Früher waren Pferdefilme vor allem eines: kitschig. Ein Mädchen lernte ein unzähmbares Pferd kennen, die beiden rauften sich zusammen und gewannen am Ende ein wichtige Turnier. Doch Pustekuchen: Heute veredeln die Vierbeiner anspruchsvolle Arthouse-Dramen und aufwühlendes Sportlerkino. Ein Streifzug.
Rock my Heart (erhältlich auf DVD, Blu-ray und als VOD)
So ganz kommen wir an der Blaupause des Pferdekinos natürlich nicht vorbei. Doch auch unter den Kandidaten, in denen es tatsächlich um eine ganz besondere Freundschaft zwischen Mensch (respektive Mädchen) und Tier geht, gibt es solche und solche Kandidaten. Einer der absolut gelungenen Vertreter ist das Jugenddrama «Rock my Heart». Darin geht es um ein schwerkrankes Mädchen namens Jana, gespielt von «Fack ju Göhte»-Star, das aufgrund eines angeborenen Herzfehlers von ihren Eltern in Watte gepackt wird. Aus jugendlicher Rebellion heraus knüpft sie Kontakte mit einem alternden Rennstallbesitzer, dessen erfolgversprechender Hengst Rock my Heart als unreitbar gilt. Jana hat mit Pferden zwar nichts am Hut, sieht allerdings im Training mit dem Pferd die Möglichkeit, ihren Eltern endlich zu beweisen, dass sie stärker ist als sie es ihr zutrauen. Es entspinnt sich ein bemerkenswert konsequentes Jugenddrama, das die Augen nicht vor der hart umkämpften Realität des Pferderennsports verschließt und das jugendliche Publikum auf Augenhöhe abholt.
The Rider (erhältlich auf DVD und als VOD)
Nach einem beinahe tödlichen Rodeo-Unfall muss sich der junge Cowboy Brady Blackburn (Brady Jandreau) mit der Tatsache abfinden, dass er nie wieder reiten kann und stürzt in eine existentielle Identitätskrise: Immerhin definiert ihn nicht nur seine Umwelt, sondern vor allem auch er selbst als Sioux-Nachkomme sich vornehmlich über seine Arbeit mit Pferden. Schwer wiegen der abschätzige Blick seines Vaters, der Abschied von seinen enttäuschten Fans und das Fehlen des einzigartigen Gefühls der Freiheit, das ihn auf dem Rücken eines Pferdes durchströmt.
Der Wilde Westen lässt keine Schwäche zu. Erst recht nicht im Hinblick auf die mutigen Cowboys, die sich innerhalb der amerikanischen Geschichte als der Inbegriff des unverwundbaren Kerls etabliert haben. Auch im Kino sieht man den Rinder treibenden, Lasso schwingenden Reiter mit Hut selten an sich und seiner Bestimmung zweifeln. Eine Marktlücke, die Regisseurin Chloé Zhao in ihrem dokumentarisch anmutenden Drama «The Rider» aufgreift und anhand eines filmisch aufbereiteten, echten Schicksals behutsam hinterfragt. Das, was der Hauptfigur in «The Rider» passiert, orientiert sich an dem, was Laiendarsteller Brady Jandreau der Autorenfilmerin vor dem Dreh geschildert hat. Für sie durchlebt der Reiter und Pferdeausbilder noch einmal das ganze Leid eines Schicksalsschlages und der damit einhergehenden körperlichen, aber vor allem der seelischen Qual. Denn so schmerzhaft der fast tödliche Unfall des Protagonisten auch gewesen sein mag, so schlimm ist für ihn im Anschluss der Verzicht auf die Interaktion mit den edlen Vierbeinern, als der Arzt ihm davon abrät, jemals wieder auf ein Pferd zu steigen.
«The Rider» befasst sich mit dem inneren Kampf zwischen Vernunft sowie dem unbedingten Willen, seine Träume zu verwirklichen und schildert obendrein völlig frei von Klischees die Bedeutung der Tiere für die Cowboys, die Kameramann Joshua James Richards so verwegen wie nur möglich einfängt, ohne dabei die harte Realität aus den Augen zu verlieren.
The Mustang (in den USA erhältlich als DVD, Blu-ray und als VOD)
Leider ist Laure de Clermont-Tonnerres Gefängnisdrama «The Mustang» bis heute nicht in den deutschen Kinos erschienen. Ihn trotzdem hier in dieser Auswahl aufzulisten, gehört der Ansicht der Autorin nach allerdings zum guten Ton, wenn es darum geht, gelungene, moderne Filme mit Pferdebezug aufzulisten. «The Mustang» ist einer davon; und zwar einer der besten. Denn der Film mit Matthias Schoenaerts in der Hauptrolle kombiniert eine gefühlvolle Geschichte über die enge Bindung zwischen Mensch und Pferd sowie ein Drama über einen brutalen Häftling, dessen Gewalttaten ihn für viele Jahre hinter Gittern gebracht haben.
In «The Mustang» treffen harte Männerfäuste und der Kampf um Rangordnung und Anerkennung hinter schwedischen Gardinen auf die Gutmütigkeit einer zerschundenen Pferdeseele. Und wie sich der raubeinige Schoenaerts und das ihm anvertraute Wildpferd im Laufe des Films nach und nach anfreunden, bis schließlich kein Blatt Papier mehr dazwischen passt, bereitet die Debüt-Filmregisseurin derart kitschfrei und unplakativ auf, dass man keinen Zweifel daran hegt, dass all das hier auf wahren Ereignissen basiert.
Jappeloup - Eine Legende (erhältlich auf DVD, Blu-ray und als VOD)
Hauptdarsteller und Drehbuchautor Guillaume Canet verschrieb sich einst selbst dem Pferdesport, entschloss sich dann allerdings dafür, seine Aufmerksamkeit in Gänze auf das Schauspiel zu legen. Die Affinität zu den eleganten Tieren und der Springreiterei hat jedoch direkte Auswirkungen auf die Qualität seines Dramas «Jappeloup - Eine Legende» – einem Film, der nicht weniger als eine Ode an eine französische Sportlegende ist, über dessen Entstehung in Frankreich so ziemlich jeder Bescheid weiß. Von 1982 bis 1990 holten der Hengst Jappeloup und sein Reiter Pierre Durand mehrere nationale und internationale Meisterschaftstitel. Gekrönt wurde diese Karriere mit einer Bronzemedaille in der Teamwertung bei der Olympiade 1988 in Seoul sowie dem dortigen Sieg im Einzelspringen.
Der Weg dorthin offenbarte jedoch diverse Stolperfallen, die Durand oftmals an seine psychischen und physischen Belastungsgrenzen trieben. Vor allem aus diesem Grund erlang die Karriere des ungleichen Gespannes ein solches An- und Aufsehen: Zwei Charakterköpfe raufen sich über Jahre zusammen, um schließlich sportliche Erfolge zu feiern. Knapp zwei Millionen Franzosen war das hautnahe Miterleben dieser Ereignisse das Lösen eines Kinotickets wert. Und auch hierzulande darf man ruhig einmal einen Blick auf diesen Geheimtipp werfen, der in seinen besten Momenten den Puls ordentlich in die Höhe treibt.
Buck - Der wahre Pferdeflüsterer (erhältlich auf DVD und als VOD)
Neben all diesen Spielfilmen darf natürlich auch eine Dokumentation über das Thema Pferd nicht fehlen. Auch wenn die Klassifizierung von «Buck – Der wahre Pferdeflüsterer» der Genreeinordnung „Dokumentation“ nicht ganz gerecht wird. Vielmehr möchte Regisseurin Cindy Meehl, die mit dem Film 2011 ihr Regiedebüt gab, einen Einblick in die Arbeit des Pferdetrainers Buck Brannaman bieten, die dabei für sich spricht und ohne einen unbeteiligten Off-Kommentar auskommt. Somit wird der Zuschauer zum Beobachter, der anstatt auf dem Reitplatzzaun vor dem Fernseher sitzt und fasziniert dem lauscht, was Brannaman oder seine nächsten Verwandten über seine Arbeit oder ihn zu sagen haben. Dabei konzentriert sich vor allem die erste Hälfte des Films ganz auf das Leben und die bewegte Vergangenheit des Hauptdarstellers selbst. In der zweiten Hälfte geht es dann hauptsächlich um die Arbeit mit dem und am Pferd. Der Reiter zeigt Lösungsansätze für Probleme auf, die hierzulande kaum Verbreitung finden. Er verknüpft sogar aktuelle Themen wie die im Spitzensport hoch umstrittene Rollkur mit seiner traditionsreichen Arbeit und bringt sie immer wieder in Verbindung mit der Denkweise des Pferdes und des Menschen.
Der Film ist gespickt mit Weisheiten, die der Protagonist beiläufig von sich gibt und sie dem Publikum dementsprechend nicht einfach nur eintrichtern möchte. Vielmehr lässt er die Zuschauer sich das herauspicken, was er für sich und seinen eigenen Lebensweg gebrauchen kann. Und das gilt längst nicht nur für Reiter. «Buck – Der wahre Pferdeflüsterer» ist zu gleichen Teilen ein Film über Menschen, Pferde und Pferdemenschen – und entsprechend auch für jeden etwas, selbst wenn er mit den edlen Tieren überhaupt nichts am Hut hat.