Ein kleines Fischerdorf in den USA, in dem raues Wetter herrscht und die gemütliche Ausstrahlung der Bewohner nur Fassade ist …
Filmfacts «Leg den Kerl um»
- Regie und Drehbuch: Bridget Savage Cole & Danielle Krudy
- Produktion: Alex Scharfman, Drew Houpt, Tim Headington, Lia Buman
- Cast: Morgan Saylor, Sophie Lowe, Annette O'Toole, Marceline Hugot, Gayle Rankin, Will Brittain, Skipp Sudduth, Ebon Moss-Bachrach, June Squibb, Margo Martindale
- Musik: Brian McOmber, Jordan Dykstra
- Kamera: Todd Banhazl
- Schnitt: Marc Vives
- Laufzeit: 90 Minuten
Rund ein Jahr nach seiner Weltpremiere auf dem Tribeca-Filmfestival, wo dieser schwarzhumorige Kriminalfilm von positivem Presseecho begleitet seine Weltpremiere feierte, gelangte «Leg den Kerl um» ziemlich heimlich, still und leise als Exklusivtitel ins Programm von Amazon Prime Video. Es ist das Langfilm-Regiedebüt und -Skriptdebüt von Bridget Savage Cole und Danielle Krudy, zwei Absolventinnen der Wesleyan University. Cole stammt aus einem Fischereiort und verbrachte viele Sommer damit, in Fischlokalen zu schuften. Nach vielen Kurzfilmen, bei denen sie Regie geführt hat, lernte sie beim Dreh eines Musikvideos, bei dem sie als Kamerafrau tätig war, Danielle Krudy kennen, die es nach ihrem Studium an der Wesleyan erst an die Filmakademie Baden-Württemberg verschlagen hat, ehe sie für den angesehenen Kameramann Matthew Libatique («Black Swan») als Assistentin tätig wurde und dann bei Annapurna Pictures als Recherchekraft anheuerte.
Mit ihrer Zusammenarbeit «Leg den Kerl um» haben Krudy und Cole zwar noch längst keinen Volltreffer gelandet – aber mit ihrer interessanten Perspektive auf schon oft erzählten Stoff ("Ein beschauliches Dorf ist in Wahrheit ein völlig verruchter Ort!") und einem soliden Händchen für komplexe Tonalitäten empfehlen sie sich als Duo, das man im Auge behalten muss …
Die Schwestern Mary Beth (Morgan Saylor) und Priscilla Connolly (Sophie Lowe) sind noch dabei, um ihre Mutter zu trauern, da wird ihre Welt völlig auf den Kopf gestellt. Erst kommt es zu einer fatalen Begegnung mit einem übergriffigen Mann, dann müssen sie ein versehentliches, schweres Verbrechen vertuschen, und dann wühlen sie zudem im Zuge dessen die halb-legalen und völlig illegalen Geheimnisse ihres Heimatdorfes auf. Denn die gemütliche, konservativ-kühle Langeweile in diesem Küstenort ist nur Fassade – wie sich etwa am lokalen Bed & Breakfast zeigt, das in Wahrheit ein Bordell ist …
Skurrile Persönlichkeiten, ein kleiner Ort, an dem sich haarsträubende und teilweise sehr brutale Dinge abspielen, was mit bergeweise urigem Lokalkolorit überschüttet wird, und eine den schwarzen Humor aufwiegende, dramatisch-melancholische Ader: Der Vergleich zwischen «Leg den Kerl um» und den Coen-Brüdern liegt auf der Hand, zumal Krudy und Cole ihre Geschichte mehrmals kommentieren, indem Figuren den morbiden (und für den «Leg den Kerl um»-Originaltitel verantwortlichen) Chanty-Klassiker "Blow the Man Down" singen. Die Tonalität dessen, wie das Lied gesungen wird, wie sich die Interpreten anordnen und wann welche Textzeilen zitiert werden, dient als sehr trockener, fies-pointierter Kommentar auf die Filmhandlung – und gibt dem Film eine prägende atmosphärische Klammer.
Die ist auch insofern nötig, als dass die Geschichte zerfasert und selbst bei 90 Minuten schon etwas überdehnt geraten ist. Den Enthüllungen über den Schauplatz fehlt es an Brisanz, um nennenswerte schwarzhumorige Fallhöhe zu erschaffen, und die zentralen Schwestern geraten in der zweiten Filmhälfte zu sehr in den Hintergrund, als dass die Diskrepanz zwischen ihrer verletzlichen Gefühlslage und dem rauen Tonfall im Fischerdorf größere emotionale Triebe entwickeln würde.
Aber: Das Regie-Duo verleiht dem Fischerdorf immensen Charakter und wechselt behände von kauzigem zu morbidem Humor, von ruhiger Dramatik zu Krimi-Spannung – und erzeugt gemeinsam mit Kameramann Todd Banhazl eindrucksvolle, vom rauen Wetter geprägte Bilder, denen der vornehmlich weibliche Cast durch kerniges Spiel gerecht wird. Mit diesem fähigen Ensemble mischen Cole & Krudy auch ebenso nebensächlich wie selbstverständlich die Genre-Maßstäbe auf: Solche coeneske Räuberpistolen bleiben zumeist männlich dominierten Ensembles vorbehalten, hier dagegen wird die Macht gerissener Frauen zelebriert, ohne dass darum ein Aufheben gemacht wird. Cole und Krudy inszenieren es so, als wäre es filmischer Alltag – und so tragen «Leg den Kerl um» schon jetzt zu einem diversen Kino der Zukunft bei, statt sich bloß dafür einzusetzen.
Fazit: «Leg den Kerl um» ist atmosphärische, solide erzählte Humor-Krimikost, der es zwar etwas an Fokus mangelt, die aber zugleich große Lust auf weitere Arbeiten des Regie- und Skript-Duos Bridget Savage Cole & Danielle Krudy erzeugt.
«Leg den Kerl um» ist auf Amazon abrufbar.