Joyn-Geschäftsführerin Katja Hofem: ‚Natürlich ist eine Joyn-Daily unser Traum‘

Am Donnerstag wird Joyn ein Jahr alt. Zeit, eine Bilanz zu ziehen. Mit Geschäftsführerin Katja Hofem sprechen wir über die Hits der vergangenen Monate, den Start des Plus-Modells und über künftige Ziele. Mit welcher neuen Serie künftig das junge Publikum erobert werden soll und welchen US-Serienhit der Sender an Land gezogen hat, verrät die Fernsehmacherin im Exklusiv-Interview.

Zur Person: Katja Hofem

Katja Hofem war vor über 15 Jahren Programmleiterin bei RTL II, betreute dort unter anderem Welthits wie «Popstars» und «Big Brother». Sie wechselte zu Discovery, war für den Launch von DMAX zuständig. Danach ging es weiter zu ProSiebenSat.1, wo sie vor über zehn Jahren unter anderem den Sender sixx aus der Taufe hob. Sie übernahm später den Chefsessel von Kabel Eins und ist seit 2019 Chief Content & Marketing Officer (CCMO) und Co-Geschäftsführerin von Joyn.
Sie sind vor einem Jahr mit Joyn gestartet – und hatten damals erklärt, sie wollen die Marke von Joyn gemeinsam mit den Nutzern entwickeln und ausbauen. Ist das ein Ansatz, den Sie heute nochmal so wählen würden?
Auf jeden Fall. Wir haben einen spannenden und sehr funktionierenden Ansatz gewählt, bei dem wir sehr schnell auch auf das Feedback unserer User reagieren. Ein Beispiel ist die Verfügbarkeit auf dem Chromecast. Das haben sich viele Nutzer gewünscht, wir haben es schnell umgesetzt. Von unseren Kunden kommen viele gute Ideen für das Programm, die wir so gut es geht umzusetzen versuchen. Bei Instagram wird zum Beispiel momentan viel nach «Katy Keene» gefragt – auf solche Wünsche hören wir extrem und versuchen, das zu ermöglichen. Wir wussten, dass wir mit Joyn einen sehr kompetitiven Markt betreten – deshalb ist es unser Konzept, dass wir auf Augenhöhe mit unseren Nutzern kommunizieren und uns somit auch von den teils international agierenden Mitbewerbern abheben.

Im Winter wurde Joyn ergänzt durch die Premium-Variante JoynPlus+. Diese gibt es somit nun ein halbes Jahr. Wie entwickeln sich die Kundenzahlen?
Auch hier gilt: Unsere Erwartungen sind absolut erfüllt worden, wir sind also zufrieden. Ich bitte Sie um Verständnis, dass wir aber keine genauen Kundenzahlen nennen. Was spannend zu sehen ist: Viele Nutzer unseres Plus-Modells schauen sich auch bereits genutzte Serienstaffeln dann nochmals an und profitieren somit von der Werbefreiheit. Der Free- und der Plus-Bereich befruchten sich somit gegenseitig.

Welche Zahlen sind für Sie relevant? Abo-Zahlen, die Views, die Zahl der aktiven Nutzer…
Wir schauen auf alles. Natürlich ist es für uns wichtig, dass viele Menschen zu uns auf die Plattform finden und unseren Content entdecken. Wir schauen zum Beispiel auf die Completion Rate, die anzeigt, ob Serien oder Filme auch wirklich bis zum Ende geschaut wurden. Wir schauen, ob unsere Nutzer nach einer Serie auch andere Inhalte bei Joyn nutzen. Es ist also nie nur eine Zahl, die wichtig ist. Inzwischen wurde unsere Joyn-App 10,4 Millionen Mal heruntergeladen – eine grandiose Zahl. Wir haben 7,2 Millionen monthly active User, davon 3,9 Millionen unique User. Wir freuen uns, dass die Möglichkeit, über Joyn auch Live-Fernsehen zu sehen, so stark genutzt wird. 47 Prozent unserer User nutzen das. Und wir freuen uns, dass Joyn wirklich auch ein Begleiter für unterwegs ist, denn 40 Prozent der Nutzung findet mobil statt.

TV Now erklärt des Öfteren, welche Inhalte dort besonders gefragt sind: «GZSZ», «Bachelor» und andere „Guilty Pleasures“. Welches sind Ihre Top-Hits?
Ähnlich wie bei TV Now funktionieren auch bei uns Catch-Up-Inhalte unserer Shareholder ProSiebenSat.1 und Discovery. Ich denke da zum Beispiel an «Germany’s Next Topmodel» oder «Promis unter Palmen», die ein riesiger Erfolg bei Joyn sind. Total schön ist, dass auch alle unsere Originals sehr stark liefen und laufen. «Frau Jordan stellt gleich» ist ein toller Erfolg und erhält deshalb auch eine zweite Staffel. Gleiches gilt für «Check Check».

Wir freuen uns, dass Christian Ulmen und Fahri Yardim im kommenden Jahr eine vierte Staffel machen werden. Schon vorher wird es eine Art „Prequel“ in Form eines Weihnachts-Specials geben.
Joyn-Chefin Katja Hofem über «jerks.»
Wir kommen da natürlich schnell auf Ihre Originals, «Check Check», «Frau Jordan…», «Mapa» oder den Uber-Fahrer zu sprechen. Daumen hoch bei allen genannten?
Gott sei Dank blieb wirklich nur ein Format unter den Erwartungen. Das war ein Talk Format mit einem Influencer, nämlich «The Entertainers». Das Programm war sehr gut gemacht, ich glaube aber, dass die Fans des Influencers einfach etwas anderes erwartet haben. Ansonsten geht überall der Daumen hoch: «MAPA» wurde stark nachgefragt, «Aus dem Tagebuch eines Uber-Fahrers» ist auf gleich erfolgreicher Flughöhe eingestartet. Und dann haben wir natürlich echte Dauerbrenner – dazu gehören Serien mit vielen Staffeln, «Grey’s Anatomy» etwa, aber auch unsere erste Originalserie «jerks.». Wir freuen uns, dass Christian Ulmen und Fahri Yardim im kommenden Jahr eine vierte Staffel machen werden. Schon vorher wird es eine Art „Prequel“ in Form eines Weihnachts-Specials geben. Zudem wird es auch eine zweite Staffel unseres Formats «Slavik – Auf Staats Nacken» geben.

Sie setzen bei Joyn auf mehrere Kurzformate – unter anderem mit dem schon angesprochenen Slavik. Haben sich Ihre Erwartungen erfüllt?
Das lief stark, da sind weitere Folgen geplant und auch weitere Formate dieser Machart. Wir werden da noch öfter und stärker eine Brücke zwischen YouTube und dem klassischen Broadcasting schlagen. Wir planen derzeit die Sendung «Shame Game» mit Moderator und Influencer Aaron Troschke, den manche vielleicht aus «Big Brother» kennen. Er ist ein tolles Talent, mit dem wir viel Spaß haben werden.

«Stichtag» wird zunächst zwei Mal wöchentlich veröffentlicht, soll eine sehr junge Zielgruppe ansprechen und sich eine eigene Community aufbauen. Wir haben eine innovative Erzählweise – ich würde sagen, dass «Stichtag» als ‚«GZSZ» in real‘ beschrieben werden kann. Wird die Serie gut angenommen, können wir uns vorstellen, die Serie zur Daily zu machen, denn natürlich ist eine eigene Joyn-Daily unser Traum.
Joyn-Chefin Katja Hofem über ihr neues Serienprojekt «Stichtag»
Was die Sendergruppe aktuell nicht zu bieten hat, sind tägliche Serien, die via Joyn dann quasi zeitlich flexible geschaut werden könnten. Sat.1 hat da über Jahre mehrere Fehlschläge gehabt. Es gibt also Bedenken, ein solches Format am Markt zu etablieren, weil man nicht glaubt, genug Bindung zu erzeugen?
Jeder wünscht sich immer eine tägliche, erfolgreiche Sendung mit einer loyalen Fangemeinde. Oder sogar zwei, die ganz schnell auf 1.000 Folgen kommen. Aber klar ist auch: Es muss passen. Es gab zuletzt mehrere Versuche, die allesamt gut umgesetzt waren, vom Publikum jedoch nicht angenommen wurden. Das Schöne ist: Wir haben auch viele andere Themen und Genres, mit denen wir im linearen Programm und auf Joyn erfolgreich sein können. Wir werden im Herbst bei Joyn aber den Versuch eines jungen Serienformats unternehmen: «Stichtag» wird zunächst zwei Mal wöchentlich veröffentlicht, soll eine sehr junge Zielgruppe ansprechen und sich eine eigene Community aufbauen. Wir haben eine innovative Erzählweise – ich würde sagen, dass «Stichtag» als ‚«GZSZ» in real‘ beschrieben werden kann. Wird die Serie gut angenommen, können wir uns vorstellen, die Serie zur Daily zu machen, denn natürlich ist eine eigene Joyn-Daily unser Traum.

Wie hat eigentlich «Big Brother» bei Joyn funktioniert? Das war ja auch eine Art Daily.
«Big Brother» hat auf Joyn gut funktioniert und neue Zuschauer erschlossen. Aber insgesamt sehen wir, dass Reality-Formate gut funktionieren. Das gilt auch für «Promis unter Palmen» oder «The Mole»; wir erkennen da übrigens auch, dass Zuschauer die Formate bei uns finden, die sie sonst linear wohl gar nicht geschaut hätten.

Die USA haben es meiner Meinung nach ein bisschen verpasst, nah an der Lebenswirklichkeit der internationalen Zuschauer zu erzählen. Viele Serien sind da sehr amerikanisch und/oder politisch geworden. Die amerikanische Serie ist ja nicht nur in Deutschland auf dem Rückzug, es ist ein europäisches Problem und auch in Lateinamerika übrigens sind US-Serien nicht mehr so stark wie noch vor einigen Jahren.
Joyn-Chefin Katja Hofem über US-Serien
Welche Rolle wird für Sie US-Serienware allgemein spielen? Die lineare Nutzung ist bekanntlich seit Jahren rückläufig. Weil es zu viele US-Serien gibt oder weil die non-lineare Nutzung, etwa bei Joyn, steigt?
Das ist wirklich ein abendfüllendes Thema. Lassen Sie mich zunächst über deutsche Serien sprechen. Schon vor fünf oder sechs Jahren gab es viele Versuche, starke deutsche Serien auf die Beine zu stellen, die auch international Aufmerksamkeit bekommen. Das hat aber nicht so ganz geklappt. Inzwischen sprechen wir von unglaublich großen Erfolgen auch im Bereich der deutschen Serie. Ich nenne es eine Renaissance deutscher Erzählkunst, die wirklich einzigartig ist. Darüber freue ich mich. Die USA haben es meiner Meinung nach ein bisschen verpasst, nah an der Lebenswirklichkeit der internationalen Zuschauer zu erzählen. Viele Serien sind da sehr amerikanisch und/oder politisch geworden. Die amerikanische Serie ist ja nicht nur in Deutschland auf dem Rückzug, es ist ein europäisches Problem und auch in Lateinamerika übrigens sind US-Serien nicht mehr so stark wie noch vor einigen Jahren.

Im Gegenzug wird auch europäische Serienware immer stärker, wenn ich etwa an unsere exklusive niederländische Erfolgsserie «Mocro Mafia» denke, die bei Joyn sehr beliebt ist. Gewissermaßen ist da eine Lücke entstanden und sofort wieder gefüllt worden. Nichtsdestotrotz bleiben US-Serien für Plattformen wie Joyn weiterhin das Butter-und-Brot-Geschäft, speziell was bestehende Marken betrifft. Korrekt ist aber, dass es sehr schwer geworden ist, aus den USA Neues zu etablieren.

Dating boomt – TV Now hat da zahlreiche Formate in petto, Sie haben mit «M.O.M.» nachgelegt. Kommt da noch mehr?
TV Now hat ja, wenn ich mir das so anschaue, nur Dating-Formate als Originals. Wir sind da breiter aufgestellt. «M.O.M.», das sehr hohe Abrufzahlen hat, war unser Startschuss im Bereich Dating & Reality und ja, es kommt mehr. Vergangene Woche Dienstag haben die Dreharbeiten an einem neuen Dating-Format begonnen. Ich sage nur: Eine Promi-Dame geht darin auf die Suche nach der großen Liebe.

Über welche Joyn-Originals werden wir in der Saison 20/21 sprechen?
Ein bisschen was habe ich schon erzählt. Wir haben also «Stichtag», wir haben das neue Dating-Format, wir haben «Check Check» und «Frau Jordan stellt gleich» mit neuen Staffeln. Mit großer Vorfreude darf ich verkünden, dass Joyn die deutsche Heimat der Serie «Nancy Drew» wird. Wir haben uns eine Eigenproduktion unseres Partners Globo gesichert, eine Krimiserie namens «Aruanas», in der es um den Schutz des Regenwaldes im Amazonas geht. Das Thema ist ja seit den schlimmen Bränden dort aktueller denn je. Es kommt eine neue Staffel von «Krass Klassenfahrt» und gemeinsam mit W&B Television und Sat.1 bereiten wir die neue Serie «Blackout», basierend auf einem Erfolgsroman, vor. In die Hauptrolle schlüpft Moritz Bleibtreu.

Alles Gute für das zweite joyn-Jahr und Danke für das Gespräch!
16.06.2020 10:00 Uhr  •  Manuel Weis Kurz-URL: qmde.de/119082