Mit Nina Kunzendorf als neurechter Kommissarin gelingt diesem Film eine erstaunlich gut verstandene Dechiffrierung rechtsradikaler Ideen. Wäre da nur nicht der arme Irre...
Cast & Crew
Vor der Kamera:
Devid Striesow als Andi Schwartz
Golo Euler als Mads Schwartz
Cornelia Gröschel als Jasmin Schwartz
Brigitte Hobmeier als Iris Doppelbauer
Nina Kunzendorf als Karin Lichtness
Katja Studt als Clea Patricia Gerbel
Hendrik Arnst als Marlon Ortlieb
Hinter der Kamera:
Produktion: Bavaria Fiction GmbH
Drehbuch: Alexander Adolph (auch Regie) und Eva Wehrum
Kamera: Jutta Pohlmann
Produzenten: Anna Oeller und Eva WehrumDer Tod wohnt – wie oft in deutschen Fernsehkrimis – in einer hübschen, betont unauffälligen Obere-Mittelschichts-Wohnsiedlung, wo der Staubsaugerroboter noch einmal durch das Blut einer Frau mit Schädelbasisbruch fährt und anschließend auf dem Bürgersteig von einer besorgten Nachbarin gefunden wird, die rasch Alarm auslöst.
Ein Schuldiger ist schnell gefunden, und zwar mit der „Bestie von Malchow“, dem Irren des Viertels, der in abenteuerlicher Kleidung barbäuchig über die Bürgersteige huscht, seltsames Gezeter vor sich hin stammelt und die unangenehme Angewohnheit entwickelt hat, die ganze Nachbarschaft mit seinem lautstarken Musikgeschmack in den Wahnsinn zu treiben. Jetzt sitzt er in U-Haft und wird mit Psychopharmaka ruhig gestellt, während seine Tochter im eher semi laufenden Detektivbüro der Gebrüder Schwartz (Devid Striesow und Golo Euler) vorstellig wird, weil der Anwalt eine Trantüte ist und die leitende Ermittlerin Karin Lichtness (Nina Kunzendorf) alles andere als ergebnisoffen an den Fall rangeht.
Schnell etabliert der Film, dass diese Frau ohnehin höhere Ziele hat: In Form von YouTube-Videos, in denen sie Besorgnis über mutmaßlich militante Syrer und sozial divergente Schizophrene äußert, baut sie sich gerade systematisch ein
Following auf, um in das nächste sich bietende politische Amt zu wechseln. Dabei maximiert sie konsequent ein rassistisch-neofaschistisches Insinuieren, um den rechten Rand abzugreifen, und verbirgt gleichzeitig ihr Gedankengut in möglichst vagen Formulierungen, die eine überschwängliche und damit lächerliche Besorgnis ausstrahlen sowie ihren rechtsextremen Topos elegant verschleiern sollen. „Wo der Tod wohnt“ mag dramaturgisch als wenig innovativer Allerweltskrimi funktionieren – aber kaum einem deutschen Fernsehfilm gelang in den letzten Jahren eine prägnantere und zielsichere Dechiffrierung der Attraktivität rechter Vorstellungen – und ihrer Brandgefährlichkeit.
Der Film tut gut daran, diese Figur nicht sofort umso abschätziger zu dekonstruieren, sie in jeder Szene beim berechneten Manipulieren zu zeigen und dann noch irgendwo einen längeren Expositionsdialog einzubauen, in dem sie über den einfach gestrickten Verstand ihrer Zielobjekte lästert. Auf den ersten Blick darf Karin Lichtness auch für ihr näheres Umfeld als zwischenmenschlich angenehme Person erscheinen, weil sie auch dann, wenn sie für sich ist, wenig tut, was Sympathien kosten würde – und wenn doch, dann so elegant und mit einem derart festgetackerten Lächeln, dass die nächste oberflächliche Freundlichkeit gleich wieder den Status quo herstellt. Eine dramaturgische Klaviatur, die Nina Kunzendorf virtuos zu bespielen versteht.
Doch genauso klug, hintergründig und vielsagend diesem Film die Dechiffrierung der neurechten Kommissarin gelingt, so grobschlächtig wird der Irre aus der Nachbarschaft als sabbernder, unheimlicher Hampelmann geführt, der nicht nur ob seines bärigen, wuchtigen Körperbaus und seiner unkoordinierten Bewegungs- und Sprachmuster, sondern auch wegen der überbetont-gruseligen Inszenierung seiner Spielszenen tatsächlich etwas Unheimliches, Bedrohliches bekommt. Zwar ist es dramaturgisch sinnvoll, dass sich «Schwartz & Schwartz» dieser Figur nicht über eine Diagnose-Dramaturgie (Schizophrenie? Dissoziative Persönlichkeitsstörung? Paranoider Wahn?) nähert, doch sie bleibt auch als Mensch eine Karikatur, die sich im narrativen Kontext als auslösendes Moment genug ist. In letzter Konsequenz spielt der Film damit Leuten wie Karin Lichtness in die Hände, die alles Normabweichende schnell als eine Gefahr für deutsche Frauen, Nachbarschaften und Schäferhunde darstellen wollen.
Das ZDF zeigt «Schwartz & Schwartz – Wo der Tod wohnt» am Samstag, den 23. Mai um 20.15 Uhr.