Jetzt ist alles anders. Das trifft bei Sky Deutschland in einigen Punkten zu. Der seit fast einem Jahr in Unterföhring arbeitende Devesh Raj wird – besonders dieser Tage – aber erleben. Eines bleibt (immer) gleich.
Am 1. Juli feiert Sky-Manager Devesh Raj sein Einjähriges beim Münchner Pay-TV-Sender Sky Deutschland. Die Party dazu wird sicherlich anders verlaufen als sie einst mal geplant war und auch bei Sky in Unterföhring sieht es dieser Tage anders aus. Dass ein neuer Top-Manager immer auch Veränderungen mit sich bringen und Bestehendes überprüfen soll, ist selbstverständlich. Doch nicht alle Veränderungen waren noch 2019 so vorhersehbar. Mit dem Fallschirm abgeworfen worden sei der ehemalige Comcast-Finanzmanager, schrieben vor einigen Monaten internationale Medien. Man kann von solch martialischen Bildern nun viel halten oder weniger; in der Tat hatte Raj eine Menge an Aufgaben ins Heft geschrieben bekommen, als er im Januar 2020 Carsten Schmidt als CEO von Sky Deutschland ablöste. Zuvor konnte er sich ein halbes Jahr lang als COO und somit als Hauptverantwortlicher im organisatorischen Bereich Einblick in den Zustand der Firma verschaffen.
Raj, ein Mann der Zahlen, hätte wohl nicht in die höhe Mathematik eintauchen müssen, um grundsätzliche Probleme der Zweigstelle zu erkennen. Seit 2017 wachsen die Kundenzahlen im klassischen Abo-Geschäft nicht mehr. Auch wenn Sky selbst keine nach Ländern getrennten Kundendaten mehr veröffentlicht, so kommt Sky in Deutschland und Österreich weiterhin auf gut fünf Millionen. In einer Medienmitteilung Ende 2019 wurde diese Zahl seitens Sky genannt. Im Gegenzug hatten sich die Fußballrechte, Hauptzugpferd von Sky, massiv verteuert: Heute zahlt der Sender über 80 Prozent mehr pro Jahr als im vorherigen Rechtezyklus. Die Rechnung ging also nicht auf.
Zusammen mit dem Verlust einiger Sportrechte (Europa League. Formel1, Premier League; die beiden Letzteren holte Sky zuletzt zurück) war das Image des Senders im Keller. Den Verlust der Champions League bestätigte Sky schnell auf die letzten Tage von Carsten Schmidt als CEO. Schmidts Abschiedsbotschaft war quasi, dass man nun auch bei der Königsklasse überboten wurde. Raj, so ist aus dem Konzernumfeld zu hören sein, soll schnell gelernt haben – und sehr früh eine eigene Meinung über den Zustand gehabt haben. Ihn im Januar zum CEO zu machen, war eine strategisch kluge Entscheidung. Früher gab es quasi das deutsche Team, das in manchen Fällen schon für das Unternehmen arbeitete, als es einige Straßen weiter noch Premiere hieß, es gab den neuen Eigentümer Sky plc. in England und es gab noch übergeordnete die neue Konzernmutter Comcast im Land der unbegrenzten Möglichkeiten.
Und bei so vielen Einflüssen gab es auch massig Möglichkeiten, im Falle von Fehlern gute Gründe dafür parat zu haben. Mit Raj ist das anders. Raj ist – und da gibt es keine zwei Meinungen – ein Comcast-Mann. Bevor er nach Deutschland kam, arbeitete er direkt bei Comcast in den Bereichen Strategie und Finanzplanung. Raj gilt als extrem kundenorientiert, innovationsfreudig und technikbezogen. Umgangssprachlich verkörpert er den Typus des schlauen Kerlchens.
Raj ist seit einigen Monaten – auch hier wurden Wege verschlankt – Stephen van Rooyen unterstellt. Dieser ist nun nicht nur Chef von Sky in England, sondern gleich in ganz Europa. Er löste den unglücklich agierenden Andrea Zappia als Europa-Chef ab; der Sky-Italia-Chef kümmert sich inzwischen vom Skys Expansionspläne in Europa. Es dürften kurze Wege sein, wenn Raj mal etwas von Sky plc. oder eben direkt von Comcast braucht.
Die Bilanz der ersten knapp 170 Tage des neuen Sky-CEOs ist freilich geprägt vom Coronavirus. Als er im Januar sein Amt antrat, hatte keiner wohl auch nur eine Vorstellung, wie die Sky-Zentrale nun Mitte Juni aussieht. Noch immer sind zahlreiche Kollegen im Homeoffice, im Zuge der langen Sport-Pause sind die Umsätze der Sky-Gruppe stark gesunken. Comcast erwartet im zweiten und dritten Quartal noch eine Verschärfung der Lage, erst dann in Q4 wieder eine Normalisierung. Unverschuldet in Not geraten, könnte man sagen, wenngleich Sky selbst im ersten Quartal noch immer klar im Gewinnbereich lag. Coronabedingt sind daher einige Innovationen, etwa Fibre in Italien, erst einmal zurückgestellt worden.
Doch Raj hat bereits erste Spuren hinterlassen. Der neue Sky-Manager befürwortet im Bereich der Eigenproduktionen einen wertigeren Look. Das wenig ansehnliche virtuelle Zweitligastudio, das im vergangenen Spätsommer eingeführt wurde, ist während der Coronapause abgebaut worden – die Sky-Sportredaktion hat umdekoriert und ist seit Mai in neuem Design im Studio B auf Sendung. Anlässlich des Bundesliga-Topspiels Bayern gegen Leipzig hatte Raj den Fußballtalk «Sky 90» direkt vor die Allianz Arena geschickt; Geld, das vielleicht im vergangenen Jahr noch gespart worden wäre. Liefen 2019 die Free-TV-Fenster-Spiele von Sky im Öffentlich-Rechtlichen, sorgte Raj mit der Entscheidung zweier Live-Konferenzen nach der Coronapause für Rekord-Zuschauerzahlen bei Sky Sport News HD. Ein wichtiges, positives Signal vor allem an die eigene Mannschaft, von der es einige nie verstanden hatten, wie die alte Geschäftsführung Spiele an der Konkurrenz verkauft hatte. Mit «Dein Verein Spezial» wurde jüngst sogar ein neues Primetime-Fußballformat am Freitag aus der Taufe gehoben.
Raj’s Hauptwirkungsfeld war derweil aber gar nicht der Sport, der abseits von Fußball schließlich noch weiter ruht. Er setzte vor allem im Entertainmentbereich an und brachte das zuletzt vor sich hin schlafende Sky1 neu auf. Neben einem neuen Design zeigt der Sender inzwischen so viele US-Serien als First-Run wie nie zuvor. Mehr als eine handvoll neuer Sitcoms, dazu Dramaserien wie «Stumptown», «9-1-1: Lone Star» oder «Zoey’s Extraordinary Playlist» wurden hierfür beschafft. Serien könnten zum Rettungsanker für Sky werden, denn Raj sieht sich vor allem im Filmbereich mit einem großen Problem konfrontiert.
Durch die Pläne der großen US-Studios, Pay-Rechte lieber selbst zu verwerten (und durch die zunehmende Konkurrenz von Prime Video) ist die Anzahl der echten Sky-Filmpremieren pro Monat auf weniger als 15 geschrumpft. Im langfristigen Vergleich halbierte sie sich also. Unter Raj wurde daher der komplette Filmbereich umstrukturiert; gekauft wurden Rechtepakete mit Spielfilmen, die länger schon nicht mehr bei Sky liefen. Das Wort „Premiere“ und „neuer Film“ wurde quasi ein bisschen gestreckt. Angesichts der generellen Frage, ob hochklassige Serien nicht die neuen Filme der Mittdreißiger sind, ein durchaus vertretbarer Schritt.
Hinzukommen technische Neuerungen. Sky ist inzwischen auf mehr Smartfernsehens via Sky Q-App vertreten, Sky Ticket wird deutlich mehr beworben als noch vor zwei Jahren. Die Zukunft – also Streaming – ist nun auch im Hause Sky in den Fokus geraten.
Sky ist zudem dieser Tage ganz massiv dabei, weggebrochene Kunden zurückzuholen – und das mit dem durchaus ungewöhnlichen Claim „Jetzt ist alles anders“. Das mag in der Tat auf einige Punkte zutreffen, die das neue Management trotz Corona sehr schnell umgesetzt hat. Aber natürlich nicht auf alles. Denn eines bleibt immer gleich. In diesen Tagen vergibt die Deutsche Fußball Liga (DFL) die Rechtepakete der Bundesliga für den Zeitraum 21 bis 25. Ein Paket dürfte Sky wegen der Kartellamtsvorgabe, dass mindestens ein Paket im klassischen, linearen Pay-TV unterkommen muss, ziemlich sicher sein. Ob man aber weiterhin
der Bundesligasender bleiben kann, ist unklar. Welchen Wert das Sportpaket für Sky in Gänze hat, zeigten die Unternehmensbilanzen, als der Sport kurzerhand wegen Corona pausierte. Raj hat also sehr schnell gemerkt, wie wichtig die Liga für Sky ist – und die Liga hat auch gemerkt, wie wichtig Sky für sie ist.
Ob Devesh Raj also am 1. Juli halbwegs zufrieden auf sein erstes Jahr bei Sky und seine ersten sechs Monate als Vorstandsvorsitzender blicken kann, wird – genau wie bei seinen Vorgängern Sullivan und Schmidt – vom Ausgang der Bundesliga-Auktion (und dabei insbesondere von einer Frage) abhängen. Hat Sky sich durchgesetzt und im besten Fall den mittelfristig härtesten Gegner Amazon in die Schranken gewiesen? Oder fallen nach dem Verlust der Champions League noch weitere wichtige Spiele weg? 280 Milliarden US-Dollar Umsatz machte Amazon 2019, knapp 110 Milliarden waren es bei Comcast. Wie geht es überhaupt mit der Champions League weiter? Abseits von Amazon hat noch immer niemand den Erwerb der Spiele ab Sommer 2021 bestätigt. Wird wirklich noch verhandelt?
Alle Erfolge von Raj, sie könnten mit einem negativen Ergebnis am 22. Juni auf der DFL-Pressekonferenz in den Schatten gestellt werden. Oder sie werden eben noch größer und kommen richtig zur Geltung. Die Bundesliga ist 2021 genauso wichtig für Sky wie in den Jahren zuvor.