«Enthüllungen zu Mitternacht» ist die neuste SciFi-Animationserie von «Adventure Time»-Erfinder Pendleton Ward und «Rick and Morty»-Co-Creator Duncan Trussel. Leider präsentiert sich die Serie in ihrer ersten Staffel aber weder als Fleisch, noch als Fisch.
Die Prämisse
Clancy lebt in einem Haus mitten im All. Gelangweilt von der Erde hat er seinen Heimatplaneten verlassen, um sich voll und ganz seinem gebraucht gekauften Planeten-Simulator widmen zu können. Auf fremden und surrealen Welten begegnet er interessanten Aliens, die er für seinen wenig erfolgreichen Space-Cast interviewt. Im Laufe der Gespräche kommen immer wieder universell-philosophische Themen auf den Tisch. So diskutiert Clancy im Verlauf seiner virtuellen Reisen mit dem Präsidenten einer von einer Zombie-Apokalypse heimgesuchten Welt über psychedelische Drogenerfahren oder mit einem Fisch über Buddhismus. Seine Erlebnisse bereitet Clancy schließlich als Videos auf und stellt sie online.
Zu ambivalent für diese Welt?
Man darf sich schon fragen, was genau «Adventure Time»-Schöpfer Pendleton Ward und der bekannte Podcaster und Co-Creator von «Rick and Morty», Duncan Trussel, im Sinn hatten, als sie «Enthüllungen zu Mitternacht» erschufen. Während sich «Rick and Morty» intelligenter Ideen mit zahlreichen natur- und geisteswissenschaftlichen Querverweisen bedient, versuchen Trussel und Ward in ihrer neuen SciFi-Animation-Show metaphysische und religionsphilosophische Themen vor surrealem Hintergrund zu diskutieren.
Diskutieren ist dabei genau das richtige Wort, denn die oben angeschnittenen Konversationen finden in der Regel in Form eines Podcast-Dialoges statt – und klingen leider auch so. Wo das große Cartoon-Vorbild mit Wort- und Bildwitz punktet und dafür zurecht vielfach ausgezeichnet wurde, versagt «Enthüllungen zu Mitternacht» auf beiden Ebenen. Zwar ist es durchaus interessant, Clancy in seinem Planetensimulator auf die merkwürdigsten Welten zu begleiten und beispielsweise während der erwähnten Zombieapokalypse über Drogen fabulieren zu hören. Auch über den Tod zu philosophieren, während man als simuliertes Irgendwas in einer riesigen Clown-Stadt zu Mett verhackt wird, erscheint auf den ersten Blick als spannend ambivalente Idee. Leider zündet jedoch weder der von überdrehten Animationen geprägte Zeichenstil, noch der sprachliche Inhalt der Serie wirklich. Als Gesamtkonstrukt, so gut es auch gemeint sein mag, wollen die Zahnräder einfach nicht richtig ineinandergreifen, um ein kohärentes Bild zu erzeugen.
© Netflix
«Enthüllungen zu Mitternacht» ist die Geschichte des Weltraumvideocasters Clancy, dessen Multiversum-Simulator defekt ist und der deshalb sein bequemes außerdimensionales Heim im Chromatischen Band verlassen muss, um Lebewesen in anderen Welten zu interviewen.
Humor ist eben Empfindungssache und der soll in der Serie überwiegend auf der Animationsebene vermittelt werden. Ob es allerdings lustig ist, einem Fisch im Glas auf einem Roboterkörper dabei zuzusehen, wie er Katzen als Währungsmittel für seltsame Science-Fiction-Technologien verwendet, soll jedem selbst überlassen bleiben. Und wenn Clancy in einem wenig schmeichelhaften Avatar mit jenem Fisch dabei in einen mäßig unterhaltsamen Diskurs über Buddhismus und Meditation tritt, entzieht sich dem Zuschauer die eigentliche Motivation der Serie vollends.
An den eigenen Ideen vorbei
Was will die Serie genau erreichen? Wo knüpft sie an? Wo ist der roten Faden und wie will «The Midnight Gospel», so der Originaltitel, seine Zuschauer emotional ansprechen? Fragen über Fragen, auf die die acht Folgen der ersten Season leider keine konkrete Antwort geben können. Sicher, im Cartoon darf man sich Dinge erlauben, die in Liveactionserien so vielleicht nicht möglich wären. So fällt es wesentlich leichter Themen wie Religiosität auf die Spitze zu treiben. Allerdings sollte das Ganze dann auch eine nachhaltige Substanz haben und ein Bindeglied nicht vermissen lassen. In «South Park» ist es der gesellschaftskritische Ansatz, in «Rick and Morty» der wissenschaftliche, der vor allem auch deshalb gekonnt als Kitt zwischen Wort und Bild dient, weil die Serienmacher eine stimmige Kombination beider Elemente etablieren. Doch warum sieht der Weltensimulator in «Enthüllungen zu Mitternacht» wie eine übergroße Vagina aus? Wo ist der Sinn, wo der Witz in so einer Bildkomposition? Was soll der Überfall auf die oben erwähnte Clown-Stadt und warum textet mich der Computer mit seinem Wunsch nach einer Wartung zu, die Clancy natürlich geflissentlich ignoriert? Die Komik mag sich vielleicht einer Zielgruppe erschließen, die der Abstinenz von berauschenden Stoffen mutig den Dauerkampf angesagt hat. Der Stink-Normalo, der eine Wasserpfeife höchstens einmal im Orient-Urlaub oder im Shisha-Café um die Ecke zu sehen bekommt, dürfte allerdings völlig überfordert die Segel streichen.
Fazit: Man kommt nicht umhin, Netflix für den Mut zu loben, so ein verrücktes Konzept zu finanzieren. Ob sich dieser Mut in hohen Klickzahlen auszahlen wird, muss die Zukunft zeigen. Übermäßig viel Geld dürfte allerdings auch nicht in die Produktion geflossen sein, da es bereits an der technischen Umsetzung bisweilen hakt. Viele Dialoge klingen, als wären sie vor einem Mikro ohne Popschutz aufgenommen worden. Die Voice-Recordings zeigen sich zudem wenig homogen, so dass man glauben könnte, die Takes der Sprecher seien in unterschiedlichen Studios oder sogar in Heimarbeit entstanden Die Zeichnungen sind manchmal knallig bunt und auf ausgefallene Weise sogar schön, die Animationen hinterlassen hingegen gerne auch mal einen etwas hakeligen Eindruck. In Verbindung mit der oben angesprochenen Inkohärenz ergibt sich so ein bislang noch wenig ausgereiftes Format, an dem die Macher gerne noch ein wenig schrauben dürfen.
«Enthüllungen zu Mitternacht» ist bei Netflix abrufbar.