Die Bundesliga bei prime video: Und schon ist das Trio beisammen

Das Internet-Warenhaus hat am Montagabend erstmals ein Bundesliga-Spiel live im Fernsehen gezeigt. Das hatte ziemlich viel mit Eurosport zu tun – auf ganz verschiedenen Wegen. Welche ersten Fußspuren prime video auf diesem Feld hinterlassen hat und wieso diese Übertragung bei der Deutschen Fußball Liga (DFL) in Frankfurt ein doppeltes Ass im Ärmel ist …

Montag, 16.45 Uhr – exakt drei Stunden und 45 Minuten vor dem Anpfiff des ersten Bundesliga-Montagspiels nach der Corona-Pause. Der Internetanbieter Amazon verschickt eine kurze Medienmitteilung für seinen TV-Dienst prime video. Es ist eine Mitteilung, die die Medienwelt womöglich nachhaltig verändern wird. Man werde das Spiel zwischen Bremen und Leverkusen übertragen. So schrieb also diese Partie aus dem Bremer Weserstadion doppelt Geschichte. Zum einen, weil dieses Spiel Teil des ohnehin historischen Spieltags voller Geisterspiele war, zum anderen, weil es eben das erste Match war, dass parallel von zwei Streaming-Dienstleistern im TV gesendet wurde.

Der Überraschungsdeal wurde letztlich möglich, weil Eurosport dringend raus will aus seinem Bundesliga-Vertrag und in Zusammenhang mit der Covid-19-Epedemie auf höhere Gewalt pocht und somit sonderkündigen will. Für die Deutsche Fußball Liga (DFL), die in genau fünf Wochen der Weltöffentlichkeit präsentieren will, wer die neuen Partner für die audiovisuellen Verwertungsrechte sind, ist dieser Deal ein wahrer Glücksgriff. Und zwar aus mehreren Gründen: Zum einen unterstreicht er sehr deutlich die Ambitionen von prime video, ernsthaft ins Sportbusiness einzusteigen und sich vielleicht eben nicht damit zufriedenzugeben, dass man ab der Spielzeit 21/22 das Champions-League-Topspiel am Dienstag exklusiv zeigen darf. Spätestens seit Dezember, dem Bekanntwerden dieses Deals, wird an vielen Ecken laut darüber spekuliert, dass das gut 30 Matches umpassende Topspiel-Paket der Bundesliga doch prima ins Portfolio des Anbieters passen würde.

Das ist durchaus richtig – und so wird man die Botschaft über die Spielübertragung in München sehr interessiert verfolgt haben. Bei Sky, ganz sicherlich aber auch bei DAZN – denn der zeitliche Ablauf der Dinge offenbart eines ziemlich deutlich: Amazon scheint es nicht allzu sehr auf eine mögliche Exklusivität anzukommen. Der Fußballdienst sicherte sich die Rechte am Spiel der Bremer gegen die Werkself rund 30 Stunden, nachdem bekannt wurde, dass auch DAZN die Partie wird übertragen können. Will ein Streamingdienst sich die Rechte für ein Paket nicht exklusiv holen, kann er Sky den Vortritt lassen und hoffen, dass Sky sich alle 306 Spiele der ersten Liga sichert; dann kämen zwei Pakete nochmals zum Erwerb auf den Markt.

In diesem Fall wäre Amazon dann eher eine klare Konkurrenz für den Dienst DAZN. Parallel zu diesem wurde auch schon Premiere in der TV-Bundesligaberichterstattung für alle Prime-Mitglieder, die den Sportfeed in der nach wie vor etwas unübersichtlichen Navigation der prime-Plattform gefunden haben, übertragen: Diese Sendung hatte noch mehr mit Eurosport zu tun, als diesem Text bis dato schon zu entnehmen ist. Denn wesentliche Teile des Übertragungsteams gehörten einst dem Bundesliga-Team des Discovery-Senders an. So führte Anna Kraft in einem unauffälligen im Hintergrund mit blauer Farbe ausgeleuchteten Studio in München-Ismaning durch die Sendung. Kraft, einst Anchor-Woman bei Sky Sport News, dann gewechselt zu Sport1, dem ZDF und schließlich Field-Reporterin bei Eurosport gewesen, bildete also den Ausgangspunkt für die Übertragung, die schließlich vom langjährigen und zuletzt intensiv für Eurosport arbeitenden Matthias Stach kommentiert wurde. Stach begleitete die Bilder offenbar vom Homeoffice aus, genau von dort interviewte er per Skype-Schalte übrigens auch Bayer-Sportdirektor Simon Rolfes. Corona hat der Medienwelt eben doch einige neue Möglichkeiten aufgezeigt.

Die Vorberichte waren nun zwar kein Nonplusultra, nicht zuletzt aber dürfte die Tatsache, dass teils recht puristische Bilder aus den Pressekonferenzen der Clubs verwendet wurden, damit zusammenhängen, dass die komplette Übertragung eben erst sehr kurz vor knapp zustande kam. Dass man überhaupt mit einer halben Stunde Vorlauf, eigenem Studio und sogar einer kurzen Reporter-MAZ aus Bremen arbeitete, zeigt letztlich, wohin die Reise gehen soll. Da ist es der Umstände wegen auch verziehen, dass es hin und wieder und speziell in der Halbzeitpause am Ton ruckelte und ein Interview vor Spielbeginn erst später als gedacht verfügbar war. Schon in England, wo Amazon zwei Premier-League-Spieltage übertrug, stellte der Anbieter unter Beweis, dass man sich selbst höchste Qualität auferlegt hat. Insofern war es auch keine Überraschung, dass die Übertragung selbst durch gestochen scharfes HD-Bild bestach. Wer Werbebotschaften für Amazon an sich erwartete – also Hinweise auf neue Technik oder hübsche Schuhe – wurde enttäuscht. Amazon geht wohl davon aus, dass Prime-Kunden das von selbst finden.

Welche Rolle Amazon kurz- und mittelfristig im Bundesliga-TV spielen wird, lässt sich schnell erahnen: Für die Deutsche Fußball Liga (DFL) könnte der Internethändler der Glücksfall für die erste große Sportrechtevergabe nach dem Coronaausbruch sein. Für die kurzfristig frei gewordenen Rechte der kommenden Spiele am Freitag- und Montagabend sowie die frühen Sonntagspartien um 13.30 Uhr macht prime video deutlich Druck auf DAZN. Die DFL hat nun quasi die Wahl – prime video stünde wie auch DAZN sofort bereit, auch weitere Matches zu übertragen. Auch ein weiterhin paralleles Arbeiten kann nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Mittelfristig dürfte klar sein, dass es bei der Rechtevergabe im Juni in erster Linie um die drei nun aktiven Sportberichterstatter gehen wird. Eine erste Duftmarke hat Amazon dazu am Montagabend gesetzt.

Bundesliga-TV-Einstand von prime video. Eure Wertung!
Hervorragend!
28,1%
Ganz gut - mit Luft nach oben!
54,4%
Nein, nicht mein Fall. Daumen runter!
17,4%

18.05.2020 22:00 Uhr  •  Manuel Weis Kurz-URL: qmde.de/118438