Die besten Anthologie-Serien

Erleben wir gerade die Wiederauferstehung eines Genres? Bei TVNow ist derzeit die Neuauflage der klassischen Anthologie-Serie «The Twilight Zone» zu sehen. AppleTV+ hat «Amazing Stories» neu aufgelegt und eine ganz eigene Kreation bietet Netflix mit «Blutiger Trip».

«Blodtur», so der Originaltitel der norwegischen Serie, zeigt dabei nicht nur ein Herz fürs Phantastische, sondern auch den Thriller, obschon der übersinnliche Anteil deutlich überwiegt. Wie in vielen anderen Anthologieserien gibt es auch in der Welt von «Blutiger Trip» ein verbindendes Element. Es ist allerdings keine Stimme, die die Zuschauer in eine Zwischenwelt einlädt (wie dies in den 60ern und 80ern in der «Twilight Zone» der Fall gewesen ist). Es ist auch kein verfaulter Grabwächter wie weiland in den «Tales from the Crypt», der auch über die dunkelsten Geschichten einen sarkastischen Scherz über seine nicht mehr vorhandenen Lippen bringen konnte. Ganz unfantastisch ist es in Norwegen ein Busfahrer, der eine Gruppe von Fahrgästen offenbar ins Jenseits kutschiert. Denn alle, die bei ihm im Bus sitzen, haben etwas Seltsames erlebt.



Du kannst nicht immer glücklich sein


So wie Molly, die mit ihrem Mann und ihrer Tochter aufs Land gezogen ist: Wo sie sich unwohl fühlt. Kann man wirklich in einer Nachbarschaft leben, in der alle Menschen von morgens bis abends glücklich sind? Es ist wirklich eine Krux. Niemand in dieser Nachbarschaft wirkt mal genervt oder gar aggressiv. Nein. Es spielt keine Rolle, ob jemand dick, dünn, Norweger, Zuwanderer, Mann oder Frau ist: All diese Menschen sind so unerträglich freundlich zueinander, man kann es Molly kaum verdenken, dass sie ein dunkles Geheimnis hinter dieser Fassade vermutet. «Opferbereitschaft» lautet der Titel der Episode, die schon im Prolog eine irritierende Wendung ankündigt, aber diese Wendung zum Ende hin dann noch einmal dreht.

Wo «Opferbereitschaft» ganz klassisch aus der Wendung heraus ihr Potenzial erlangt, ist «Drei kranke Brüder» ein ziemlich unangenehmer Psychothriller. Erik nämlich hat seinen Vater umgebracht und dafür eine lange Strafe verbüßt. Nun steht für ihn ein Weg in ein neues Leben an. Doch das Ungemach lässt nicht lange auf sich warten – in Person von Otto und Georg, seinen älteren Brüdern. Und sie wollen mit ihrem kleinen Bruder unbedingt hinaus zu einer alten Hütte, in der sie als Kinder eine glückliche Zeit erlebt haben. Erik lässt sich widerwillig auf den Trip ein und schon bald stellt man sich als Zuschauer die Frage: Wie kann es sein, dass dieser junge, sympathische Mann seinen Vater umgebracht hat, wenn doch seine Brüder definitiv vollkommen durchgeknallte Psychos sind, um die man unbedingt einen großen Bogen machen sollte?

Des Weiteren bietet «Blutiger Trip» die Geschichte einer reichen, verwöhnten Studentin, die nicht nur mit anhören muss, wie ihre Mitbewohnerinnen recht konkret ihre Ermordung planen - was ihren Tag an sich schon wenig erbaulich beginnen lässt. Im Verlauf dieses denkwürdigen Tages nämlich findet sie sich auch noch in der Story eines wenig talentierten Autors wieder. Ganz so, als würde er in seinem Skript ihr Leben beschreiben. Eine Kostümparty findet derweil ein seltsames Ende und eine junge, engagierte Lehrerin kommt einem schrecklichen Geheimnis in einer kleinen Gemeinde irgendwo in der norwegischen Einöde auf die Spur.

Während die Geschichte Eriks als Psychospiel einige drastische Wendungen nimmt und aus sich heraus bereits eine sehr unangenehme Atmosphäre erzeugt, die Schlusswendung der Episode ist quasi nur das Sahnehäubchen oben auf, läuft die Geschichte der jungen Lehrerin, «Die alte Schule», nach einem ganz klassischen Anthologie-Serien-Muster ab, bei dem die Schlusspointe letztlich die Geschichte trägt. Erfreulicherweise gibt es im Rahmen der Serie keinen einzigen Ausfall. Die Qualität der einzelnen Episoden schwankt zwischen nett und dementsprechend unterhaltsam - und wirklich gut

Rattenfalle


Maßgeblichen Anteil an der Entwicklung der Serie trägt der norwegische Regisseur Geir Henning Hopland, der bereits «Lilyhammer» produziert hat – die erste Netflix-Eigenproduktion überhaupt. Hopland hat damit Seriengeschichte geschrieben, und ein verdammt guter Regisseur ist er auch noch, hat er doch den heimlichen Höhepunkt der kleinen Anthologieserie aus dem Hohen Norden inszeniert: Die «Rattenfalle». «Rattenfalle» ist ein Thriller ohne einen fantastischen Einschlag. Damit sticht sie eh schon etwas aus der Reihe hervor, aber Hopland liefert eine Geschichte ab, der es in ihren besten Momenten gelingt, den Zuschauern den Atem zu rauben. Und das mit dem Atem rauben, das ist durchaus wörtlich zu verstehen: Eigentlich soll im Rahmen eines kleinen Abendessens die Entwicklung eines pharmazeutischen Prototypen gefeiert werden. Da sind der CEO, seine beiden Chefentwickler und drei weitere Mitarbeiterinnen aus dem direkten Umfeld von Edmund Bråthen, dem Gründer des Unternehmens - dessen Börsenwert nach der Vorstellung des Prototypen durch die Decke gehen sollte. Um es was sich bei diesem Prototypen handelt, ist ohne Belang. Der Prototyp ist ein so genannter MacGuffin, ein Gegenstand, der eine Handlung auslöst, ohne innerhalb der Handlung von einem besonderen Nutzen zu sein. Er ist halt einfach da. Oder auch nicht. Denn genau das passiert.

Der Prototyp verschwindet. Gestohlen kann ihn nur eine der anwesenden Personen haben. Was Edmund Bråthen seine Gäste spüren lässt. Kurzerhand lässt er sie in ein gläsernes Laboratorium einschließen – dem langsam die Luft entzogen wird. Eine Person ist in der Lage, die Eingeschlossenen zu retten: Der Dieb. Wenn der an den Prototypen gelangen konnte, muss er die Kombination kennen, mit der sich das Schloss des Labors von innen heraus öffnen lässt. Allerdings würde er sich dadurch natürlich selbst enttarnen.

Bestes Fast Food


Unterm Strich ist «Blutiger Trip» allerbeste Fast-Food-Unterhaltung. Es ist keine Serie für den Bingewatch-Marathon, die einzelnen Episoden sind – aufgrund ihrer Laufzeit von unter 30 Minuten pro Folge – eher schöne Absacker, um einen Tag pointiert auslaufen zu lassen, wobei die «Rattenfalle» einen echten Höhepunkt zu setzen versteht.

Was das Wesen der Anthologieserie ausmacht, lesen Sie auf der nächsten Seite.

Das Wesen der Anthologieserie


Das Wesen der Anthologieserie besteht darin, dass in einem festgelegten Rahmen jede Woche eine neue Genregeschichte erzählt wird. Wie dieser Rahmen aussieht, das variiert von Serie zu Serie. In «Blutiger Trip» ist es einfach ein Busfahrer, der die Protagonisten der einzelnen Geschichten (ins Jenseits?) chauffiert. Oft aber ist es auch einfach nur ein Erzähler, der die Geschichte einleitet, vielleicht schon ein paar Informationen über die handelnden Figuren preisgibt, um das Gesehene am Ende auch wieder abzumoderieren. Die Geschichten selbst sollten stets kurz sein (25 bis 30 Minuten) und mit einer überraschenden Pointe ihren Abschluss finden.

Als eigenständiges Fernsehformat schien die Anthologieserie lange Zeit vom Bildschirm verschwunden. 2002 floppte eine Neuauflage der «Twilight Zone» auf dem amerikanischen TV-Sender UPN. Nach diesem Flop schien das Zeitalter der Anthologieserie recht endgültig abgeschlossen, nennenswerte neue Projekte – gab es schlicht und ergreifend keine.

Nun ist «Twilight Zone» nicht nur eine Serie. Sie ist ein Monolith der amerikanischen Fernsehkultur, auch wenn sie anfangs nicht einmal ein großer Hit gewesen ist. Qualität braucht bekanntlich manchmal Zeit, um als solche erkannt zu werden. Steven Spielberg, der 1983 «Twilight Zone: The Movie» (dt.: «Unheimliche Schattenlichter» produzierte, wurde ebenso von der «Twilight Zone» beeinflusst wie George Lucas, Stephen King, Joe Dante, John Carpenter und viele andere Filmemacher und Autoren seiner Generation.



Dabei war «The Twilight Zone» (im US-Originaltitel wird der Artikel „The“ vorangestellt) keinesfalls die erste Serie ihrer Art, als sie 1959 erstmals ausgestrahlt wurde. «The Philco Television Playhouse» ging bereits 1948 auf Sendung; sehr populär war die 1953 gestartete Anthologiereihe «The United States Steel Hour». Beide Serien präsentierten Woche für Woche TV-Adaptionen von Theaterstücken oder Klassikern der Literatur, hin und wieder wurden aber auch Originaldrehbücher abgefilmt. Und abgefilmt ist der korrekte Terminus: Gesendet wurde nämlich live, die Schauspieler agierten dementsprechend auf einer Bühne. Die Serien durfte keine kontroversen Geschichten erzählen, die Zielgruppe war die amerikanische Vorstadtfamilie.

Die weiße, amerikanische Vorstadtfamilie.

Die Serien sollten der Werbung ein angenehmes Umfeld schaffen, ihre Namen verdankten sie ihren Sponsoren wie dem amerikanischen Stahlriesen US Steel.

Die erste Anthologieserie, die auf Filmmaterial gedreht wurde, trug den Titel «The 20th Century Fox Hour» und brachte es 1955 und 1956 auf zwei Staffeln. Sie war thematisch noch offen; um Geld zu sparen, wurden nicht selten Drehbücher bekannter Spielfilme auf eine 25-Minuten-Version zusammengedampft!

Fast zeitgleich startete Alfred Hitchcock mit «Alfred Hitchcock Presents», einer Anthologieserie, die es (mit einer Titeländerung inklusive) in zehn Jahren auf 371 Episoden bringen sollte.



Hitchcock nutzte seine Popularität als Regisseur und trat in jeder Episode am Anfang und am Ende als Erzähler auf. Natürlich immer mit einem makabren Scherz auf den Lippen. Inszeniert hat er selbst übrigens 18 Episoden, im Gegensatz zu seinen Spielfilmen hat er jedoch auf eine Mitarbeit an den Drehbüchern verzichtet und die Auswahl seiner Produzentin Joan Harrison überlassen. Dass Joan Harrison maßgeblich für die Gestaltung der Serie die Verantwortung trug, wurde vom Sender CBS nicht wirklich an die Öffentlichkeit getragen. Eine Frau als Produzentin einer TV-Serie? Das wollte man dem Publikum 1955 nicht zumuten...

Und dann kam «The Twilight Zone». Ihr Erfinder Rod Serling konnte mit seinen 35 Jahren bereits auf eine lange Karriere als Autor bei Radio-Anthologieserien zurückblicken. Serling ersann als Rahmen für seine Serie – die Schattenwelt. Ein Erzähler aus dem Off (in der US-Version war es Serling selbst) stellt die handelnden Personen vor, erzählt ein wenig aus ihrem Leben und dann – geschieht etwas Unerklärliches. Serling schrieb nicht nur einen großen Teil der 156 bis 1964 ausgestrahlten Episoden selbst. Als Produzent achtete er darauf, dass eine jede Episode filmisch ansprechend umgesetzt wurde. Fernsehunterhaltung galt als Fastfood ohne Nährwert. Es musste billig und schnell produziert werden. Sicher, wenn Alfred Hitchcock zum Abendmord einlud, erwartete das Publikum eine gewisse Qualität. Aber ansonsten war die Hälfte der Arbeit schon getan, wenn die Kamera nicht wackelte. Serling reichte dies nicht. Er legte Wert auf Atmosphäre, Lichtsetzung, Masken. Es ist anzunehmen, dass er manch einen Kampf mit seinem Sender ausfechten musste. Als mehrfach ausgezeichneter Fallschirmjäger (und Ende der 1960er Jahre einer der prominentesten Gegner des Vietnamkrieges aus dem US-Showbiz), besaß er das Kreuz, diese Auseinandersetzungen durchzustehen.

So bot er jede Woche dem Publikum eine fein inszenierte, unheimliche Geschichte, mal düster, mal traurig, mal amüsant, mal böse. Aber immer überraschend. Vor allem aber erwachsen. Gerade in den 50ern galten Sciencefiction und Horror in den USA als B-Filmfutter für die Vorstadt- und Autokinos. Serling aber nahm das Genre, in dem er sich bewegte, ernst und beschäftigte sich in seinen Geschichten auch mit Themen wie Rassismus oder soziale Ungerechtigkeit. So war Serling einer der ersten TV-Autoren, die die Serie als eigenständige Kunstform betrachteten und nicht als den Bastard des Kinos.

Die Folgen des Hitchcock-Erfolgs; mehr dazu auf der nächsten Seite.


Qualität vs. Quantität


Der Erfolg von Hitchcock hat natürlich eine ganze Reihe von ähnlichen Formaten auf den Plan gerufen, von denen es die wenigstens jedoch auf mehr als eine Staffel brachten. Auch die Entstehung von «The Twilight Zone» wäre ohne Hitchcocks Vorarbeit kaum zustande gekommen. Der Unterschied: Wo Quantität vorherrschte, setzte Serling auf Qualität.

Ähnlich den amerikanischen Formaten á la «The Philco Television Playhouse» strahlte auch die BBC ab 1950 Anthologie-Formate in Großbritannien aus, auch diese wurden anfangs vor allem live aufgeführt, sodass, wie leider auch in den USA, kaum Episoden der Nachwelt erhalten geblieben sind.



Das Revival


Der Boom der Anthologieserien ebbte etwa Mitte der 1960er Jahre in den USA ab. Ganz verschwand sie nicht, aber erst in den 1980ern kehrte sie mit Wucht auf die Bildschirme zurück. Hervorzuheben seien vier Formate. «The Hitchhiker», der 1983 erstmals auf Wanderschaft ging. «Twilight Zone», die 1985 eine Wiederauferstehung feierte. Spielberg versuchte sich mit seiner eigenen Schattenwelt-Reihe «Amazing Stories». Und 1989 öffneten sich die Tore der «Tales from the Crypt» (dt.: «Geschichten aus der Gruft».

«The Hitchhiker» war eine so genannte Syndication-Serie, die nicht von einem amerikanischen Network produziert wurde, sondern für den freien Markt (sprich für unabhängige amerikanische TV-Station). Recht kostengünstig in Kanada zum Teil mit französischem Geld heruntergekurbelt, ist es ein Anhalter, der von Stadt zu Stadt reist und die nun kommende – unheimliche – Geschichte ankündigt. Trotz der unübersehbaren Mängel in der Produktion (man darf die Serie auch billig nennen), war sie ein Verkaufshits und damit sicher auch der Türöffner für die von Steven Spielberg produzierten Serie «Amazing Stories» («dt.: [[Unglaubliche Geschichten»), die 1985 startete. Spielberg wollte ursprünglich «The Twilight Zone» neu auflegen, erhielt aber die Rechte nicht und entschied sich dann für eine eigene Konkurrenzserie. Um gnadenlos zu scheitern – obschon er wahrlich nicht kleckerte. Spielberg bot dem Publikum zum Teil Kinoschauwerte in einer Zeit, in der das Fernsehen eben “nur Fernsehen” war. Ob Spezialeffekte, Kamera, Ausstattung: Das war alles ziemlich edel. In Europa kam der Zusammenschnitt der ersten Episoden sogar ins Kino.



Und dennoch beging Spielberg einen unerwarteten Fehler: Er setzte anfangs auf familienfreundliche Geschichten. Seine Magie, mit der er das Kino der 1980er Jahre beherrschte, ließ im Fernsehen allerdings keine Funken fliegen und konnte sich gegen die Original-«Twilight Zone» nicht durchsetzen. «The Twilight Zone» wurde zwar “kostengünstig” heruntergekurbelt – auf Videomaterial, meist in einfachen Studiokulissen. Aber sie bot, wie die Mutterserie, fast immer unerwartete, böse, sarkastische Pointen und griff auch gesellschaftlich relevante Gegenwartsthemen auf. Selbst als Spielberg sein privates Telefonbuch öffnete und Regiegiganten wie Martin Scorsese und Clint Eastwood kurzfristig an Bord der «Amazing Stories» holte, konnten selbst die seine Serie nicht retten. Zwei Staffeln entstanden, was jedoch vor allem dem internationalen Lizenzverkauf zu verdanken ist.

«Tales from the Crypt» konnte schließlich nicht nur eine unfassbare Produzentenriege mit Richard Donner («Lethal Weapon», «Superman»), Walter Hill («Nur 48 Stunden», «Red Heat»), Robert Zemeckis («Zurück in die Zukunft») und Joel Silver (Produzent von «Lethal Weapon», «Stirb langsam», «Phantom-Kommando») vorweisen – die illustre Herrenrunde produzierte die Serie außerdem für HBO. Um 1990 herum startete HBO durch, sich auch als Serien- und Spielfilmproduzent zu etablieren. Bis 1990 beherrschten mit ABC, CBS und NBC drei Senderketten die US-Fernsehlandschaft. Als Bezahlsender auf Abonnenten angewiesen, musste HBO also den Zuschauer zwingend das bieten, was ihnen das normale Fernsehen nicht bot. Und da im normalen TV Nacktheit oder explizite Gewaltdarstellungen nicht gestattet waren – konnte HBO hier punkten. In der Art der Inszenierung orientierten sich die Macher an typischen Horrorfilmen der VHS-Videozeit – nur in einer komprimierten Fassung.

Die 1990er


Im Zuge des Erfolges von «Akte X» legten kanadische Produzenten 1995 die Serie «Outer Limits» neu auf. Basierend auf einem «Twilight Zone»-Klon aus den 1960er Jahren, brachte es die Serie auf erstaunliche sieben Staffeln, da sie im internationalen Verkauf höchst erfolgreich lief. Ebenfalls sehr kostengünstig in der kanadischen Provinz entstand «X-Factor: Das Unfassbare». Der Clou der zwischen 1998 und 2002 produzierten Serie: Jede Episode besteht aus drei Geschichten, von denen eine, wie der Moderator beteuert, wirklich geschehen ist. Jonathan Frakes war der Moderator, heute haben Gifs, die aus seiner Moderatorentätigkeit heraus entstanden sind, Kultcharakter. Dass er seinerzeit kurzfristig für James Brolin die Rolle des Moderators übernahm, da der nach der ersten Staffel ausstieg, ist heute fast vergessen.

Ausgerechnet eine weitere Auflage der «Twilight Zone» sollte das Genre der Anthologieserie 2002 zu Grabe tragen sollte. Obschon mit Forest Whitaker ein lupenreiner Hollywood-Star als Erzähler gewonnen werden konnte, scheiterte die Serie grandios. Warum?

Zum einen profitierten «Outer Limits» oder «X-Factor» vom «Akte X»-Hype. Der allerdings war 2002 definitiv vorüber. Und sicher scheiterte «Twilight Zone» auch am Syndication-Look kanadischer B-Produktionen. Außerdem begann ein Wandel im Erzählen von TV-Geschichten. Weg von in sich abgeschlossenen Geschichten hin zum horizontalen Erzählen, wie es heute die Regel ist. Zwar befand sich dieser Wandel noch in der Frühphase, doch es war zu erkennen, dass sich etwas in der TV-Serienwelt verändern würde.

Wiederauferstehung


Am 4. Dezember 2011 strahlte Channel 4 in Großbritannien die erste Episode von «Black Mirror» aus. Autor Charlie Brooker erzählt Geschichten aus einer nicht näher definierten – hochtechnologisierten Zukunft – und hält der Gegenwart damit einen schwarzen Spiegel vor. Immer wieder auftauchende Symbole oder technologische Gimmicks deuten zwar an, dass die meisten Episoden in einem Universum spielen sollen, davon abgesehen hält sich die britische Produktion an die Erzählmuster der Anthologieserie. Wahrscheinlich hätte «Black Mirror» kaum mehr als ein kurzes Aufblinken der Anthologieserie dargestellt, wäre 2015 nicht Netflix in die Produktion eingestiegen. Aufgrund eher lauer Quoten stand die Serie bei Channel 4 nämlich bereits auf der Abschussliste; Netflix hat die Serie nicht nur gerettet, sondern zu einem weltweiten Hit gemacht.



Und nun sind sie plötzlich wieder da. «Blutiger Trip», «Twilight Zone» (mehr dazu hier), «Amazing Stories», «Philip K. Dick's Electric Dreams», «Dimension 404», «Love, Death & Robots» (mehr hier).

Eine Ausnahme stellt «Tales from the Loop» dar, die eine eigene Welt erschafft, in der einerseits eine horizontal erzählte Geschichte alle Episoden verknüpft, um gleichzeitig in dieser Welt in sich abgeschlossene Solo-Geschichten zu erzählen. Damit bleibt «Tales from the Loop» jedoch eine Ausnahme, es überwiegen in den anderen Formaten die reine Lehre und klassische Erzählmuster.

Warum?


Es lässt sich nur vermuten, doch wir leben in einem Goldenen TV-Zeitalter, in dem die nächste große Serie, das nächste große Event immer nur einen Klick entfernt darauf wartet, entdeckt zu werden. Netflix, Amazon, aber auch Sky, HBO, Disney+, Starz, Hulu, die BBC, sie alle hauen eine Großproduktion nach der anderen auf den Markt. Serien vollgepackt mit Ideen, Stars, Action, Effekten, allesamt edel ausgestattet, und, und, und... Doch wenn jeden Tag ein Essen in einem Fünf-Sterne-Restaurant ansteht – braucht es von Zeit zu Zeit einfach die Pommes Currywurst. Da kommt die Anthologieserie ins Spiel. Auf den Punkt inszeniert bietet sie (in der Regel) in 30 Minuten eine in sich abgeschlossene Geschichte, einen Minispielfilm, der auf eine fast schon entspannte Art und Weise das Tempo des Konsums entschleunigt. Eine Episode = eine abgeschlossene Geschichte. Und hat mir als Zuschauer der Rahmen, in dem sich diese Geschichte bewegt, gefallen (die Schattenwelt), dann kann ich jederzeit in dieses Erzähluniversum zurückkehren. Kein Bingewatching. Kein Druck. Einfach interessante Geschichten. Kurz und knackig erzählt.

05.07.2020 14:18 Uhr  •  Christian Lukas Kurz-URL: qmde.de/118710