Aber es bleibt still in Rotterdam. Stattdessen gibt es am Wochenende im deutschen Fernsehen zwei Ersatzveranstaltungen. Quotenmeter.de feiert das Musik-Event dennoch – nur eben in Rückblicksform.
Vermutlich an die acht Millionen Menschen hätten am Samstagabend in Deutschland gerne eine große Party gefeiert. Eine «ESC»-Party. Die Welt wäre in Rotterdam zu Gast gewesen; vielleicht hätte Deutschland wieder schlecht abgeschnitten. Ben Dolic hätte in jedem Fall „Violent Thing“ gesungen und ganz sicher versucht, nicht 25. zu werden. Auf diesem Rang landete der deutsche Act Sisters im Vorjahr. Corona hat aber dafür gesorgt, dass es heißt: Kein «ESC» 2020. Das Motto
Open Up! wird eher zu
Close Up.
Die European Broadcasting Union hat nun eine Ersatz-Show aus Hilversum auf die Beine gestellt:
«Europe Shine a Light», die all diejenigen ehren möchte, die in diesem Jahr beim «ESC» in Rotterdam aufgetreten wären. Die Übertragung wird im Ersten in einen großen ARD-Musik-Abend eingebettet und startet um 21.55 Uhr. ProSieben veranstaltet nach der Idee von Stefan Raab einen freien «ESC» – in Köln sollen Künstler für 15 Länder auftreten. Hier geht es direkt um 20.15 Uhr los.
Dass die Veranstaltungen an das eigentlich geplante Mega-Event herankommen, fraglich. Deutschland hatte übrigens zuletzt ein sehr gespaltenes Verhältnis zum europäischen Musik-Event. Besonders häufig hagelte es zuletzt schlechte Platzierungen. 2016 wurde die Bundesrepublik sogar Letzter, auch 2015 stand das Land ganz hinten an. Levina manövrierte Deutschland 2017 nur auf Rang 25. Cascada, die vor sieben Jahren für die Bundesrepublik auf der Bühne standen, bescherten den Schwarz-Rot-Gelben immerhin Rang 21. Die guten Zeiten für Deutschland beim «ESC» – sie waren fraglos vorbei.
Gut – das waren zusammen neun zweite und dritte Plätze bei der Veranstaltung. Zwei Mal Wind, einmal Katja Ebstein und einmal Lena Valaitis sicherten sich Silber – alles in den 80er-Jahren. Ebstein hatte in den 70ern bereits zwei Mal die dritte Position eingeheimst, der Ralph-Siegel-Hit „Wir geben ne Party“ sicherte sich 1994, vorgetragen von Mekado, Platz drei. Margot Hielscher schnappte sich im Jahr 1954 mit „Telefon, Telefon“ den vierten Rang. Lang ist’s her.
Gefühlt schon lange her ist auch der größte und bis dato zweite ganz große «ESC»-Erfolg für Deutschland. Nach Nicole 1982 sicherte sich Lena 2010 den Sieg – ihr Song „Satellite“ ging einmal um die Welt. Er ist einer von sechs deutschen «ESC»-Nummern, die hierzulande die Chartspitze eroberten. Das gelang zuletzt auch noch Max Mutzke („Can’t Wait Until Tonight“) im Jahr 2004 und Texas Lightning mit „No No Never“ 2006. Lenas zweite «ESC»-Single, die Siegerin durfte dann 2011 direkt nochmal antreten, belegte Chart-Platz zwei, sie wurde in der Show damit nur Zehnte.
In der alle Jahre überdauernden Bestenliste aller Länder liegt Deutschland übrigens, nicht zuletzt dank der starken Ergebnisse vor der Jahrtausendwende, auf Platz zehn. Irland, Schweden und das Vereinigte Königreich (das jüngst ebenfalls kaum noch etwas riss) machten die Spitze unter sich aus. Frankreich ist Vierter. Die Engländer haben die Veranstaltung übrigens am häufigsten ausgetragen – zuletzt fand das Event 1998 in Birmingham statt. Dublin ist derweil die «ESC»-Stadt Nummer eins. Von den sieben irischen Ausrichtungen gastierte der Wettbewerb dort sechs Mal – zuletzt 1996.
In Deutschland war das Event 2011 zu Gast; die Düsseldorf Arena richtete den Wettbewerb damals aus. Ein Jahr nach dem Sieg von Nicole war die Rudi-Sedlmayer-Halle in München die Gaststätte für das Event, der erste «ESC» auf deutschem Boden fand übrigens 1957 in Frankfurt statt und kam aus dem großen Sendesaal des Hessischen Rundfunks. Für 2021 ist ein neues Event geplant, Detailfragen müssen aber noch geklärt werden. Sind die Niederlande erneut Ausrichter? Findet der «Eurovision Song Contest», der für die gastgebenden TV-Stationen ein alles andere als billiges Abenteuer ist (der niederländische Sender NOS hatte mit Kosten im Bereich von rund 26,5 Millionen Euro geplant), auf neutralem Boden statt?