Daniel Radcliffe nimmt nach dem Zauberstab zwei Kanonen in die Hand – allerdings nicht ganz freiwillig. Was es mit dieser abgefahrenen Prämisse von «Guns Akimbo» auf sich hat und wie der Film geworden ist, das verraten wir in unserer Kritik.
Filmfacts: «Guns Akimbo»
VÖ: 25. Juni 2020
FSK: 18 (dt. Kinofassung 16)
Laufzeit: 98 Min.
Genre: Action/Komödie
Kamera: Stefan Ciupek
Musik: Enis Rotthoff
Buch und Regie: Jason Lei Howden
Darsteller: Daniel Radcliffe, Samara Weaving, Mark Rowley, Rhys Darby, Grant Bowler
OT: Guns Akimbo (UK/DE/NZL 2020)
Kaum ein Kinostart geht heutzutage noch ohne Skandale vonstatten. Auch im Falle der neuseeländischen Actioncomedy «Guns Akimbo» mit dem ehemaligen «Harry Potter»-Darsteller Daniel Radcliffe in der Hauptrolle hat sich der dazugehörige Regisseur und Drehbuchautor Jason Lei Howden («Deathgasm») im Vorfeld ordentlich danebenbenommen. Nach einigen wüsten Twitter-Pöbeleien gegen eine Handvoll Filmkritiker distanzierte sich sogar die Produktionsfirma Saban Films von dem Filmemacher, nicht aber von dem Werk, auf das man dort nach wie vor sehr stolz sei. Diese Kontroverse verwundert insbesondere deshalb, weil es in «Guns Akimbo» – im ganz weitesten Sinne – auch um das Thema Onlinemobbing geht. Zumindest bringt dieses Thema den zunächst unbewaffneten und später bewaffneten Helden wider Willen ja erst dazu, mit zwei festgeschraubten Knarren an den Händen loszuziehen und es mit diversen brutalen Widersachern aufzunehmen.
Das bedeutet allerdings noch lange nicht, dass «Guns Akimbo» als subversive Medienkritik durchginge. Jason Lei Howden liefert in erster Linie eine Actiongroteske im Stile von «Crank» oder «Shoot ‘Em Up» ab, die mit ihren offensichtlichen Vorbildern allerdings nie mithalten kann.
Knarren statt Hände
Der erfolglose Videospielentwickler Miles (Daniel Radcliffe) landet zufällig auf der Seite von „Skizm“, einem im Darknet live übertragenen Actionspiel, bei dem die Teilnehmer zu tödlichen Deathmatches antreten. Miles wird zum unfreiwilligen Mitspieler von „Skizm“, bekommt eine automatische Waffe in jede Hand geschraubt und muss gegen die unbesiegbare Kampfmaschine Nix (Samara Weaving) antreten. Doch statt zu kämpfen, tritt Miles lieber die Flucht an. Erst als seine Ex-Freundin Nova (Natasha Liu Bordizzo) entführt wird, ist Miles gezwungen, sich dem Kampf auf Leben und Tod zu stellen.
Die von Mark Neveldine und Brian Taylor 2006 auf den Weg gebrachte Werbeclip-Hyperästhetik wies so einigen Actionbeiträgen jüngerer Generation ihren stilistischen Weg. Auch «Guns Akimbo» lebt von diesem Zuviel – und hier passt es sogar zur Kulisse, schließlich spielt der Film in einer nicht näher definierten Zukunft, in der die Welt der Computerspiele und die echte Welt sukzessive miteinander verschwimmen. An jeder Ecke blinkt und blitzt es; Emoticons, Schriftzüge und Chatrooms sind allgegenwertig. Nach den 98 Minuten von «Guns Akimbo» braucht man definitiv erst einmal eine Pause von sämtlichen Bits und Bytes, sofern man nicht riskieren will, dass einem im Eifer des Gefechts die Synapsen durchknallen. Kameramann Stefan Ciupek («Die dunkle Seite des Mondes») setzt auf Neonlicht, rasend-schnelle Kamerafahrten auf Kopfhöhe seiner Figuren und viele, viele Zeitlupen, um die brachial ausgeübte Gewalt in all ihren Facetten zu zeigen.
Variation findet er darin allerdings keine. Hat man sich einmal daran gewöhnt, mit welcher Wucht hier Projektile in Köpfe oder andere Körperteile treffen, ist das beim zweiten, spätestens beim dritten Mal nicht mehr schockierend. Und auch die Verfolgungsjagden und Schießereien als solches wiederholen sich in Ablauf und Stilistik deutlich. Da wäre – erst recht im Anbetracht einer solchen High-Concept-Prämisse – doch deutlich mehr drin gewesen. Wenn nicht hier freidrehen, wo dann?
Immer die Handbremse im Visier
Zumindest Daniel Radcliffe nimmt sich das zu Herzen. Nach seinem Durchbruch als Zauberlehrling in der «Harry Potter»-Saga schlüpfte er zuletzt gleich mehrfach in die exzentrischen Hauptrollen kleinerer Genrefilme; etwa Alexandre Ajas «Horns» oder Paul McGuigans «Victor Frankenstein – Genie und Wahnsinn». Mit seiner Rolle des Protagonisten Miles in «Guns Akimbo» bewegt sich Radcliffe nun noch ein kleines Stückchen weiter aus seiner Komfortzone heraus und mimt den mit der Gesamtsituation höchst unzufriedenen Neu-Killer mit der genau richtigen Mischung aus Manie und Überforderung; Radcliffe bei seinem wahnwitzigen Schlachtfest zuzuschauen, macht hier klar am meisten Spaß.
Auf seinem Streifzug bekommt es Miles mit mehreren schlagkräftigen Ladies zu tun...
Auch seine weibliche Unterstützung Samara Weaving («Ready or not – Auf die Plätze, fertig, tot») gefällt einmal mehr als schlagkräftiges Badass-Girl, das ihrem männlichen Kompagnon in Nichts nachsteht. Lediglich Ned Dennehy («Kind 44») als übel zugerichteter Kriminellenboss holt aus seiner Karikatur eines Superschurken nicht mehr heraus als ebendiese Karikatur, was ihn nur bedingt zu einer echten Bedrohung macht. In «Guns Akimbo» geht es aber in erster Linie ohnehin um den Spaß am Daniel Radcliffes Hilflosigkeit.
Nach ein paar sehr unterhaltsamen Minuten, in denen sich der hervorragend tapsig gebende Miles mit seiner misslichen Lage anzufreunden lernt (inklusive mit zwei Knarren in der Hand Pinkeln gehen oder sich mehr schlecht als recht vor zwei Polizisten ergeben – und kläglich scheitern), verliert sich Jason Lei Howden jedoch in einer allzu gleichförmigen Inszenierung. Es folgt Shootout auf Shootout auf Shootout – ohne jedwede tricktechnische Varianz. Auch auf akustischer Ebene erkennt man an «Guns Akimbo» vor allem die Vorbilder: Spätestens seit «Suicide Squad» scheint der inszenatorische Kniff, Actionsequenzen mit prägnanten Pop-Rock-Evergreens zu unterlegen, zu einer Art Geheimwaffe geworden zu sein, um dort Tempo und Dynamik vorzugaukeln, wo eigentlich gar keine stattfinden.
So sind es am Ende lediglich ein paar spaßige One-Liner und – natürlich – die Idee an sich, wodurch sich «Guns Akimbo» von jüngstem Genreallerlei abhebt. Doch erst recht mit Blick auf «Crank» und Co. wäre hier so viel mehr drin gewesen, wenn man sich nicht darauf verlassen hätte, dass es ein paar Blinklichter, ein zernarbter Bösewicht und „When the Shit Goes Down“ von Cypress Hill schon richten werden, um von der ganz schön lahmen Geschichte abzulenken.
Fazit
Da wäre mehr drin gewesen! «Guns Akimbo» rennt seinen offensichtlichen Vorbildern hinterher, mit Ausnahme eines blendend aufgelegten Daniel Radcliffe kann hier aber nichts und niemand für eigene Akzente sorgen.
«Guns Akimbo» ist ab dem 25. Juni 2020 in den deutschen Kinos zu sehen – allerdings nur in der gekürzten FSK-16-Fassung!