Popcorn und Rollenwechsel: Zweite Chance für «Die Eiskönigin II»?

Mit ein paar Monaten Abstand hat sich unser Filmkritiker erneut «Die Eiskönigin II» angeschaut.

Ich bin ja wahrlich kein Fan des «Die Eiskönigin»-Franchises. Teil eins finde ich nervig, die Kurzfilme finde ich grausig und Teil zwei habe ich in meiner Kino-Kritik auch eher mager besprochen. Ich mag aber die animierte LEGO-Parodie der Geschichten von Anna und Elsa, falls das irgendeiner Seele da draußen ein Trost sein sollte.

Doch anlässlich des kürzlich erfolgten Heimkinostarts habe ich «Die Eiskönigin II» eine zweite Chance gegeben. Nun, wollen wir doch mal schauen, wo der Film in meinen Augen zugelegt hat und wo er womöglich abgebaut hat …

Die Story
Bei der Erstsichtung habe ich «Die Eiskönigin II» mangelnde Konsequenz unterstellt – wer den Film gesehen hat und sich das Ende in Erinnerung ruft (Stichwort: Riesenwelle), erahnt vielleicht, was mich stört. Nun, wo ich ja weiß, wie der Film ausgeht, stört mich dieses feige Ende sogar noch mehr: «Die Eiskönigin II» ist die Geschichte zweier Schwestern, die unschöne Wahrheiten über ihre Herkunft und eine frühere Generation ihres Volkes aufdecken – und nach viel Hokuspokus, Verwirrung und Rumgescherze kommen wir zum Schluss, dass … joah, zu welchem Schluss überhaupt? "Passt schon, Schwamm drüber"?

Da zudem das Art-of-Buch zu «Die Eiskönigin II» verrät, dass im frühen Produktionsverlauf ein ärgeres Ende geplant war, in dem symbolisch Rechnung für einstige Fehler getragen wird, hinterlässt mich «Die Eiskönigin II» nun nur noch frustrierter. Es ist glatt so, als hätten die Pläne für «Die Eiskönigin»-Bezirke in mehreren Disney-Themenparks diesem Film erzählerische Steine in den Weg gelegt. Ein Jammer.

Unschöne Interpretationsmöglichkeiten?
In «Die Eiskönigin II» brabbelt Schneemann Olaf vor sich hin, dass Wasser ja ein Gedächtnis hätte, was sich in der Zauberwelt dieses animierten Disney-Märchens als korrekt herausstellt: Schnee-und-Eis-Magierin Elsa bekommt so vergangene Ereignisse vorgeführt, was ihr in ihrer emotionalen Reise enorm hilft. Das brachte dem Film nach dem Kinostart jedoch vereinzelt, aber dafür umso schärfer, Kritik ein. Disney würde somit fahrlässig den Zuckerwasserpanschern und Abzockern aus der Homöopathie in die Karten spielen, die ja ebenfalls behaupten, dass Wasser sich erinnern kann – zum Beispiel daran, dass vielleicht mal irgendwann ein Wirkstoff an ihm vorbeigelaufen ist.

Nach meinem Rewatch muss ich sagen: Auch wenn ich die Sorge verstehen kann, dass man auf gar keinen Fall in einem Familienfilm Werbung für Homöopathie-Geschwurbel sehen möchte, holpert es für mich bei der Übertragung vom Filminhalt auf die Pseudowissenschaft. Im Film ist die Erinnerungsfähigkeit des Wassers ein Zauber-Handlungsmechanismus – das kühle Nass ist, mal ganz tumb ausgedrückt, fähig, Clips aus dem ersten Teil und dessen neu hinzu gedichteter Vorgeschichte abzuspielen. Da hat nichts von "Vierzig Liter Wasser erinnern sich daran, dass in ihnen eine Aspirin aufgelöst wurde, also lindert ein Schluck Wasser deine Kopfschmerzen". Daher: Unglücklich, dass Abzocker denselben Spruch benutzen wie Olaf, aber Homöopathie-Propaganda sieht für mich anders aus. Freispruch für die Eiskönigin.

Klang und Bild
Der Bildtransfer auf der Blu-ray kann sich zweifelsohne sehen lassen und während «Die Eiskönigin» optisch schon etwas gehetzter produziert und simpler aussieht als der etwas ältere «Rapunzel», ist «Die Eiskönigin II» auf der Höhe dessen, wie detailliert und filigran ein Disney-Computeranimationsfilm in den 2010er-Jahren aussehen kann. Schneelandschaften sind nicht einfach nur weiße Flächen, die bis zum Horizont reichen, sondern körnig, schattiert und komplex. Der herbstliche Wald, in dem sich weite Teile des Films abspielen, sieht aus wie die märchenhaft überhöhte Wirklichkeit. Und die Kleidung der «Die Eiskönigin II»-Figuren ist fast schon absurd detailreich. Diese visuelle Stärke kaschiert sogar so manche Anschlussfehler, die aber eklatant sind, sobald man sie erst einmal bemerkt hat.

Und hinsichtlich der Songs hat sich seit der Kinoauswertung für mich auch nicht viel getan: "Show Yourself" und "Into the Unknown" sind kraftvolle Songs mit einer in sich ausgereiften Dramaturgie und die restlichen Lieder in «Die Eiskönigin II» gehen bei mir zu einem Ohr rein und zum anderen Ohr wieder heraus. Vielleicht finde ich beim wiederholten Male Olafs selbstironische erste Nummer etwas witzloser als beim ersten Mal, da mir nun bewusst ist, dass die hier gestreuten thematischen Saatkörner nicht mehr aufgehen werden – aber es ist nicht so, als würde das den Song bei mir nennenswert noch weiter nach unten drücken …

Die Extras
Manchmal vermögen gute Blu-ray-Extras es ja, mich wenigstens zu einem Freund einer Heimkino-Veröffentlichung zu machen, selbst wenn ich den Film nicht mag. Die Extras zu «Die Eiskönigin II» sind zwar ausführlicher und zahlreicher, als es mittlerweile leider zum Standard geworden ist – dennoch kratzt man leider nur an der Oberfläche. Die Featurette "Ein Soundtrack mit Folgen" ist ein kurzweiliger, knapper Abriss rund um die Musik des Films, und die Trivia-Sektion hat so ihre ansprechenden Fun Facts. Trotzdem sollte bei einem Milliarden-Dollar-Erfolg, der im Produktionsprozess ein paar Haken geschlagen hat, mehr drin sein. Solide bis gute Extra-Ausbeute mit etwas schalem Nachgeschmack, da klar ist, was möglich gewesen wäre …

Fazit
«Die Eiskönigin II» bleibt für mich ein glanzloser Abschluss einer insgesamt sehr gelungenen Disney-Animationsfilm-Dekade. Mir graut es ein wenig vor dem sicher unvermeidlichen dritten Teil.
02.04.2020 10:09 Uhr  •  Sidney Schering Kurz-URL: qmde.de/117137