Seit Sonntag informieren Sat.1 und Bild in einer „einzigartigen Kooperation der beiden Medienhäuser“ über die Coronakrise. Auch die Sendung an sich ist, je nach Blickwinkel anders, einzigartig.
Er hat durchaus für Verwirrung gesorgt bei einigen Programmmachern: Der Schritt von Sat.1, sich ab Sonntag mehr News zu gönnen, die zusätzliche Sendezeit aber zumindest nicht regelmäßig von seinem normalen Nachrichtenlieferanten WELT zu organisieren, sondern eine zweite und komplett abgekoppelte News-Sendung namens
«BILD Corona Spezial» ins Programm zu hieven. Möglicher Plan hinter dem Schachzug: BILD, das seine Online-Reichweite zuletzt wegen des Virus massiv ausbaute, bewirbt die Sendung recht prominent online und hätte theoretisch somit zahlreiche Zuschauer in den Sat.1-Vorabend gelockt. Gleichermaßen hätte auch BILD profitieren können; durch die TV-Präsenz unterstreicht man seine Bewegtbild-Ambitionen, die schon auf BILD Online zuletzt massiv hochgeschraubt wurden.
Hätte. Nach starkem Start am Sonntag und über 13 Prozent Marktanteil (die aber wohl eher dem starken «The Biggest Loser»-Vorlauf geschuldet waren) fielen die Zielgruppen-Quoten schnell in den sehr dürftigen Bereich. Am Dienstag waren noch fünf Prozent Marktanteil möglich. Eventuell hatten sich die Zuschauer von der „einzigartigen Kooperation der beiden Medienhäuser“ auch einfach mehr versprochen. Am Dienstag etwa, als zahlreiche Unternehmen den ersten Tag dicht machen mussten und viele nicht wussten, ob das nun Chance oder Gefahr ist, zeigte das «BILD Corona Spezial» mit großen und schwermütigen Bildern eine „zerrissene Familie“, ein kleines Kind, das seine Oma nun nur noch durch eine Glasscheibe sehen darf. Fraglos: Mit Dampfhammer-Methodik wurden die etwas über eine Million Zuschauer darauf hingewiesen, Kleinkinder, die das Virus ebenfalls in sich tragen können, zur Zeit besser nicht zu den Großeltern in Obhut zu geben.
Am Montag bestand der vermeintlich von BILD entdeckte Skandal in recht laschen Kontrollen am Flughafen. Immerhin: Verkehrsminister Andreas Scheuer stand der Sendung für eine Interview-Schalte parat, wurde allerdings eher mit Zuschauerfragen irrelevanterer Natur konfrontiert. Trotz der einzigartigen Kooperation der Medienhäuser kamen also keine messerscharfen Analysen und Fragestellungen zustande, wie die Zuschauer sie Abend für Abend vom «heute-journal» kennen. Das ist von den Machern vermutlich auch so gewollt. Boulevard-Journalismus hört eben auch in Krisenzeiten nicht auf zu existieren.
Anders wird ein Schuh draus: Man darf sich einfach nicht fragen, welche Möglichkeiten eine Redaktion wie der
Bild hätte, wenn sie ernsthaften, klugen und durchweg anständigen Journalismus betreiben würde. Stattdessen lebt
Bild – damals wie heute – von großen Buchstaben und jetzt eben noch größeren Bildern. Zahlen geben den Machern recht, die riesige Schlagzeile verkauft sich auch 2020 noch – gedruckt, im Web oder als Bewegtbild. Zweifelsfrei würde man sicherlich auch einige Nutzer vor den Kopf stoßen, stünde Matthias Killing in bester Ulrich-Wickert-Manier an seinem Nachrichtentisch. Insofern ist das «BILD Corona Spezial» sicherlich die logische Folge und trifft den Markenkern der Springer-Zeitung recht gut. In Krisenzeiten darf man sich aber anderes wünschen.