«The Hunt» - Der Film, den Donald Trump verbieten wollte

Es war einer der Skandalfilme 2019, obwohl er erst in diesem Jahr ins Kino kam: Gegen «The Hunt» wurde noch vor seiner Erscheinung protestiert; unter anderem von Donald Trump. Der Grund dahinter ist ebenso banal wie simpel. Und der Film natürlich keinerlei Skandal wert. Er ist nur eben einfach ziemlich böse.

Filmfacts: «The Hunt»

  • In den USA als VOD verfügbar, in Deutschland voraussichtlich noch 2020 im Kino
  • Genre: Survivalhorror/Satire
  • Laufzeit: 90 Min.
  • Rated R
  • Kamera: Darran Tiernan
  • Musik: Nathan Barr
  • Buch: Nick Cuse, Damon Lindelof
  • Regie: Craig Zobel
  • Darsteller: Betty Gilpin, Hilary Swank, Ike Barinholtz, Emma Roberts, Wayne Duvall
  • OT: The Hunt (USA 2020)
Manche Kritikeinstiege finden sich leichter, anderer schwerer. Der für die Besprechung zu Craig Zobels Horror-Groteske «The Hunt» schreibt sich fast von selbst. Schließlich hat der Film im vergangenen Jahr einen riesigen Skandal ausgelöst, noch bevor ihn überhaupt irgendjemand zu Gesicht bekam. Der Grund dafür: die durchaus provokante Prämisse. In «The Hunt»] geht es nämlich darum, dass eine Gruppe junger Menschen, vorwiegend mit republikanischem Gedankengut ausgestattet, von anderen (liberalen!) Menschen gejagt wird. Auch Donald Trump selbst stieg auf die Barrikaden und schimpfte auf Twitter: „Liberal Hollywood is Racist at the highest level, and with great Anger and Hate! They like to call themselves “Elite,” but they are not Elite. In fact, it is often the people that they so strongly oppose that are actually the Elite. The movie coming out is made in order to inflame and cause chaos. They create their own violence, and then try to blame others. They are the true Racists, and are very bad for our Country!“

Da zum Zeitpunkt erster «The Hunt»-Ankündigungen zudem einige blutige Gewalttaten und Amokläufe die Vereinigten Staaten erschütterten, rückte Universal Pictures im August 2019 erst einmal davon ab, seine Menschenjagd-Satire zu veröffentlichen. Mittlerweile ist jedoch genug Zeit ins Land gegangen, sodass der Verleih in Zusammenarbeit mit der Produktionsfirma Blumhouse Productions («The Purge») nun einen neuen Anlauf wagte. Die Pressestimmen zeigten sich massiv geteilt; Man scheint «The Hunt» entweder zu lieben oder zu hassen. Bei Metacritic weist der Film aktuell einen Metascore von exakt 50 auf – das muss man erstmal schaffen! Vor allem aber kann man sich (zumindest über US-amerikanische Streamingplattformen) nun selbst ein Bild von der ach so gewaltverherrlichenden Menschenhatz machen. Aufgrund der Corona-Krise verfrachtete Universal den Film verfrüht ins VOD-Sortiment von iTunes und Co.



Die Jagd ist eröffnet!


Zwölf Fremde wachen auf einer Waldlichtung auf. Niemand von ihnen weiß, wo sie sich befinden und wie sie dort hingekommen sind. Ebenso wenig wissen sie, dass jeder und jede von ihnen ausgewählt wurde, und zwar für einen ganz speziellen Zweck: die Jagd. Im Schatten einer düsteren Internet-Verschwörungstheorie versammelt sich eine elitäre Gruppe erstmals auf einem abgelegenen Anwesen, um ganz normale Amerikaner und Amerikanerinnen zum Spaß zu jagen. Doch ihr perfider Plan fällt schnell in sich zusammen, denn eine der Gejagten, Crystal (Betty Giplin), beherrscht das grausame Spiel der selbst ernannten Elite besser als sie selbst. Sie dreht den Spieß um und schaltet einen der Killer nach dem anderen aus, bis sie schließlich vor der rätselhaften Frau (Hilary Swank) steht, bei der alle Fäden zusammenlaufen…

Wann immer politisches Gedankengut zwecks Satire überstilisiert wird, gehen die Meinungen darüber, wie gut das gelungen ist, radikal auseinander. Jüngstes Beispiel: Taika Waititis «Jojo Rabbit», den die einen als zu lasch, die anderen als zu lustig und wieder andere für eine Comedy als zu niederschmetternd empfanden. Mit einer Sache macht es «The Hunt» seinem Publikum schon mal sehr leicht: Regisseur Craig Zobel («Z for Zachariah») bemüht sich erst gar nicht, in seiner Aussage irgendwie subversiv zu sein. Zwar fragt man sich zumindest ganz zu Beginn noch, woher eigentlich die politbedingte Empörung gerührt haben mag. Schließlich erweist sich die sogenannte „Elite“, wie sich die Menschenjäger selbst nennen, vor allem als Ansammlung neureicher Schnösel. Wem die Killertruppe (und im Umkehrschluss auch die Gejagten) bei der letzten US-Wahl ihre Stimme gegeben hat, spielt dagegen erst einmal keine Rolle. Dadurch erinnert «The Hunt» zunächst an «Hostel», wo ebenfalls ein Haufen Menschen mit dem nötigen Kleingeld dafür bezahlen, andere Menschen zu foltern.

Doch der politische Subtext kommt: erst als kurzer Nachrichtenfetzen über die Folgen des Klimawandels („Climate change is real!“), später über die Konfrontation eines der Gejagten mit illegal immigrants. Immer wieder beschwört das Skript von «Lost»-Mastermind Damon Lindelof und Nick Cuse («Maniac») den Konflikt zwischen den Hardcore-Republikanern und ihren selbst gewählten Feindbildern herauf, während aus sicherer Entfernung die korrekt gendernden Liberalen die Schusswaffe auf sie richten. Das ist nie subtil, bisweilen sogar richtig plump. Gleichzeitig unterwandern die Macher ihren Plan von der Auf-die-Fresse-Kritik aber früh genug, um zu zeigen: Mit reißerischem Populismus hat «The Hunt» dann eben doch herzlich wenig zu tun.

Gestört aber geil


Auf den zweiten Blick strotzt ja schon die Ausgangslage vor Ungereimtheiten: Ausgerechnet die Liberalen eröffnen die Jagd auf die ach so waffenvernarrten Republikaner. Aber müssten nicht die Republikaner die ihrer Wahrnehmung nach vermeintlich kleingeistigen, die Augen vor der Wahrheit (ergo: illegale Masseneinwanderung, behauptetem Klimawandel…) verschließenden Gegner zur Strecke bringen wollen, so kampfbereit und radikal sich diese sonst immer in den Medien und sozialen Netzwerken präsentieren? Mit einem populistischen Donald Trump an der Spitze? Weshalb sind es nun ausgerechnet die eigentlich so friedliebenden, diskussionsbereiten Liberalen, die mit den buchstäblichen Waffen der Gegenseite hantieren? Die Antwort: Weil’s so viel mehr Spaß macht! Craig Zobel denkt in «The Hunt» nicht ansatzweise derart radikal wie man es für einen Film dieses Kalibers erwartet hätte. Gewiss: In Sachen Brutalität, Kompromisslosigkeit und Gore-Gehalt macht er keine Gefangenen. Auch seine politischen Aussagen prügelt er mit der Brechstange in den Zuschauer (oder eben im wahrsten Sinne des Wortes in seine Figuren) hinein. Sein Fett weg bekommt dabei allerdings jeder. Und dies geschieht letztlich vollkommen unabhängig von jedweden gesellschaftspolitischen Ansichten.

Der unbedingte Wille nach sozialer Gerechtigkeit relativiert die Methoden der brutalen Elite-Jäger noch lange nicht. Auch mit einer im Internet zu Mobs aufrufenden Hardcore-Republikanerin kann man in entscheidenden Szenen schon mal mitfiebern. Genauso gut lassen sich derartige Argumentationen aber auch umdrehen. «The Hunt» verschließt sich in Gänze vor jedweder Schwarz-Weiß-Zeichnung, sodass man sich bis in die aller letzte Szene fragt, ob es genau dieses ‘final girl‘ nun eigentlich verdient hat, zu überleben, oder ob es jemand anderes oder möglicherweise sogar gar keiner hätte sein sollen. Nicht umsonst stand ausgerechnet Richard Orwells „Animal Farm“ Pate für «The Hunt»; „Human Farm“ sozusagen.

Doch «The Hunt» besteht natürlich nicht bloß aus einer Satire-Ebene. Craig Zobel ist mit seinem Survival-Horrorfilm auch einfach ein verdammt unterhaltsamer Genrebeitrag gelungen, der in seiner übersichtlichen Laufzeit von gerade mal 94 Minuten derart viele Twists und Turnarounds aufweist, dass man schon nach der ersten Hälfte jede erdenkliche Entwicklung für möglich hält. Allein in den ersten 15 Minuten etabliert Zobel über ein halbes Dutzend Hauptfiguren, nur um sich im nächsten Moment direkt wieder von ihnen zu trennen. Eh sich hier die Motivationen, geschweige denn irgendeine Aufteilung in Pro- und Antagonist abgezeichnet hat, ist der Film fast schon wieder vorbei. Und bis dahin kam der Zuschauer in den Genuss jeder Menge spektakulärer Kills (hierzulande dürfte bei der Masse an abgetrennten Gliedmaßen, zerfetzten Körpern und herausgerissenen Augäpfeln eine FSK-Freigabe ab 18 sicher sein), einer grausamen Abwandlung der berühmten Kinder-Mutmach-Geschichte von Hase und Igel und der Erkenntnis, dass man in «The Hunt» niemandem, aber auch wirklich niemandem trauen darf.

Einen großen Anteil am bitterbösen Charme des Films tragen die beiden Schauspielerinnen Hilary Swank («Million Dollar Baby») und Betty Gilpin («The Grudge») bei. Während die eine als Anführerin des Elite-Clans die wohl zynischste Filmschurken-Entstehungsgeschichte aller Zeiten hat, gibt die andere in einer spektakulären One-Woman-Show eine bemerkenswert körperliche Performance zum Besten. Beides kulminiert in einem brutal-gewitzten Showdown, der zeigt, dass man kein voll ausgestattetes Waffenarsenal, sondern lediglich eine halbwegs solide ausgestattete Küche benötigt, um einander so richtig schön wehzutun.

Fazit


«The Hunt» ist ein im besten Sinne abgefuckter, bitterböser, mit fiesem Humor, Unmengen an Twists und spektakulären Kills angereicherter Mix aus Politkommentar und Survival-Horror, der von der ersten bis zur letzten Sekunde, vor allem aber dank zwei hervorragend aufgelegten Hauptdarstellerinnen enorm viel Spaß macht.

«The Hunt» soll noch in diesem Jahr in die deutschen Kinos kommen. In den USA ist der Film im Zuge der Corona-Krise bereits als VOD erhältlich. Der Sky Store will ihn in Deutschland ab dem 14. Mai zum Kauf anbieten,
25.03.2020 10:00 Uhr  •  Antje Wessels Kurz-URL: qmde.de/116925