Wie ergeht es Kreativagenturen in der Corona-Pandemie? Wie misst man Erfolg von Online-Kampagnen? Philip Grabow von Grabow & Bartetzko verrät es uns.
Grabow & Bartetzko
Grabow & Bartetzko ist eine Kreativ-Agentur mit einem klaren Versprechen: Creating Movements. Das Team entwickelt digitalen Content, Kampagnen und interaktive Erlebnisse für Entertainment-Brands (z.B. zu Serien und Filme wie «4 Blocks», «Green Book», «Who Am I», «Andere Eltern» u.v.m.). Als vielfach ausgezeichnete Kreativ-Agentur gehört Grabow & Bartetzo zu den Top-Digital-Agenturen in Deutschland. Aktuell Platz 17 im BDVW-Kreativranking.Welchen Einfluss hatte die Corona-Pandemie auf eure Auftragslage?
Da wir digitale Kampagnen für Entertainment-Brands entwickeln, und uns vor allem auf Social Media konzentrieren, sind wir zum Glück weitestgehend verschont geblieben. Aber viele unsere Kunden sind aus der Film- und Fernsehbranche, insofern merken wir schon, dass der eine oder andere potentielle Blockbuster verschoben wurde, und dass die Fernsehsender manche Projekte vertagen. Aber es wurde nichts abgesagt. Manche Kampagnen finden nun einfach später statt. Ein anderes Beispiel ist die Serie «Ausgebremst» unseres engen Partners und Kunden WarnerMedia (ehemals: Turner Broadcasting). Die Serie ist in der Krise spontan als spannendes, neues Charity-Projekt entstanden, während des Lockdowns. Die Erlöse kommen der Kunstnothilfe zugute und so haben auch wir das Projekt sehr gerne im Bereich Social Media unterstützt und beraten.
Entsteht die Kampagne zu so einer spontan entstandenen Serie wie «Ausgebremst» auf dem normalen Weg, bloß schneller, oder ist bei solchen Unterfangen dann alles durcheinander?
Auf jeden Fall rütteln solche Projekte die übliche Vorgehensweise auf. Allein schon aufgrund der Produktionsprozesse, die so viel kürzer sind. Wir haben hier aber auch nur im kleinen Rahmen unterstützt. Normale Kampagnen, wie zur Erfolgsserie «4 Blocks», werden über eineinhalb Jahre hinweg langfristig vorbereitet, Strategie und Inhalte für die Kampagne vor Drehstart entwickelt und dann parallel zum Hauptdreh produziert.
Vielleicht die am häufigsten thematisierte Kampagne zu «4 Blocks» war ja der "Leak" von Teilen der ersten Folge in Staffel zwei. Wie läuft die Findung solch ausgefallener Aktionen ab? Habt ihr die mutige Idee und müsst die Kunden anschließend überreden oder kommen Sender beziehungsweise Studios und sagen: "Lass euch was mutiges einfallen"?
Auf die angesprochene Kampagne „4Blocks Live – 1 Tag, 4 Blöcke, 4 Challenges“ – in der die User Minuten ihrer Lieblingsserie erspielen konnten – sind wir sehr stolz. Das Ganze war ein eintägiges, interaktives Facebook-Live-Event zum Start der zweiten Staffel. Wer in den sozialen Netzwerken auffallen will muss auffälliger, kreativer und innovativer für sein Produkt werben als andere. Davon versuchen wir unsere Kunden immer zu überzeugen. Es braucht Mut sich vom üblichen Kampagnenweg lösen zu wollen. Solche Projekte wie der «4 Blocks»-Leaks kommen aber nur zustande, wenn man so einen Partner wie Warner Media hat, bei dem von Beginn an der Wille da ist, digital für Gesprächsstoff zu sorgen. Da blühen wir natürlich auf. Unser Ziel ist es schlussendlich nicht, einfach nur Werbung zu machen: Wir wollen im Idealfall eine Erweiterung des Film- oder Serienerlebnisses bieten.
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Die Anzahl der Leute, die deine Kampagne sehen, ist wirklich nicht sonderlich aussagekräftig.
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Philip Grabow
Wie wird in eurer Branche eigentlich Erfolg gemessen? Die Klickzahlen eines Trailers allein sagen ja nicht zwingend etwas über eure Leistung aus – die können ja auch allein vom Masseninteresse am beworbenen Projekt abhängig sein ..?
Ja, das stimmt: Gerade bei Digitalkampagnen trennt sich so die Spreu vom Weizen. Die Anzahl der Leute, die deine Kampagne sehen, ist wirklich nicht sonderlich aussagekräftig. Nicht zuletzt auch, weil man im Digitalen wie schon bei TV- oder Printkampagnen seine Reichweite erkaufen kann. Im TV-Segment zahlt man für eine Ausstrahlung auf einem guten Sendeplatz, digital dafür, dass die Plattformen deinen Content oft und prominent platzieren. Eine gewisse Summe an Kontakten zu erreichen, ist also keine so besondere Leistung. Woran sich der Erfolg stattdessen misst: Je besser der Content ist, desto günstiger wird es, eine bestimmte Zahl an Leuten zu erreichen. Denn der Algorithmus für Werbeanzeigen auf Plattformen wie Facebook und Instagram bevorzugt guten Content.
Aber der noch wichtigere Messfaktor ist letztlich die Frage nach der Interaktion: Wie viele der Leute, die die Aktion, den Zusatzcontent, den Trailer gesehen haben, haben Freunde vertaggt, ihn geteilt oder Kommentare geschrieben? Das zeigt dir wie erfolgreich deine Kampagne wirklich war, nicht die Views.
Und man lernt nie aus: Über die Kampagnen zu allen drei Staffeln von «4 Blocks» hinweg, haben wir unsere Fans immer besser kennengelernt und konnten die Inhalte immer besser auf sie zuschneiden.
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Es ist nicht fair, einen Horrorfilm als leichte Komödie zu vermarkten, bloß weil in einer der Teilzielgruppen des Films online Gags gut funktionieren
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Philip Grabow
Wie sehr "darf" eine Agentur denn eine Kampagne zu einem Film oder einer Serie korrigieren, bevor die Werbebotschaft für das Publikum irritierend wird?
Es ist immer ganz wichtig, fair mit den Publikumserwartungen umzugehen. Es ist nicht fair, einen Horrorfilm als leichte Komödie zu vermarkten, bloß weil in einer der Teilzielgruppen des Films online Gags gut funktionieren. Das gibt dir vielleicht kurzfristig Aufmerksamkeit und eine hohe Interaktion. Aber durch die Enttäuschung des Publikums, nicht das bekommen zu haben, was man erwartet hat, entsteht eine unmöglich zu korrigierenden, negative Mund-zu-Mund-Propaganda. Mein Lieblingsbeispiel ist «The Village» von M. Night Shymalan, der wie ein klassischer Horrorschocker beworben wurde, aber ein ruhiger, gesellschaftskritischer Mysterie-Thriller war. Solche Publikumstäuschung gilt es zu vermeiden.
Was wir machen: Wir vergleichen die Zielgruppen, die die Macher ansprechen wollen, mit unseren Online-Zielgruppenanalysen, und entdecken so – durch Interessen und Content-Vorlieben – oft auch neue Marketing-Potentiale. Es kam schon vor, dass ein Sender dachte, ein Format wird "zu 70 Prozent Frauen ansprechen", und wir haben die Serieninhalte anschließend mit Zielgruppen in Social Media abgeglichen und festgestellt, dass die Serie Männer und Frauen gleichermaßen ansprechen könnte. So kann man gut vermeiden, ein Projekt am realen Markt "vorbeizubewerben".
Aber was ist mit einer laufenden Kampagne – sagen wir, eine Serie wird zunächst mit Fokus auf Stadtmenschen Anfang bis Ende 30 beworben, und dann merkt ihr: Ach, "Dorfkinder" sind genauso interessiert …
Solange man nicht in der Kampagne, wie im «The Villiage»-Negativbeispiel, den Kern der Marke verändert, ist das kein Problem. Es ist sogar sehr sinnvoll, im Laufe einer Kampagne das sogenannte Targeting immer weiter zu verfeinern. Man fängt breit an und spricht dann immer gezielter bestimmte Teilzielgruppen an, die gut auf die bisherige Kampagne angesprungen sind. Denn der Algorithmus ist am Ende immer schlauer als man selbst, daher ist der größte Fehler, den man machen kann, die Zielgruppe zu eng einzugrenzen und so Potentiale zu verschenken. Dafür braucht man auch eine gute Agentur: Es reicht nicht, ein paar Trailer parat zu haben. Man braucht ein größeres Feld an kreativen Inhalten, die auf unterschiedliche Plattformen und Nutzer zugeschnitten sind, und muss dann im Laufe der Kampagne fähig sein, sich anzupassen. Und darauf sind wir spezialisiert.
Vielen Dank für das Gespräch.