorfeld keinesfalls bewusst.
Was war auf Facebook und Instagram während der Ausstrahlung aus Ihrer Sicht los?
Ich kann es ehrlich heute noch nicht in Worte fassen. Es hat sich angefühlt, wie wenn man durchs Einkaufszentrum geht und von jeder Seite beleidigt wird. Ich wurde beschimpft für Dinge, die ich nicht einmal gemacht habe. Beim «Bachelor» war ich immer ehrlich und den Frauen gegenüber absolut zuvorkommend. Das haben die Mädels auch immer wieder gesagt. Ich stehe zu meiner Meinung. Und für die musste ich mich quasi immer wieder rechtfertigen. Von null auf 100 ist mir derartiger Hass entgegengeschlagen, dass es mich umgehauen hat. Auch meine Mutter hat sehr gelitten. Ich habe eine absolute Hilflosigkeit verspürt. Ich wusste nicht mehr, was ich machen soll.
Wer ist das denn, der da so besonders hetzt. Sind das überwiegend Männer? Sind das vielleicht überwiegend sogar „alte, weiße Männer“?
Das kann man so genau gar nicht sagen. Die Handlungen da waren für mich großteils nicht nachvollziehbar. Zu Beginn waren es sicher die Frauen, die gegen mich gehetzt haben, besonders nach Folge fünf, als ich einer Kandidatin keine Rose gegeben habe, weil wir uns nicht geküsst hatten. Zum Schluss der Staffel, also nach Folge sieben, kamen vermehrt auch Nachrichten von Männern. Da stand dann: „Stirb an AIDS“ oder vergleichbare Sachen, die ich gar nicht wiederholen möchte.
Sie setzen sich, Herr Preuss, sehr stark für Jugendliche ein – besonders für solche, die vielleicht auch schon vom rechten Weg abgekommen sind. Für die Jugend sind solche Zustände bei Insta und Facebook quasi „Normalität“? Was muss man jungen Menschen an die Hand geben, um Posts dort einzuordnen und es vielleicht sogar selbst besser zu machen?
Ich denke, es hilft, wenn man sich dagegen stemmt. Wenn man weiterspricht, dagegenspricht. Man muss Dinge klarstellen. Ich dachte zwischenzeitlich auch mal, dass man das alles nur unter den Tisch kehren kann. Aber das geht nicht so einfach. Ich habe also weitergemacht, so, als wäre nichts passiert. Den Jugendlichen muss und möchte ich erklären, was solche Kommentare mit einem Menschen machen. Der Mensch, der die Kommentare empfängt, ist nichts Virtuelles. Er hat Gefühle, eine Familie, eine Firma – und all das leidet mit ihm.
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Den Jugendlichen muss und möchte ich erklären, was solche Kommentare mit einem Menschen machen. Der Mensch, der die Kommentare empfängt, ist nichts Virtuelles. Er hat Gefühle, eine Familie, eine Firma – und all das leidet mit ihm.
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«Bachelor» Sebastian Preuss
Was ist der Antrieb der Absender?
Sie fühlen sich wegen Ihrer Unsichtbarkeit stark. Vielleicht sind es auch gar nicht sie selbst, die diese Nachrichten schicken, vielleicht sind es auch nur ihre Finger. Sie fühlen sich jedenfalls sicher, so abgeschottet in ihrer Wohnung. Sie sind vielleicht unzufrieden mit sich und mit der Welt, sind neidisch und eifersüchtig auf andere. Das alles enthemmt.
Was mich überrascht: Sie wurden ja dafür kritisiert, dass Sie Kandidatinnen heimgeschickt haben, die Sie nicht küssen wollten. Gab es dann irgendwo auch mal Lob für Ihre klaren Prinzipien – gesundes Leben, Verzicht auf’s Rauchen?
Diese sehr persönliche Sichtweise von mir wurde ganz zum Schluss der Staffel gezeigt. Ich bin 29 Jahre alt und habe klare Vorstellungen für mein Leben, das finde ich auch wichtig, wenn man seine Ziele erreichen möchte. Dazu gehört auch das Nichtrauchen und eine gesunde Lebensweise. Als Sportler ist mir das sehr wichtig, ich lebe das. Für manche ist das vielleicht nicht so relevant, das stört mich nicht und ich verstehe, wenn mich jemand dafür kritisiert, da ich auch meine Meinung sehr stark vertrete. Aber ich kann mich in diesen Punkten nicht öffnen. Meine ganze Familie hat früher in der Wohnung geraucht, mein Bruder ist leider an Drogen gestorben – ich komme einfach nicht damit klar, wenn jemand zu viel raucht oder trinkt. Anfangs war es so, dass von 100 Kommentaren wirklich 97 Stück negativ waren – einige sogar krass negativ. Am Schluss waren 97 davon extrem positiv. Ich habe in den vergangenen Tagen so viele Mails erhalten – gerade kurz vor unserem Gespräch eine ganz liebe mit aufmunternden und tollen Worten. Das hätte ich nie gedacht. Die Leute jetzt sind noch lieber als die Leute, die vor ein paar Wochen böse waren. Vielleicht hat auch mein Interview mit Frauke Ludowig dazu beigetragen, dass die Leute mich besser verstehen.
Wie schon angesprochen: Die Kritik, auch medial, war enorm. Von wem und wie haben Sie während der Ausstrahlungsphase denn Beratung und Unterstützung erhalten?
Das waren in erster Linie nur meine Freunde – Janine, Kai und Simon. Ich habe mich teilweise in meiner Firma vor meinen Mitarbeitern geschämt. All das hat auch dazu geführt, dass ich viel gezweifelt habe.
Die Folgen waren krass – Sie haben Aufträge verloren. Sie haben eine Partnerschaft mit einer Jugendeinrichtung verloren…
Der Richter möchte nicht mehr, dass ich in die JVA gehe, wo ich ein Training mit Jugendlichen absolviert habe. Meine Sekretärin hat gekündigt. Auch eine weitere Partnerschaft, die mir sehr wichtig ist, lag erstmal auf Eis, das versuche ich nun alles wieder hinzubiegen.
Ist das auch ein Sinnbild für eine ungerechte Gesellschaft: Sie sind ein junger Mann, der sicherlich Fehler gemacht hat, sich aber heraus gekämpft hat, sich eine Firma aufgebaut hat und sich karitativ engagiert. Dass das jetzt von außen eingerissen wird, weil Ihre Vergangenheit Sie einholt, erscheint ganz nüchtern betrachtet als nicht gerecht…
Bisher hat in meinem Leben immer alles einen Sinn ergeben. Ich glaube, dass mich diese Sendung noch stärker gemacht hat. Das Positive wird überwiegen. Aber Sie haben schon recht: Ich war einige Zeit wirklich am Boden zerstört. Ich habe sogar mit dem Gedanken gespielt, auszuwandern. Wenn sich plötzlich alle gegen dich stellen, dann tut das weh. Ich habe mir selbst und alleine da rausgeholfen, ich musste mir selbst da raushelfen. Aber wie schon gesagt: Alles hat einen Sinn und ich bin sehr dankbar dafür, dass ich das alles erleben durfte.
Haben Sie weitere TV-Pläne? Zahlreiche Teilnehmer aus «Bachelor»-Formaten tauchen später ja in weiteren Privatfernsehsendungen auf…
Sag niemals nie – das ist immer mein Motto. Aber aktuell habe ich mich distanziert – egal, welche TV-Kuppelshow das ist. Was ich mir aber vorstellen kann, sind Formate wie «Let’s Dance» oder auch «Ninja Warrior». Grundsätzlich aber bin ich sehr stolz auf die Projekte, die jetzt gerade entstehen. Und ich bin sehr stolz auf mein Team in meiner Firma, ich habe ja einen Malereibetrieb in München.
Danke für das Gespräch.